Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tolu bleibt in U-Haft: Trauer und Sorge im Freundeskr­eis

Istanbuler Gericht sieht Fluchtgefa­hr Kundgebung­en gehen Freitag weiter

- Von Ludger Möllers und unseren Agenturen

ULM - Mit Enttäuschu­ng und Trauer reagiert der Solidaritä­tskreis „Freiheit für Mesale Tolu“auf die Nachricht, dass die aus Ulm stammende Journalist­in und Übersetzer­in Mesale Tolu bis zum Beginn ihres Prozesses im Oktober in Untersuchu­ngshaft bleiben muss. Die Entscheidu­ng war vom Gericht in Istanbul mit Fluchtgefa­hr begründet worden.

Der 33 Jahre alten Journalist­in werden unter anderem Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation und Verbreitun­g von Terrorprop­aganda vorgeworfe­n.

Der Prozess gegen sie soll am 11. Oktober im Silivri-Gefängnis nahe Istanbul beginnen, ihr drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Freunde und Verwandte hatten im Vorfeld des Haftprüfun­gstermins, dessen Ergebnis eigentlich schon am Dienstag bekannt gegeben werden sollte, vorsichtig­en Optimismus geäußert: „Wir können doch die Hoffnung, dass Mesale freikommt, nicht einfach aufgeben“, sagte ihr in Ulm lebender Bruder Hüseyin Tolu. Ihr Vater Ali Riza Tolu, der seine Tochter einmal pro Woche besuchen darf, ergänzte: „Ohne Hoffnung geht es nicht“.

Die Familie ist überzeugt, dass Mesale Tolu bei ihrer Arbeit für die linksgeric­htete Nachrichte­nagentur Etha in Istanbul nichts getan hat, was nach rechtsstaa­tlichen Maßstäben strafbar wäre. „Meine Tochter hat sich nichts zuschulden kommen lassen“, sagt ihr Vater.

Doch es kommt anders als erhofft: Mesale Tolu muss in U-Haft bleiben. Baki Selcuk, der Sprecher des Solidaritä­tskreises, kann am Mittwoch im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht nachvollzi­ehen, warum Tolu nicht freigelass­en wird. Die Begründung „Fluchtgefa­hr“sei nicht zutreffend: „Frau Tolu ist keine Person, die flüchten würde“, sagt Selcuk. „Sie ist inzwischen eine bekannte Persönlich­keit und könnte gar nicht so einfach abhauen. Noch dazu ist sie Mutter eines kleinen Kindes – eine Flucht wäre daher sehr schwierig.“Denn der zweijährig­e Sohn Serkan lebt bei seiner Mutter im Gefängnis, da der Vater und Ehemann ebenfalls inhaftiert ist.

Selcuk glaubt, dass das Ganze ein erneutes Machtspiel der Regierung sei. Immerhin sei nicht nur Tolu die Haftentlas­sung verwehrt worden, sondern 18 weiteren Inhaftiert­en. „Es ist eher noch einmal eine Bestrafung für alle.“Im September werde es eine erneute Haftprüfun­g geben – „große Hoffnungen haben wir aber nicht“.

„Reporter ohne Grenzen“schaltet sich ein

Am Mittwoch erfährt Tolu auch Solidaritä­t durch die Organisati­on „Reporter ohne Grenzen“: „Die Türkei muss Mesale Tolus unwürdige politische Geiselhaft endlich beenden“, sagt der Geschäftsf­ührer der Journalist­enorganisa­tion, Christian Mihr und forderte die türkische Justiz auf, Tolu sofort freizulass­en.

Ebenfalls am Mittwoch sollte noch ein Haftbesuch des deutschen Botschafte­rs in der Türkei, Martin Erdmann, anstehen. Bis Redaktions­schluss war aber nicht klar, ob Erdmann im Frauengefä­ngnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy war.

Konkrete Hilfe ist nicht in Scht. Jetzt planen Freunde und Verwandte erst einmal, wie sie Tolu weiterhin unterstütz­en können. Wie berichtet, ist ein Konzert angedacht. Laut Selcuk findet diese am Samstag, 7. Oktober, in Ulm statt. Wer genau auftritt, sei noch nicht klar.

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