Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Fliegerschicksale – der Tote von Gauingen
Otmar Gotterbarms jüngste Forschungen zum Luftkrieg im süddeutschen Raum
MÜNSINGEN/ZWIEFALTEN (mbu/ sz) - „Nichts erinnert an den Absturz eines schweren alliierten Bombers in den frühen Morgenstunden des 25. April 1944, halben Weges zwischen Tigerfeld und Aichstetten auf der Schwäbischen Alb, einen Steinwurf entfernt vom dort befindlichen Hochbehälter. An dieser Stelle war auch nichts Schlimmes geschehen, niemand war zu Tode gekommen. Nur das leere Flugzeug war hier zerschellt, die gesamte Besatzung war zuvor abgesprungen. Und doch fanden Bauern, die nach Tagesanbruch mit ihren Pferden hinausfuhren, um ihre Äcker zu bestellen, einen toten Fliegersoldaten. Er lag auf einem Feld Richtung Wimsen, etwa fünf Kilometer östlich des Flugzeugwracks. Da sein Fundort auf Gauinger Markung liegt, wurde er als der Tote von Gauingen bekannt.“So beginnt Otmar Haberbosch sein neuestes Buch „Fliegerschicksale“– Aufsätze zum Luftkrieg über Isar, Alb und Bodensee.
Menschliche Schicksale beim Luftkrieg über Süddeutschland
Der Autor legt mit diesem Buch seine jüngsten Forschungen zum Luftkrieg im süddeutschen Raum vor. Seine Aufsätze schildern die Schicksale der Menschen, die diesen Krieg erlebt und häufig nicht überlebt haben, ohne dabei den Blick für die größeren historischen Zusammenhänge zu verlieren. Zahlreiche Dokumente und Fotografien, die der Autor mit langem Atem und großer Sorgfalt in staatlichen und privaten deutschen, britischen und amerikanischen Archiven gesammelt hat, sind hier erstmals veröffentlicht.
Der erste Aufsatz dieses Bandes ● – „Der Tote von Gauingen“– befasst sich zunächst ausführlich mit dem Luftangriff auf München in der Nacht des 24./25. April 1944. Sodann wendet er sich dem Absturz einer auf dem Rückflug befindlichen Lancaster bei Aichstetten, Kreis Reutlingen, zu, dem Bordgeschehen während des Absturzes und dem Schicksal der sieben Crewmitglieder. Der bisher unveröffentlichte Bericht eines Überlebenden erzählt von der ungewöhnlichen Geschichte seiner wochenlangen Flucht durch Südwestdeutschland. Die Erinnerungen deutscher Zeitzeugen gestatten einen Blick auf die Beobachtungen und Erlebnisse der Menschen in der Umgebung des Absturzortes auf der Schwäbischen Alb.
Der zweite Aufsatz, „Memmin● ger Flieger auf der Alb“, ruft noch- mals den Absturz eines Bombers in Frankenhofen und den Luftangriff auf Granheim in Erinnerung. Beide Ereignisse sind ausführlich dargestellt in dem Buch „Die Abgestürzten“, das Gotterbarm bereits 2013 vorgelegt hat. In der Zwischenzeit sind zu beiden Ereignissen verschiedene neue Aspekte ins Blickfeld gerückt, die hier dargestellt werden sollen. Sie beinhalten neue Überlegungen zum Tod des oberen Turmschützen sowie die in Teilen erweiterte und korrigierte Darstellung des Luftangriffs auf Granheim.
Der dritte Teil, „Hengen und ● Münsingen, Absturz von zwei Lancaster-Bombern“, fasst die verfügbaren spärlichen Informationen zu diesem Ereignis aus deutschen und britischen Archiven prägnant zusammen und ergänzt sie durch Zeitzeugenaussagen aus der Region. Er erinnert an den Tod aller 14 Crewmitglieder.
Schließlich berichtet „Der ● Bomberabsturz von HeiligenbergWintersulgen“vom 18. März 1944 in der Bodenseeregion. Im Mittelpunkt der Dokumentation steht der erste Großangriff der Amerikaner auf Friedrichshafen und der Absturz einer B-24 Liberator mit den Originalberichten der überlebenden Crewmitglieder zum Bordgeschehen, ihren Fallschirmabsprüngen und Gefangennahmen. Gotterbarm verliert sich auch hier nicht in militärischen Details, sondern zeigt auf, wie Menschen Vorurteile und propagandistische Indoktrination vergessen können und Mitmenschlichkeit praktizieren.