Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Horrortrip statt Partyurlaub
Terror in Barcelona: Junge Frauen der Laichinger Alb erleben den Anschlag hautnah mit
LAICHINGER ALB - Urlaubszeit – Reisezeit? Was eine Gruppe junger Frauen von der Laichinger Alb in Barcelona erlebt hat, hat nichts mit Erholung zu tun. Sie wurden hautnah Zeugen des verheerenden Terroranschlags in der katalanischen Hauptstadt. Die SZ hat mit ihnen gesprochen.
Die jungen Frauen sitzen im Grünen, in der Idylle; auf dem Rasen der Anlagen des Laichinger Marktplatzes. Barcelona liegt weit entfernt, und ist doch so nah. Die fünf Mädels – alle 17 Jahre alt – erzählen, dass sie über eine Organisation, welche Jugendlichen Reisen ins Ausland ermöglicht, den Sprung nach Spanien gewagt hatten. Die Reise ging zunächst nach Lloret de Mar, sagen die jungen Frauen. Die Mädchen sitzen im Halbkreis zusammen, die Sonne scheint. Dennoch wird schnell klar: Das Erlebte hat Spuren hinterlassen.
Der Tag des Anschlages in Barcelona, es ist Donnerstag, der 17. August. „Zunächst sind wir zu einem Aussichtspunkt gegangen, von dem aus man die ganze Stadt in ihrer Größe wahrnehmen konnte“, sagt eines der Mädels. Dann die nächste Station: die große Einkaufsstraße „Las Ramblas“. An deren Ende werden sie zunächst abgesetzt, „wir gingen dann los und holten uns erst mal was zum Essen“. Anschließend seien sie los geschlendert und schauten sich die Stände und kleinen Geschäfte an. Ein Mädchen aus der Gruppe wollte dann weiter, zu der nahen Markthalle La Boqueria. Doch sie kamen nicht weit.
Schutzraum Eisdiele
„Plötzlich fingen die Leute an, sich aufzuteilen – alle liefen an den Straßenrand und in die Geschäfte.“Es wurde unruhig und sie hätten nicht gewusst, was nun auf sie zukommt, erzählen die fünf Freundinnen. Sie kommen unter anderem aus Heroldstatt und Ingstetten. Sie gingen aber weiter und über die Straße – zu einer Eisdiele. „Angst und Schrecken“sei in vielen Gesichtern gestanden. Kein Wunder: Das Auto des Attentäters, der, wie sich später herausstellte, 13 Menschen tötete, war höchstens 15 Meter nach ihnen zum Stehen gekommen. Dann ein lauter Schlag. Sofort rannten die Mädchen in die Eisdiele hinein, erzählen sie. Und sofort seien hier die Rollläden geschlossen worden. Dann ein weiterer Knall, wahrscheinlich der einer Waffe. Die Mädels waren nicht alleine in der Eisdiele, gemeinsam mit anderen rannten sie die Treppen in den zweiten Stock hinauf.
Auf der Straße hätten sich schnell viele Polizeiautos versammelt. Vor den Geschäften überall Polizisten mit Waffen in den Händen, mit Helmen auf den Köpfen und Schutzschildern vor ihren Körpern. Auch zu sehen gewesen seien Krankenwägen, welche die Verletzten in Krankenhäuser brachten. „Alles war blutverschmiert, die Menschen standen unter Schock.“In der Eisdiele, erzählen die Freundinnen, seien sie dann auch befragt worden, zu dem was sie gesehen haben – doch sie hätten keine Auskunft geben können. Der Schock saß zu tief. Insgesamt waren die Mädels sechseinhalb Stunden in der Eisdiele „gefangen“. Die Polizei habe niemanden heraus gelassen.
In der Eisdiele waren alle Altersklassen vertreten und man habe gemerkt, wie jeder für sich versucht habe, mit dem Schock umzugehen. Der Besitzer habe seine Gäste kostenlos mit Essen und Trinken versorgt – darüber waren die Mädchen froh. „In einem Klamottenladen hätte man uns nicht so versorgen können“, sagt Annika Rommel. Außerdem hätten sie auch ihre Handys laden können, um unter anderem der Organisation Bescheid zu geben, mit der sie unterwegs waren.
Von der Dachterrasse schließlich konnten sich die jungen Frauen ein besseres Bild machen vom Geschehen. Sie erzählen, dass der Lieferwagen des Terroristen lange da gestanden hätte und überall blutverschmierte Tücher und Folien lagen. Darunter lagen Leichen. Hier und da sei ein Kinderwagen zu erkennen gewesen. Und es waren mindestens genau so viele Polizisten auf einmal auf der Straße, wie es Menschen waren vor dem Anschlag. Die Polizisten hatten keine Zeit gehabt, ihnen zumindest auf Englisch zu sagen, was Sache ist. Die Verständigung sei ein Problem gewesen.
Um 24 Uhr konnten die 17-Jährigen schließlich über Umwege zu einem Taxi gehen. Um sie herum: noch immer lauter Polizisten. Das Taxi habe nichts gekostet und brachte sie bis zu einem Punkt, an dem die Reisebegleiter warteten. Dann ging es zurück nach Lloret de Mar, ins Hotel.
Um sich abzulenken, sei ein Teil der Mädels noch ein wenig Feiern gegangen. Die „Partystraße“in Lloret sei aber komplett gesperrt gewesen für Autos, „und überall waren Polizisten“. Die jungen Frauen fühlten sich dadurch aber auch sicherer als in Barcelona. Sprechen konnten sie zudem noch mit einer Psychologin, was der ganzen Reisegruppe angeboten worden sei. Annika Rommel, Pia Rommel, Hannah Färber, Saviya Gürntke, Lea Eichhorn und Daniela Lohrmann hoffen, das Erlebte bald hinter sich lassen zu können.