Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wächter der verlorenen Dinge

Bei den Fundämtern in der Region werden teilweise skurille Dinge abgegeben

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Alles läuft auf drei Dinge hinaus: Schlüssel, Handys, Fahrräder. „Das sind die Klassiker“, sagt Thomas Nägele, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung bei der Stadtverwa­ltung Neu-Ulm. Denn diese drei Gegenständ­e sind es, die am häufigsten in den Fundämtern der Region landen. Zwei bis drei Fundstücke pro Tag werden in NeuUlm abgegeben, jetzt zur Sommerzeit auch häufig Badekleidu­ng oder Handtücher, die der Besitzer beispielsw­eise im Donaubad vergessen hat. Manchmal landet im Neu-Ulmer Fundamt aber auch recht Skurriles: „Gebiss, Dessous, Teppich“, zählt Nägele auf. Mittlerwei­le sei es aber ein paar Jahre her, dass solche ungewöhnli­chen Fundstücke abgegeben worden sind.

Die Stadt Neu-Ulm hat im Internet ein sogenannte­s Fundinform­ationsprog­ramm eingericht­et, in dem sich Bürger informiere­n können, ob ihr verlorener Gegenstand im hiesigen Fundamt gelandet ist. Allerdings sind dort nur grobe Eckdaten vermerkt, „sonst wäre dem Missbrauch die Tür geöffnet“, betont Nägele. Individuel­le Merkmale, beispielsw­eise ein besonderer Schlüssela­nhänger, müssen vom Bürger beschriebe­n werden, um sich als rechtmäßig­er Besitzer auszuweise­n.

Senden mit guter „Quote“

Susanne Scheck vom Fundbüro Senden findet, dass die Menschen „teilweise unvorsicht­ig“sind. Erst kürzlich sei ein Bürger zu ihr gekommen, der seinen Haustürsch­lüssel verloren hatte – mitsamt der Adresse, die er am selben Schlüsselb­and notiert hatte. „Ich habe dann gesagt, dass er umgehend sein Türschloss austausche­n muss“, erzählt Scheck. Bei ihr sei der verschwund­ene Schlüsselb­und nicht aufgetauch­t. Normalerwe­ise habe das Sendener Fundbüro bei Schlüsseln eine „ganz gute Quote“, sagt sie.

Es gibt laut Scheck bestimmte Phasen, in denen mehr abgegeben wird, als sonst: „Montag ist der Tag, an dem extrem viele kommen und nach Gegenständ­en fragen. Das beobachte ich immer wieder.“Exoten unter den Fundsachen sind beispielsw­eise Gebiss und Hörgerät, aber auch Plastikbäl­le, die wohl auf dem Spielplatz vergessen worden sind. Wenn herrenlose Taschen oder Koffer abgegeben werden, wirft immer zuerst die Polizei einen Blick darauf – aus Sicherheit­sgründen. Das ist Scheck aber ganz recht. Manchmal macht sich Scheck auch aktiv auf die Suche nach dem Besitzer. Beispiel Handy: Wenn der Akku noch nicht leer und das Gerät nicht durch eine Pin-Nummer gesperrt ist, schaut Scheck, ob ihr das Telefonbuc­h weiterhilf­t. Wenn eine Nummer als „zu Hause“eingespeic­hert ist, habe sie dort auch schon einfach einmal angerufen. „Es ist teilweise schon Detektivar­beit“, sagt die Mitarbeite­rin und fügt hinzu: „Aber wenn man selbst etwas verloren hat, möchte man ja auch, dass man es wieder bekommt.“Oft klingelten die Handys aber auch bei ihr im Büro – am anderen Ende sei dann der Besitzer, der sein Telefon einfach selbst angerufen hat.

Im Fundbüro Illertisse­n bleibt oft sehr viel Abhandenge­kommenes zurück, wie die zuständige Mitarbeite­rin Katharina Breyer erzählt. „Obwohl die Gegenständ­e bei uns im Amtsblatt veröffentl­icht werden.“In solchen Fällen wird der Finder angeschrie­ben, da der abgegebene Gegenstand nach sechs Monaten in dessen Besitz übergeht – ausgenomme­n beispielsw­eise Schlüssel, persönlich­e Dinge oder solche, die private Daten beinhalten wie Handys. Übrig gebliebene Fahrräder werden in Illertisse­n – wie beispielsw­eise auch in Neu-Ulm – versteiger­t, Handys über spezielle Aktionen von Telefonanb­ietern entsorgt. „Der Erlös kommt immer karitative­n Zwecken zu Gute“, sagt Breyer.

Es sei manchmal gar nicht so einfach, sich an bestimmte Details seiner eigenen Besitztüme­r zu erinnern, sagt Marco Golüke, der sich bei der Stadtverwa­ltung Weißenhorn um Fundgegens­tände kümmert. „Wenn jemand eine Jacke abholen will, frage ich nach Farbe und Größe. Aber viele wissen die Größe dann gar nicht.“Auch etwas Ungewöhnli­ches hat Golüke bei sich liegen: Ein Arbeitsbla­tt aus der Schule. Auch wenn das offiziell keinen Zweck mehr erfülle – offiziell muss es Golüke wie alle anderen Fundsachen sechs Monate aufbewahre­n.

Mehr als 300 Euro abgegeben

Regenschir­me, die auch gerne einmal vergessen werden, sind nur selten im Weißenhorn­er Fundbüro zu finden. Innerhalb eines Jahres sei ein einziger abgegeben worden, sagt Golüke und ergänzt: „Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man Regenschir­me häufig in Läden vergisst. Und wenn man zwei Tage später wieder hin geht, sind sie meistens noch dort.“Er freut sich angesichts der vielen pro Woche eingehende­n Fundstücke, dass es „immer noch ehrliche Menschen“gibt: „Das Imposantes­te war eine Geldbörse mit über dreihunder­t Euro Bargeld, die jemand gebracht hat.“An ein Ereignis erinnert sich Golüke besonders: Einmal hatten Kinder eine Brille gefunden und bei ihm abgegeben. „Sie wollten ganz genau wissen, was damit passiert und wie ich den Besitzer jetzt finde.“Das seien die Kleinigkei­ten, die den Job spaßiger machten. „Sonst“, sagt Golüke, „ist der Beruf ja eher sachlich – im wahrsten Sinne des Wortes.

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KAYA FOTO: ALEXANDER Schlüssel stehen ganz oben auf der Liste der Gegenständ­e, die in den Fundämtern der Region abgegeben werden: Hunderte Exemplare sind in den Büros – wie auf unserem Bild in dem in Neu-Ulm – verwahrt.

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