Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Früher fehlte Geld, heute die Ingenieure“
Ronja Kemmer (CDU) spricht über Infrastruktur, die Kanzlerin und die Wahl
Alb-Donau-Kreis - Mit 28 Jahren ist Ronja Kemmer die derzeit jüngste Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Nun steckt die CDU-Frau mitten im Wahlkampf und möchte bei der Bundestagswahl am 24. September das Direktmandat im Alb-DonauKreis und der Stadt Ulm verteidigen. Im Gespräch mit SZ-Redakteurin Eileen Kircheis und SZ-Redakteur Tobias Götz hat Kemmer über ihre Ziele, das Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Wahlkreis gesprochen.
Frau Kemmer, Sie stecken in Ihrem ersten Wahlkampf als Bundestagskandidatin. Wie läuft’s?
Gut. Die Ausgangslage für die Union vor der Wahl sieht gut aus, was aber nicht bedeutet, dass wir uns zurücklehnen können. Ich bin derzeit jeden Tag im Wahlkampf unterwegs, habe schon Haustürwahlkampf gemacht und besuche momentan viele Betriebe, führe Gespräche mit den Bürgermeistern. Die Dynamik im Wahlkampf nimmt also zu.
Erstmals steht Ihr Name auf dem Wahlzettel. Was ist das für ein Gefühl?
Das ist natürlich für mich eine andere Ausgangslage als bisher, wo ich Kandidaten unterstützt habe. Natürlich werbe ich im Wahlkampf für die Partei und die Kanzlerin, aber eben nun auch für mich.
Sie sind seit zweieinhalb Jahren als Nachrückerin Bundestagsabgeordnete. Was konnten Sie in dieser Zeit erreichen?
Wir haben viele Projekte vorangebracht, vor allem in Sachen Infrastruktur. Konkret natürlich die Querspange bei
Erbach, deren symbolischer Spatenstich erst kürzlich war. Aber auch die Ortsumfahrung Obermarchtal. Hier steht die Finanzierung durch den Bundesverkehrswegeplan.
Warum wird dann in Obermarchtal noch nicht gebaut?
Weil das Land, respektive das Regierungspräsidium Tübingen, für die Umsetzung der Maßnahme zuständig ist. Es gibt aber Politiker wie Verkehrsminister Winfried Herrmann, die keinen Straßenbau wollen. So gibt es in Baden-Württemberg aktuell kein planfestgestelltes Straßenprojekt. Sollten also seitens des Bundes Sonderprojekte finanziert werden, geht Baden-Württemberg leer aus. Natürlich muss man hier auch sagen, dass oft das Planungspersonal fehlt. Früher hat das Geld gefehlt, heute sind es oft die Ingenieure.
Manche fordern deswegen, dass sich der Bund nicht nur um die Finanzierung, sondern auch um die Umsetzung kümmern soll.
Ja, das stimmt. Doch ein Landesvererfolgreich kehrsminister, der keine Straße bauen möchte, möchte diese Kompetenz auch nicht an den Bund abgeben. Das ist eine Frage des politischen Willens. Steter Tropfen höhlt hier den Stein, so realistisch müssen wir sein. Gut ist aber, dass sich mein Kollege Manuel Hagel hier sehr auf der Landesebene einsetzt.
Einsetzen möchten Sie sich auch beim Thema schnelles Internet für den ländlichen Raum. Wie bewerten Sie die aktuelle Versorgung?
Der Bund nimmt vier Milliarden Euro für die Breitbandversorgung in die Hand. Unser Ziel muss es sein, perspektivisch Glasfaser in jedes Haus zu bekommen. Eigentlich sollte sich der Staat nicht in den Markt einmischen. Da der Markt im ländlichen Raum aber nicht funktioniert, sehe ich es schon als Aufgabe des Staates, Geld in die Hand zu nehmen. Der Alb-Donau-Kreis hat in diesem Zusammenhang mit dem Verbund Komm.Pakt.Net vieles richtig gemacht und ist auf einem guten Weg.
Sie sind viel bei Firmen unterwegs. Wo drückt den Unternehmern der Schuh?
Eindeutig beim Fachkräftemangel. Das betrifft nicht nur kleine Handwerksbetriebe, sondern auch mittelständische Unternehmen.
Warum ist das so?
Zum einen hat dies natürlich mit dem demografischen Wandel zu tun. Das ist aber nicht der alleinige Grund. Der Trend hin zur Akademisierung spielt hier eine große Rolle.
Was für Lösungen haben Sie da parat?
Wir müssen verstärkt den Fokus auf die Duale Ausbildung legen. Der Gedanke, dass jeder studieren muss, um zu sein, ist nicht richtig.
Richtig ist aber, dass Sie es geschafft haben, Bundeskanzlerin Angela Merkel am 22. September, also ganz kurz vor der Wahl, nach Ulm zu holen. Wie haben Sie das geschafft?
Prinzipiell ist es so, dass die Kanzlerin eine gewisse Anzahl an Terminen pro Bundesland zur Verfügung stellt. Wir haben dann innerhalb unserer Bezirksverbände gesprochen und uns am Ende auf meinen Wahlkreis geeinigt. Die Kanzlerin war natürlich schon öfters in Ulm, was auch mit der Freundschaft zur ehemaligen Abgeordneten Annette Schavan zu tun hatte.
Wie oft sind Sie im Gespräch mit der Kanzlerin?
Wir haben in Berlin mit 300 Abgeordneten eine sehr große Fraktion. Ab und zu habe ich aber in kleinerem Rahmen die Möglichkeit, mit ihr zu sprechen.
Erst vor wenigen Tagen war EUKommissar Günther Oettinger in Ehingen und hat über Europa gesprochen.
Ja, weil Europa auch im Wahlkampf ein sehr wichtiges Thema ist. Denn wenn wir in der Welt in der Zukunft eine Rolle spielen möchten, brauchen wir ein starkes Europa.
Wenn Sie sich ein Thema für die Bundestagswahl herauspicken müssten, welches wäre es dann?
Oh, es gibt viele wichtige Themen. Aber natürlich steht die Digitalisierung schon ganz weit oben. Es geht dabei nicht nur um schnelles Internet, sondern auch um Innovationen. Das Thema Digitalisierung dominiert alles. Es geht darum, dass es noch Funklöcher gibt, wenn ich von Ehingen nach Munderkingen fahre und es hört beim autonomen Fahren auf, das gar nicht so weit weg ist, wie wir denken. Daher muss der Staat Bildung und Forschung fördern. Denn die Innovationen kommen nicht vom Staat, sondern durch die Unternehmen und die Menschen mit Ideen. Wir als Politiker können und müssen dafür sorgen, dass die Auflagen und die Bürokratie geringer werden.
Sie vertreten die junge Generation der CDU. Warum sollen junge Menschen zur Wahl gehen?
Weil der Brexit uns ein mahnendes Beispiel ist. Viele junge Briten waren gegen den Brexit und für Europa, sind aber nicht zur Wahl gegangen. Deswegen sollte man in einem demokratischen Land zur Wahl gehen.
Und warum soll man CDU wählen?
Weil wir die größten Bildungschancen für die Menschen, gerade die junge Generation, anbieten. Zudem ist der CDU das Thema Innere Sicherheit sehr wichtig. Dass die Polizei personell aufgestockt werden muss, wollen mittlerweile alle. Es geht aber auch um die Ausstattung der Beamten, um automatische Gesichtserkennung und um Datenschutz. Hier haben wir bei der Strafverfolgung ein massives Problem. Daher braucht die Polizei politischen Rückhalt.
Wie soll die Wahl denn ausgehen – sprich welche Koalitionen wünschen Sie sich?
Ich wünsche mir, dass es zu einem Wahlergebnis kommt, bei dem gegen die Union nicht regiert werden kann. Und eine erneute Große Koalition halte ich dann nicht für wünschenswert.
Warum? Es läuft doch gefühlt alles prima.
In Krisenzeiten ist eine Große Koalition gut, weil man große Mehrheiten hat. Uns tut es aber als Union gut, wenn wir mehrere Optionen haben. Die größte Schnittmenge sehe ich bei der FDP. Fakt ist aber, dass bei der Wahl alles superknapp ausgehen wird. Ausschließen kann ich eine Koalition mit den Linken und der AfD. Und Martin Schulz von der SPD hat nur Chancen, Kanzler zu werden, wenn er mit den Linken zusammengeht.