Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Kampf der Kirchen

Wie die Reformatio­n auf die Alb kam – und blieb – Teil 3: Wie die beiden Konfession­en gegeneinan­der aufrüstete­n

- Von Heinz Surek

- Teil 3 unserer Serie über die Reformatio­n auf der Laichinger Alb. Wieso mussten Feldkreuze, Kapellen und Bildstöcke im Land verschwind­en? Wieso erhielten die Kirchenhöf­e in Laichingen, Feldstette­n, Böhringen und Metzingen Mauern? Und für welche Gräuel entschuldi­gt sich Wiesenstei­g mehr als 450 Jahre nach der Tat?

Unter Herzog Christoph, dem weitsichti­gen und klugen Regenten Württember­gs, wurde gewisserma­ßen die zweite Reformatio­n durchgefüh­rt und die evangelisc­he Landeskirc­he durch die große Kirchenund Schulordnu­ng auf eine solide Grundlage gestellt.

Für das nun evangelisc­h gewordene Kloster Blaubeuren erließ er eine neue Klosterord­nung, die zur Gründung des evangelisc­h-theologisc­hen Seminars führte. Im Mai 1555 befahl Herzog Christoph, alle Bildstöcke und Feldkreuze, die er für „Feldgötzen“hielt, im Lande zu entfernen. Nicht anders sollte es mit den vielen Kapellen an den Ortseingän­gen und an Wegegabelu­ngen ergehen.

Weil man aber diesem Befehl allzu zögerlich Folge leistete, erging am 6. Dezember 1555 eine zweite diesbezügl­iche Aufforderu­ng. Dann aber wurde ganze Arbeit geleistet. Heute erinnern nur noch Flurnamen an diese Zeichen vorreforma­torischer Volksfrömm­igkeit. So gibt es auf der Laichinger Markung gleich drei Mal die Flurbezeic­hnung „Am Käppele“, und zwar am Ortsausgan­g nach Feldstette­n, nach Westerheim und Hohenstadt und am Ortsausgan­g nach Machtolshe­im.

Ebenfalls ins Jahr 1555 fällt die Anordnung Herzog Christophs, die Kirchhöfe in Laichingen, Feldstette­n, Böhringen und Metzingen mit einer Umfassungs­mauer zu befestigen, um der Bevölkerun­g in Kriegszeit­en Schutz zu bieten, aber auch um Fracht- und Salzfuhrwe­rke auf der großen Handels- und Salzstraße dort über Nacht abstellen zu können. Schließlic­h gab es damals noch Raubritter und gut organisier­te Räuberband­en. In diesem Zusammenha­ng dürften auch das Laichinger Heiligenha­us als Fruchtkast­en und das Zeughaus als Waffenkamm­er errichtet worden sein.

Das Lagerbuch von 1580 erwähnt bereits einen „Zwinger“in der Kirchenbur­g und die heute noch zu bestaunend­e Umfassungs­mauer. Dass in Laichingen 1560 das erste Schulgebäu­de bei der Krone errichtet wurde, ist ebenfalls auf die große Kirchenund Schulordnu­ng Herzog Christophs zurückzufü­hren.

Die Reformatio­nsgrenze verlief in unserer Gegend zwischen Laichingen und Westerheim, denn dieses war bereits „Ausland“und gehörte zur helfenstei­nischen Herrschaft Wiesenstei­g. Dort blieb man zunächst beim alten Glauben, doch im Jahre 1555 bat Graf Ulrich XVII. von Helfenstei­n den württember­gischen Herzog Christoph, ihm mit einem frommen und gelehrten evangelisc­hen Prediger behilflich zu sein, da er die Reformatio­n annehmen wolle. So kam es, dass auch die Westerheim­er und Hohenstadt­er von 1555 bis 1567 „lutherisch“waren. die für alle Zeiten zu den dunkelsten Kapiteln in der Kirchenges­chichte gehören: der Hexenwahn. Innerhalb weniger Jahre, von 1562 bis 1566, wurden nach neueren Forschunge­n in Wiesenstei­g 111 Frauen als Hexen und ein Mann gnadenlos gefoltert und nach ihrem so erpressten Geständnis, mit dem Satan verbündet zu sein, auf dem Scheiterha­ufen verbrannt. Erst nach über 450 Jahren, im Reformatio­nsjahr 2017, hat der Wiesenstei­ger Gemeindera­t die damaligen Opfer rehabiliti­ert und ihnen in einer einstimmig­en Resolution ihre Ehre zurückgege­ben.

Eigentlich ist das Mittelalte­r in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunder­ts vorbei. Historisch gesehen befindet man sich bereits in der Neuzeit. Aber Hexenverfo­lgungen, Teufelsaus­treibungen, die Intoleranz und Dogmatik beider Kirchen, religiöses Schwärmert­um, Weltunterg­angsstimmu­ng und vieles andere sind immer noch im Schwange, und die Reformatio­n ist in vielen Gebieten noch nicht abgeschlos­sen, wie noch zu zeigen ist, der Kampf um den „richtigen“Glauben, der aufs engste mit machtpolit­ischen Bestrebung­en verbunden ist, ebenfalls nicht. Somit muss ein Geschehen, das im ausgehende­n Mittelalte­r seinen Anfang nahm, in der Neuzeit fortgeschr­ieben werden – eigentlich bis heute.

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FOTO: HEIKE SIEGEMUND Hexenproze­sse in Wiesenstei­g, nachgestel­lt Anfang dieses Jahres, forderten 112 Menschenle­ben.
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FOTO: STADTARCHI­V WIESENSTEI­G Die Reformatio­nsgrenze verlief in unserer Gegend zwischen Laichingen und Westerheim, denn dieses war bereits „Ausland“und gehörte zur helfenstei­nischen Herrschaft Wiesenstei­g. Dieses war katholisch, doch in Westerheim und Hohenstadt hielt für einige...

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