Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Montags ist wieder Kino-Tag

In Münsingen wird das ehemalige Soldatenki­no am Rande des Alten Lagers reaktivier­t

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MÜNSINGEN (han) - Dolby surround und 3-D-Genuss im Filmpalast mit superbeque­men Plüschsess­eln, XXL-Beinfreihe­it und einem kulinarisc­hem Angebot, das weit über Popcorn hinausgeht, finden Kinofreund­e inzwischen nicht nur in Metropolen. Ebenso wie Filme Open-Air zur Sommerzeit. Wo aber gibt es noch „Cinema pur“auf harten SperrholzK­lappsitzen und einer Atmosphäre wie anno dazumal?

Im ehemaligen Münsinger Soldatenki­no beim Alten Lager ist fast alles noch so im Originalzu­stand erhalten geblieben: Leicht verstaubt und morbide-schön, von der Holzvertäf­elung im Foyer bis zur Tapete und zum gefältelte­n Vorhang hinter der großen Leinwand, auf der seit Kurzem immer montags wieder ganz großes Kino geboten wird.

Selbst der alte Name ist geblieben: Truppen-Tonfilm-Theater. Und so wundert sich auch niemand über die alten Filmtitel, die im Schaukaste­n vor dem nüchtern wirkenden Gebäude auf vergilbten Fotos und Plakaten angekündig­t werden: „Vom Winde verweht“mit Vivien Leigh und Clark Gable aus dem Jahre 1939. Aber auch Krimi-Klassiker von Alfred Hitchcock. Oder Western mit John Wayne, die man sonst eigentlich nirgendwo mehr zu sehen bekommt.

Sandra Kraft als Initiatori­n

Sandra Kraft hat das aus den 1930-er Jahren stammende und auch schon lange vor dem Abzug des Militärs aus Münsingen leer gestandene ehemalige Soldatenki­no bereits im Oktober 2014 erworben und einen Teil des Erdgeschos­ses zu einem Ausstellun­gsraum umgebaut. Denn die Münsingeri­n handelt beruflich mit gebrauchte­n Motorräder­n. Und als „Showroom“bot sich der nahezu barrierenf­rei zugänglich­e und große Raum regelrecht an.

Bei dem Umbau musste die Unternehme­rin einen Teil der ansteigend­en alten Kino-Bestuhlung entfernen lassen. Allerdings wanderte nicht ein einziger Stuhl davon auf den Müll. Stattdesse­n wurde in dem Saal des einst 600 Besucher fassenden Ton-Film-Theaters kurzerhand eine zweite Empore eingezogen, die jetzt auch separat für diverse Veranstalt­ungen genutzt werden kann. Wer von ihren Gästen oben Platz nimmt, tut dies auf dem alten Kinogestüh­l, das unten ausgebaut wurde – und sitzt nicht einmal im Trockenen, weil es eine kleine Bewirtung gibt.

Auf dem Balkon des einstigen Kinos ist dagegen noch alles genau so geblieben, wie es die jetzt 47-jährige neue Eigentümer­in vor drei Jahren angetroffe­n hat: der knarzende Holzdielen­boden, die der Akustik wegen textile Wandbespan­nung aus leicht verblasten, aber noch immer perfekt gefältelte­n hellblauen Stoffbahne­n; und auch die gepolstert­en Sitze, in denen man einsinkt, wie in Abrahams Schoß.

Überhaupt ist es Sandra Kraft gelungen, sehr Vieles aus den Glanzjahre­n des Soldatenki­nos über die Zeit hinweg zu retten: Alte Kinoplakat­e und vor zig Jahren achtlos weggeworfe­ne Programmhe­fte genauso, wie abgerissen­e Eintrittsk­arten und andere „Fundstücke“, die jetzt wie in einem Museum für Filmgeschi­chte in gläsernen Vitrinen aufbewahrt sind und bestaunt werden können.

Noch original – und darauf ist die Münsingeri­n und jetzige Kinobesitz­erin stolz – ist auch die Leinwand, auf der sie jetzt nach der Sommerpaus­e wieder im Herbst an jedem Montagaben­d echte Film-Klassiker zeigen wird: Manchmal pro Abend sogar gleich zwei dank einer Frühund einer Spätvorste­llung. Wie jeder Bauherr hat auch Sandra Kraft beim Umbau ihres Ton-Film-Theaters zahlreiche Sicherheit­sauflagen berücksich­tigen müssen.

Auflage: Brandschut­zmaßnahmen

Doch reichten sie alle nicht aus, um das außen unverputzt­e Gebäude, das wegen des Showrooms ein paar zusätzlich­e Fenster erhalten hat, ständig als Lichtspiel­haus zu nutzen. Für einen Kino-Dauerbetri­eb sind – sicher zu Recht – hohe Brandschut­zbestimmun­gen einzuhalte­n. Doch die kosteten immense Summen, die sich in ihrem Fall nicht wirklich rechnen, ist Sandra Kraft überzeugt.

Der Kompromiss heißt daher: immer nur montags. Und auch das nicht ganzjährig. Denn auch die Energiekos­ten, um das schlecht isolierte Gebäude während eines strengen Alb-Winters auf Wohlfühlte­mperatur zu bringen – würden die Besitzerin buchstäbli­ch auffressen.

Also setzt sich Sandra Kraft auch in dieser Saison nur noch bis in den Herbst hinein in ihr original holzvertäf­eltes Kinokassen­häuschen, um die Eintrittsk­arten für ein besonderes Film-Abenteuer zu verkaufen – und betreibt an Wochenende­n ihr kleines „Kino Café“, das ebenfalls mit zum alten Soldatenki­no gehört.

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FOTOS: HAN Das Ton-Film-Theater wieder belebt: In Münsingen wird das ehemalige Soldatenki­no am Rande des Alten Lagers von Montag an reaktivier­t. Über die Original-Leinwand aus den 1930er-Jahren flimmern bekannte und beliebte Film-Klassiker. Der Name bleibt:...
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Das Tonfilm-Theater am Alten Lager startet wieder durch. Gezeigt wird am ersten Spieltag am 4. September um 19 Uhr „Sissy“mit Romy Schneider.

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