Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Klang der Stille
Mit „Augenhöhe“hat im Projektraum „Putte“die erste Ausstellung geöffnet
NEU-ULM - Der Titel ist natürlich ein Witz: Denn auf „Augenhöhe“ist in der „Putte“am Augsburger Tor gar nichts. Überhaupt gibt es kaum etwas zu sehen. Wer den vorderen Galerieraum betritt, sieht zunächst 30 Zylinder aus Schaumstoff, die von der Decke hängen. Aber aufgepasst: Anders als bei gewöhnlichen Ausstellungen ist bei der Präsentation des 1982 geborenen Heiko Wommelsdorf nicht in erster Linie der interessierte Betrachter gefragt – sondern der aufmerksame Zuhörer.
„Augenhöhe“ist die erste Ausstellung in dem von der Stadt Neu-Ulm geförderten Projektraum für aktuelle Kunst, der seinen Namen „Putte“von einer ungewöhnlichen Figur am Eingang hat. Und sie unterstreicht, dass Kuratorin Janina Schmid und das ehrenamtliche Team im Hintergrund es nicht zu genau nehmen mit der Aufgabe, aktuelle bildhauerische Positionen zu zeigen. Obwohl der aus Bremen stammende Wommelsdorf sogar seine Wurzeln in dieser Gattung hat: Er machte zunächst eine Holzbildhauerausbildung in Flensburg, bevor er in Kiel Medienkunst und danach in Braunschweig Klangskulptur und Klanginstallation studierte.
Tatsächlich haben die erwähnten Zylinder, die sonst vor allem in großen Industriehallen eingesetzt werden, eine Wirkung: Sie dämpfen den Hall in dem relativ hohen Raum der „Putte“. Und lassen so auch die Aufmerksamkeit für die anderen Geräusche steigen: den Verkehr vor der Tür ebenso wie das Rauschen der Belüftung und das leise Ticken des Klimamessgeräts. Die beiden letzteren hat Wommelsdorf in den Raum eingebracht, was aber keine Rolle spielt. Man könnte sagen: Er erhebt die Nebengeräusche des Ausstellungsbetriebs zur Kunst – und stellt damit auch eine Verbindung zu einem Klassiker der Moderne her. Im Prinzip übersetzt „Augenhöhe“die Idee von John Cages Komposition „4’33’’“in einen Ausstellungskontext. War es bei dem zentralen Werk der Minimal Music die viereinhalbminütige Stille, die die Sinne schärfte, ist es bei Wommelsdorf die Leere.
Ein bisschen weniger abstrakt ist die Arbeit „In-Ear“. Für sie hat der Künstler an die Kopfhörerbuchse eines MP3-Players ein Bündel aus Weichen und 64 In-Ear-Kopfhörern angeschlossen. Eine „Klanginstallation mit 128 Lautsprechern“, wie Wommelsdorf mit einem Grinsen sagt. Er zitiert damit den Künstler Thomas Rentmeister, der in der Vergangenheit mit aneinander gekoppelten Mehrfachsteckdosen arbeitete. Der in Braunschweig als Professor lehrende Rentmeister – alias DJ Rentmaster – hat auf Nachfrage selbst Musik für die Installation empfohlen. Wer seine Ohren spitzt, kann in der Putte leise einen Countrysong hören.