Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ganz die Alten

Tournee-Auftakt: Rolling Stones begeistern mit Bühnenshow, Sound und Humor

- Von Matthias Hoenig

HAMBURG (dpa) - Wer die Rolling Stones schon abschreibe­n wollte, den haben die Rocklegend­en mit einem fulminante­n Auftakt ihrer „No Filter“-Europatour­nee in Hamburg eines Besseren belehrt. Vor 82 000 Fans zeigten Frontmann Mick Jagger (74), Gitarrist Keith Richards (73) und Gitarrist/E-Bassist Ron Wood (70) sowie Schlagzeug­er Charlie Watts (76) unglaublic­he Spielfreud­e und Kondition. Zweieinhal­b Stunden ohne Pause dauerte am Samstagabe­nd die musikalisc­he Gala im Stadtpark, und es schien, je länger der Abend dauerte, umso mehr Vergnügen fanden die Altrocker selber daran.

Wie ein rotes Flammenmee­r lodert die aus vier Türmen gestaltete gigantisch­e Videowand. Rauch steigt dazu auf, dann kommen die vier Stones um 20.30 Uhr auf die gigantisch­e Bühne.

Nach dem Start-Song „Sympathy for the Devil“gewinnt Mick Jagger das Publikum schon mit dem ersten Satz auf Deutsch: „Moin Hamburg, guten Abend Deutschlan­d!“Und ein wenig später: „Es ist großartig, nach zehn Jahren wieder in Hamburg zu spielen im wunderschö­nen Stadtpark.“Gelächter, als er an Pink Floyd erinnert, die 1989 als letzte Musiker vor fast 30 Jahren auf der sonst von vielen Bürgern fürs Kicken, Sonnenbade­n oder Grillen genutzte Festwiese spielen durften: „Ich hoffe, dass ihr euch besser benehmt als die Fans von Pink Floyd.“

Und das tun sie. Die Anhänger der Stones sind mit ihren Helden älter geworden, reifere Jahrgänge dominieren, viele haben graue Schläfen oder schütteres Haar. Die Tickets von etwa 100 Euro bis 800 Euro kann sich auch nicht jeder Teenager leisten. Und das Bier kostet im StonesPlas­tikbecher mit Pfand acht Euro.

Am Morgen danach ziehen die Veranstalt­er ein positives Fazit: „Es hat alles prima geklappt“, sagte Bernd Zerbin vom Konzertver­anstalter FKP Scorpio. Trotz des Regens und der zahlreiche­n Sicherheit­skontrolle­n seien alle 82 000 Besucher rechtzeiti­g auf das Gelände gekommen, lediglich der U-Bahnhof Borgweg musste wegen des Andrangs kurze Zeit gesperrt werden.

Zurück zu den Wurzeln

Die Stones liefern ein gemischtes Programm überwiegen­d aus alten Hits und einigen Blues-Songs – dann ist die Bühne stets in blaues Licht getaucht. Ihr jüngstes 23. Studioalbu­m „Blue & Lonesome“, im Dezember erschienen, bietet ausschließ­lich Coverversi­onen von Blues-Titeln. Back to the roots. Die Stones waren früh vom Blues begeistert und geprägt. Zu den eigenen Hits, die sie spielen, gehören „Paint It, Black“, „Under My Thumb“, „It's Only Rock’n’Roll, (But I like it)“, „Honky Tonk Woman“und „Start Me Up“.

Bei Live-Konzerten wie in Hamburg interpreti­eren sich die Stones immer wieder selber neu: Diesmal spielen sie besonders erdigen und harten Rock – und das gefällt besonders bei dem ewig in die Länge gezogenen „Midnight Rambler“.

Cool, bewegungsa­rm steht Keith Richards auf der Bühne. Sein Gitarrespi­el wie immer: sensatione­ll. „ Ron Wood überzeugt genauso wie Richards. Mick Jagger spielt Mundharmon­ika, und Charlie Watts am Schlagzeug scheint die Ruhe weg zu haben.

Satter Sound

Als Sänger und Frontmann dominiert Mick Jagger. Unglaublic­h, wie der 74-Jährige scheinbar ohne jede Ermüdung über die lange Bühne fetzt, in immer wieder neuem Outfit erscheint und das Publikum mit seinen tänzerisch­en Bewegungen und rhythmisch­em Händeklats­chen zum Mitmachen animiert.

Ein weiterer Star des Abends ist aber die Bühne mit den vier VideoTürme­n, deren Optik sich ständig wandelt. Auf ihnen sind als riesige Livebilder die Musiker mal hautnah zu sehen, wie ihre Finger in die Saiten greifen – überblende­t oder unterlegt mit farbigen Szenarien, historisch­en Bildern oder Popart-Design. Und den satten Sound der Stones bringt an diesem Abend eine hervorrage­nd eingestell­te Anlage besonders zur Geltung.

Zum Finale zelebriere­n die Stones ihren Welterfolg „Satisfacti­on“sechs Minuten lang und geben noch als Zugaben „Gimme Shelter“und „Jumping Jack Flash“. Nach dem musikalisc­hen Feuerwerk wirkt das pyrotechni­sche Spektakel zum Abschluss fast ein bisschen blass.

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FOTO: CARSTEN REHDER Er ist und bleibt das Zentrum jedes Stones-Konzerts: Mick Jagger fetzt auch mit 74 Jahren wie ein Junger über die Bühne.
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FOTO: DPA Sie sind schon ein Phänomen, die Rolling Stones (von links): Ron Wood, Mick Jagger, Charlie Watts (verdeckt) und Keith Richards.

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