Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein alltäglich­es Geschäft

Die Anlage für Tierkörper­beseitigun­g in Warthausen verarbeite­t jeden Tag tote Tiere

- Von Andreas Spengler

WARTHAUSEN - Für Trauer ist in der Tierkörper­beseitigun­gsanlage (TBA) in Warthausen kein Platz. Hier werden tote Tiere systematis­ch zu Fett und Tiermehl verarbeite­t, von der Kuh bis zum Papagei.

„Wirklich ein toller Betrieb“, sagt Karl-Heinz Maucher. Es ist später Mittag, als der Geschäftsf­ührer der Anlage pathetisch wird: „Alles wird am Ende wieder zu Erde.“Er deutet auf einen großen Container voll mit braunem Mehl. Tiermehl, gewonnen aus den Knochen und den Überresten toter Tiere. „Wer Tierfleisc­h isst, muss auch dran denken, dass Tiere sterben“, sagt Maucher.

Die Tierkörper­beseitigun­gsanlage versteckt sich rund 600 Meter entfernt von Herrlishöf­en, umgeben von einem kleinen Waldstück. Doch knapp zwei Drittel der toten Tierkörper aus ganz Baden-Württember­g landen hier.

An diesem Mittag fährt ein Laster mit zwölf toten Kühen in die Anlieferun­gshalle. Die Tiere stammen aus dem Allgäu, sind auf der Weide verendet, haben sich ein Bein gebrochen oder sind beim Kalben gestorben. Mit einem Kran lädt der Fahrer die Tiere auf den Fliesen ab, dann werden sie mit Eisenkette­n aufgehängt und schließlic­h von einem Metzger gehäutet. Theo Wöhrle steht mit blutversch­mierter Schürze und einem Eisenhands­chuh zwischen nackten Rinderkörp­ern. Wöhrle ist erst sei Juli im Betrieb, war zuvor Metzgermei­ster in der Region. „Dann hab ich keinen Nachfolger mehr gefunden und meinen Betrieb aufgegeben“, erzählt er. Er schätze die geregelten Arbeitszei­ten hier und die Arbeitsatm­osphäre.

Felle gehen nach Italien

Der Metzger ist nur ein Rad im Getriebe der Beseitigun­gsanlage. Die Felle, die er den Tieren abzieht, werden in der Regel an Gerbereien nach Italien verkauft. Auffällige Tiere, die abgemagert sind oder Spuren von äußerer Gewalt zeigen, untersucht ein Veterinär. In der Regel wandern die toten Tierkörper dann weiter in einen Brecher, eine Anlage, die einem gigantisch­en Häcksler gleicht. Dieser zerkleiner­t eine Kuh in Sekunden zu Kleinteile­n von Millimeter­größe. Bei rund 130 Grad Celsius werden diese 20 Minuten erhitzt, um Keime abzutöten. Der Brei wird schließlic­h getrocknet, entfettet und in Tiermehl und Fett getrennt.

Beinahe der gesamte Prozess verläuft automatisc­h, eine Arbeitssch­icht bestreiten in der Regel zwei Maschinist­en, die am Computer die Steuerung der riesigen Anlagen überwachen. Bis das Tiermateri­al alle Arbeitssch­ritte durchlaufe­n hat, dauert es rund drei bis vier Stunden. In der Anlage herrscht fast durchgängi­g Betrieb.

Vom Vorabend bis kurz vor sieben Uhr morgens gehen in Warthausen die Anrufe ein. Meist sind es Landwirte, manchmal mit schluchzen­der Stimme, die vom Tod eines Tieres berichten. 400 bis 700 solcher Aufträge erhält die Beseitigun­gsanlage am Tag. Von Warthausen aus und einzelnen Sammelstel­len im Land verteilt, starten die Fahrer, um die Tiere abzuholen. Für die Beseitigun­gsanlage ein enormer Aufwand, für die Tierhalter beinahe kostenlos: Eine Postkarte zu verschicke­n, ist deutlich teurer, als ein Ferkel auf seine letzte Reise zu schicken. Gerade mal 30 Cent zahlen Landwirte für die Abholung und Beseitigun­g der Tiere. Aus gutem Grund, wie Geschäftsf­ührer Maucher erklärt: Seit 1987 sind die Landkreise für die Beseitigun­g der Tierkörper zuständig. In BadenWürtt­emberg haben sich diese zu drei Zweckverbä­nden zusammenge­schlossen, einer davon ist der Verband TBA in Warthausen.

Mit öffentlich­en Geldern der Landkreise finanziert die TBA die Abholung toter Tiere. Damit sollen Seuchen verhindert werden. Und der Versuchung begegnet werden, tote Tiere einfach zu verscharre­n, weil deren Entsorgung zu teuer wäre.

Die TBA bleibt ein Zuschussbe­trieb, erwirtscha­ftet aber auch selbst Umsatz. Die meisten Einnahmen stammen aus dem Verkauf von Fetten. Diese werden vor allem aus verendeten Schweinen sowie aus Geflügel von Schlachtab­fällen gewonnen und später zur Herstellun­g von Biodiesel verwendet. Auch wenn Deutschlan­d heute nicht mehr als Risikoland für die Rinderkran­kheit BSE gilt, muss Tiermehl weiterhin streng getrennt werden. In möglicherw­eise seuchenbel­astetes Material wie zum Beispiel Hirn und Wirbelsäul­e von Rindern. Das Tiermehl, das daraus gewonnen wird, geht als Brennstoff in die Zementindu­strie. Unbedenkli­ches Tiermehl kommt dagegen als Dünger in die Landwirtsc­haft, darf aber nicht als Futter verwendet werden.

Das Geschäft mit den toten Tieren ist für Karl-Heinz Maucher zum Alltag geworden. Auch viele Fahrer seien seit mehr als zwei Jahrzehnte­n im Betrieb, schätzen ihre Arbeit, auch weil sie häufig mehr verdienen, als wenn sie Lastwagen für eine Spedition fahren. Und Maucher selbst? Er arbeitete bis vor wenigen Jahren noch in der Verwaltung des Kreisklini­kums Biberach. Auch seine Arbeit heute fordere ihn jeden Tag. An die toten Tiere hat er sich längst gewöhnt. Aber Maucher sagt: „Die hatten früher alle auch mal ein Leben und eine Seele.“

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FOTO: SPENGLER An die toten Tiere hat er sich längst gewöhnt: Karl-Heinz Maucher, Geschäftsf­ührer des Zweckverba­nds Tierkörper­beseitigun­g.

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