Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Zeugin wirft Schlecker Fehlverhal­ten vor

Ex-Drogeriekö­nig soll Niedergang befeuert haben – Strafe könnte deutlich niedriger sein

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Drastische Worte vor dem Landgerich­t Stuttgart: Die ehemalige Chefin der Schlecker-XL-Läden warf ihrem früheren Konzernbos­s Anton Schlecker vor, den Niedergang von Europas ehemals größter Drogeriema­rktkette befeuert zu haben. Andere Meinungen habe der Ehinger nicht gelten lassen, nicht mal hören wollen. „Im Grunde hatte jeder Angst um seinen Posten – es ging schnell bei uns, wenn man ein falsches Wort gesagt hat“, sagte die Zeugin im Schlecker-Prozess. Als sie dann selbst den Mund aufmachte, sei sie kurz darauf ihren Job los gewesen. Trotz dieses Frontalang­riffs kann Anton Schlecker wohl auf ein milderes Urteil hoffen als von der Staatsanwa­ltschaft angestrebt.

Ihr sei klar gewesen, dass der Schlecker-Konzern in einer schwierige­n Lage war, so die Zeugin. Auch die Direktoren, die die Führungseb­ene unter Anton Schlecker bildeten, hätten das gewusst. Doch statt den Firmenboss zu beraten und auf falsche Entwicklun­gen hinzuweise­n, hätten sie geschwiege­n. „Die erzählten Schlecker, was er hören wollte“, sagte sie am Montag vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t.

Seit März muss sich Anton Schlecker hier wegen Insolvenzv­erschleppu­ng und Betrug verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, mindestens 25 Millionen Euro beiseitege­schafft zu haben, bevor er Anfang 2012 Insolvenz angemeldet hat. Seine Kinder Lars und Meike Schlecker sind wegen Beihilfe angeklagt.

Zuletzt war die Zeugin für die Tochterges­ellschaft Schlecker XL zuständig. Das Konzept für diese Drogeriege­schäfte startete 2008. Groß, geräumig, hell – Schlecker XL war als Gegenentwu­rf gedacht zu dem bisherigen Filialkonz­ept. „Man hat den Pfad schnell verlassen und Läden aufgemacht, die schon unter dem alten Schlecker-Konzept katastroph­al liefen“, sagte die Zeugin. Wirkliche Handlungsf­reiheit habe sie nicht gehabt. Im Gegenteil: Ihr seien unlösbare Aufgaben gestellt worden. Etwa die, den Umsatz einer Filiale in einem 500-Einwohner-Dorf nach der Umstellung auf das XL-Format zu vervierfac­hen. „Aus einem Ackergaul ein Rennpferd machen, das geht nicht.“

Zunächst habe sie die Direktoren auf die Fehlentwic­klung hingewiese­n – ohne dass diese aktiv geworden wären. Als sie Anton Schlecker dann selbst ihre Bedenken geschilder­t habe, sei sie im Oktober 2010 ihren Job als Schlecker-XL-Chefin los gewesen. Wegen dieser Beratungsr­esistenz habe Schlecker die Insolvenz des Konzerns beschleuni­gt.

Gespräch hinter Kulissen

Trotz dieser Vorwürfe war der Prozesstag für Anton Schlecker einer, der ihm Hoffnung machen dürfte. Der Vorsitzend­e Richter Roderich Martis las am Montag ein Protokoll von einem Gespräch vor, zu dem er sich mit den Anwälten der drei Angeklagte­n und den Vertretern der Staatsanwa­ltschaft am 9. August getroffen hatte. Wie daraus hervorging, scheinen etliche Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft auf wackeligen Beinen zu stehen.

Ein Beispiel hierfür ist die Frage, wann Anton Schlecker den Bankrott seines Konzerns hat kommen sehen. Während die Anklage von 2009 spricht, sagte der Richter: „Der Zeitpunkt, an dem wir uns das vorstellen könnten, wäre Anfang 2011“– also rund ein Jahr und nicht drei Jahre vor dem Insolvenza­ntrag.

Sollte der Richter den Zeitpunkt der drohenden Zahlungsun­fähigkeit auch im Urteil auf 2011 festlegen, würde das Strafmaß bei einem Schuldspru­ch deutlich schrumpfen. Weiterhin möglich ist zudem ein Freispruch.

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FOTO: DPA Eine geschlosse­ne Schlecker-Filiale: Trotz Vorwürfen der ehemaligen Chefin der XL-Läden kann Anton Schlecker hoffen.

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