Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der unbekannte Bekannte
Krimi-Autor Jean-Luc Bannalec beschert der Bretagne einen Touristen-Boom
CONCARNEAU - Finistère – Ende der Welt heißt das Département in der Bretagne. Das hört sich nicht gerade nach einem Sehnsuchtsort an. Dass eben jener äußerste Winkel im Westen Frankreichs für viele deutsche Leser genau dazu wurde, verdanken die Bretonen einem Autor, der unter dem Namen Jean-Luc Bannalec Krimis schreibt.
Sechs Krimis über den Polizeibeamten Georges Dupin, der in der Hafenstadt Concarneau auf Mördersuche geht, haben einen Boom bei deutschen Touristen ausgelöst. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch wahrt das Pseudonym Bannalecs. Doch das kümmert Jörg Bong, Geschäftsführer des S. Fischer Verlags, wenig. Im April diesen Jahres traf er sich mit einer Journalistin der bretonischen Zeitung „Le Télégramme“– und machte bei dem Gespräch in Dupins Stammkneipe „L’Amiral“aus seiner Autorenschaft kein Geheimnis. Die Franzosen dürfen also wissen, dass er sich, wie schon lange vermutet, hinter Bannalec verbirgt.
Doch warum wurden die Deutschen zu Bretagne-Fans? Jeder Band hat über Wochen die Bestsellerlisten dominiert, auch „Bretonisches Leuchten“, der jüngste. Darin macht Dupin Urlaub im nordbretonischen Trégastel und löst nebenbei einen Fall. Fünf Krimis wurden von der ARD verfilmt.
Den Kommissar zeichnen im Grunde dieselben Charaktereigenschaften aus wie seine erfolgreichen Kollegen Brunetti in Venedig (Donna Leon) und Bruno im Périgord(Martin Walker): Sie lieben ihren Beruf, sind unbestechlich. Und wie bei diesen haben sich Kommissar Dupins Ecken und Kanten mit jedem Band etwas mehr abgeschliffen.
Jean-Luc Bannalec beschwört den Mikrokosmos einer heilen Welt. „Jörg Bong träumt von einer Bretagne, die so nicht existiert oder jedenfalls nicht mehr. Aber macht nichts. Seine charmante Vision berührt jene, die hier leben.“Diesen Schluss zieht die „Le Télégramme“-Journalistin Isabelle Calvez nach ihrem Treffen mit dem Autor. Und diejenigen, die nicht dort leben, lässt Bong wenigstens mitträumen.
Mit den Augen des Fremden
Der Autor bedient sich auf seiner Entdeckungstour durch diese entlegene und dünn besiedelte Provinz eines raffinierten Kniffs: Dupin kommt aus Paris, so ziemlich der größte Makel, den ein Mensch in der Bretagne haben kann. Er wurde aus noch nicht geklärten Gründen strafversetzt. Und zusammen mit dem Leser wundert er sich über die Eigenheiten der keltischen Kultur. Darin spielen Feen und Trolle eine Rolle, bretonische Mythen, von denen Dupins Assistentin Nolwenn bei jeder Gelegenheit zu berichten weiß. Und quasi nebenbei erfährt der Leser, was die Sardinenfischerei mit dem Festival „Filet Bleu“zu tun hat und warum Fleur de Sel so wertvoll ist.
Als immens wichtig hat sich bei allen erfolgreichen Regionalkrimis der kulinarische Aspekt erwiesen. Auch Bannalec vernachlässigt ihn nicht. Zusammen mit seinen Freunden Catherine und Arnaud Lebossé, den Besitzern des L’Amiral in Concarneau, hat er ein bretonisches Kochbuch herausgebracht. Wobei: Das Phänomen, dass ein Landwein im Urlaubsort schmeckt wie ein erstklassiger Burgunder – und am heimischen Tisch dann eben doch wie Landwein, gilt auch für die berühmten Artischocken und die Cotriade, einen bretonischen Fischtopf. Das Buch verkauft sich hervorragend.
Die Bretagne mit ihren schroffen Klippen und den weißen Stränden hat schon immer Touristen angezogen. Aber die Zahlen, die das Tourismusbüro von Concarneau, Dupins Wohnsitz, herausgibt, sprechen eine deutliche Sprache: Wurden 2011 in dem Hafenort noch knapp 1900 deutsche Touristen verzeichnet, hat sich die Zahl der Besucher 2016 verdreifacht. Die Verantwortlichen dort führen das auf die Dupin-Bücher zurück. Auch das Fremdenverkehrsamt in Quimper hat einen bemerkenswerten Umschwung verzeichnet: Von den 130 000 Besuchern kamen 26 Prozent aus Deutschland, so viel wie nie zuvor und erstmals mehr als von der britischen Nachbarinsel übersetzten.
Erdrückende Beweise
Womit sich wieder die Frage nach dem Autor stellt, der sich nicht öffentlich mit seinem Erfolg schmücken möchte. Jörg Bong, Jahrgang 1966, hat an der Universität Frankfurt über den Begriff der Phantasie und ästhetische Fragen zwischen Spätaufklärung und Frühromantik im Werk von Ludwig Tieck promoviert. Vielleicht passt leichte Kost wie die Dupin-Krimis nicht in das Portfolio des Sprechers der Geschäftsführung des S. Fischer Verlags. Wahrscheinlich sind zeitraubende Lesereisen und Autogrammstunden auch nicht nach seinem Geschmack. Der französischen Journalistin verriet er, dass er zwei bis drei Monate im Jahr in seinem Haus in der Nähe von Concarneau verbringe und dort seine Romane schreibe. Dort sei er seinen Figuren nahe. In Deutschland hingegen sei Alltag. Das Pseudonym Bannalec habe er nach einem bretonischen Ortsnamen gewählt.
Doch trotz der, kriminalistisch gesprochen, erdrückenden Beweislast zur Urheberschaft: Lena Schweins, Pressesprecherin des Kiepenheuer & Wietsch-Verlags, bleibt hart. „Wir haben einen Autor mit dem Pseudonym Jean-Luc Bannalec. Mehr können wir dazu nicht sagen.“