Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Melodieverliebte Raubeine
Hot Water Music liefern eine ihrer besten Platten ab
RAVENSBURG - Welches Album ist das beste einer Band? Das erste, weil es eine Überraschung war? Das zweite, weil die Formation sich da gefunden hat? Für Musikliebhaber oft das, mit der sie die Band für sich entdeckt haben. All diese Kriterien kann „Light It up“wohl nicht mehr erfüllen – doch mit ihrem achten Studioalbum veröffentlichen Hot Water Music (HWM) nun eines der besten Werke ihrer über 20-jährigen Bandgeschichte. Die stilprägende PostHardcore-Institution punktet mit eingängigen Melodien und Songs, die simpel, aber effektiv sind.
Schnörkel waren nie die Sache von Chuck Ragan, Chris Wollard (beide Gitarre und Gesang), Schlagzeuger George Rebelo und Basser Jason Black. Hot Water Music, das waren die, deren Songs rustikal und handgeschnitzt wirkten. Melodien ja, aber bevor eine Hymne pathetisch werden konnte, übernahm wieder das harte Riffing das Ruder. „Light It up“ist nun das zweite Album seit Ende der Bandpause, die von 2005 bis 2008 dauerte. Aber wo „Exister“2012 noch etwas raubeiniger und komplexer war, schmeichelt sich „Light It Up“mit manchmal fast schon poppigen Melodien ins Ohr. Aber keine Sorge: Pop wie in Skatepunk. Fast jeder Song lässt sich nach dem ersten Refrain mitsingen, und meistens ist das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten. Der Einstieg mit „Complicated“gibt da klar die Marschroute vor, Chuck Ragans Schmirgelstimme begrüßt einen, als ob man in seine Stammkneipe kommt. Der darauffolgende Titelsong ist dann Punkrock pur, und Chris Wollard ist ebenfalls grandios bei Stimme. Die beiden vorab veröffentlichten Songs „Never Going Back“(Hymne!) und „Vultures“(Rohdiamant!) zeigten diesen Reiz der wechselnden Mikro-Besetzung ja schon gut an.
Schön ist allerdings immer, wenn Auskopplungen nicht die stärksten Momente auf dem Album sind. Und hier gibt es wahrlich genug fantastische Hooks, die sich ins Hirn klammern: Das gemächliche „Bury Your Idols“etwa, einer der wenigen Midtempo-Tracks auf „Light It up“, oder das übergroße „Show Your Face“, beides typische Ragan-Kracher. Wollard verlangt dem Hörer da immer ein paar Durchläufe mehr ab und setzt auf weniger offensichtliche Melodien, wie etwa in „Overload“zu hören. Wie die Gitarrenriffs der beiden von Blacks extrem beweglichem Bass und Rebelos wuchtigen Drums zusammengehalten werden, das macht verdammt viel Spaß. Nicht nur eine der besten HWM-Platten, auch eine der besten des Jahres 2017.