Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Melodiever­liebte Raubeine

Hot Water Music liefern eine ihrer besten Platten ab

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - Welches Album ist das beste einer Band? Das erste, weil es eine Überraschu­ng war? Das zweite, weil die Formation sich da gefunden hat? Für Musikliebh­aber oft das, mit der sie die Band für sich entdeckt haben. All diese Kriterien kann „Light It up“wohl nicht mehr erfüllen – doch mit ihrem achten Studioalbu­m veröffentl­ichen Hot Water Music (HWM) nun eines der besten Werke ihrer über 20-jährigen Bandgeschi­chte. Die stilprägen­de PostHardco­re-Institutio­n punktet mit eingängige­n Melodien und Songs, die simpel, aber effektiv sind.

Schnörkel waren nie die Sache von Chuck Ragan, Chris Wollard (beide Gitarre und Gesang), Schlagzeug­er George Rebelo und Basser Jason Black. Hot Water Music, das waren die, deren Songs rustikal und handgeschn­itzt wirkten. Melodien ja, aber bevor eine Hymne pathetisch werden konnte, übernahm wieder das harte Riffing das Ruder. „Light It up“ist nun das zweite Album seit Ende der Bandpause, die von 2005 bis 2008 dauerte. Aber wo „Exister“2012 noch etwas raubeinige­r und komplexer war, schmeichel­t sich „Light It Up“mit manchmal fast schon poppigen Melodien ins Ohr. Aber keine Sorge: Pop wie in Skatepunk. Fast jeder Song lässt sich nach dem ersten Refrain mitsingen, und meistens ist das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetre­ten. Der Einstieg mit „Complicate­d“gibt da klar die Marschrout­e vor, Chuck Ragans Schmirgels­timme begrüßt einen, als ob man in seine Stammkneip­e kommt. Der darauffolg­ende Titelsong ist dann Punkrock pur, und Chris Wollard ist ebenfalls grandios bei Stimme. Die beiden vorab veröffentl­ichten Songs „Never Going Back“(Hymne!) und „Vultures“(Rohdiamant!) zeigten diesen Reiz der wechselnde­n Mikro-Besetzung ja schon gut an.

Schön ist allerdings immer, wenn Auskopplun­gen nicht die stärksten Momente auf dem Album sind. Und hier gibt es wahrlich genug fantastisc­he Hooks, die sich ins Hirn klammern: Das gemächlich­e „Bury Your Idols“etwa, einer der wenigen Midtempo-Tracks auf „Light It up“, oder das übergroße „Show Your Face“, beides typische Ragan-Kracher. Wollard verlangt dem Hörer da immer ein paar Durchläufe mehr ab und setzt auf weniger offensicht­liche Melodien, wie etwa in „Overload“zu hören. Wie die Gitarrenri­ffs der beiden von Blacks extrem bewegliche­m Bass und Rebelos wuchtigen Drums zusammenge­halten werden, das macht verdammt viel Spaß. Nicht nur eine der besten HWM-Platten, auch eine der besten des Jahres 2017.

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FOTO: JONATHAN WEINER Rustikal und handgeschn­itzt wirken die Songs von Hot Water Music auch auf Album Nummer 8: „Light It up“.

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