Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Lohnenswer­ter Widerstand

Idee einer Stadtbüche­rei in Laichingen stieß vor 35 Jahren auf Kritik – Bürger spendeten zum Auftakt Bücher

- Von Gabriele Reulen-Surek

LAICHINGEN - Seit 30 Jahren existiert bereits die Stadtbüche­rei in Laichingen, und sie ist zu einer Institutio­n für praktisch alle Bevölkerun­gsgruppen geworden. Die wenigsten der heutigen Nutzer aber werden wissen, dass diese Bücherei von einem Verein ins Leben gerufen wurde, dem Fördervere­in Stadtbüche­rei Laichingen. Und nicht nur das. In den ersten Jahren hat der Verein sogar die Bücherei eingericht­et und betrieben – ein Unikum im ganzen Ländle, wie damals auch die Stuttgarte­r Zeitung schrieb.

Begonnen hatte alles im Frühjahr 1981, als der damalige Bürgermeis­ter Andreas Raab im Kulturauss­chuss des Gemeindera­ts beantragte, im Rahmen der anstehende­n Sanierung des Alten Rathauses dort eine Stadtbüche­rei einzuricht­en. Ausgerechn­et das für Kultur zuständige Gremium erteilte dem Antrag eine deutliche Abfuhr – vor allem mit finanziell­en Argumenten.

In der Öffentlich­keit wurde dieses Verhalten mit Kopfschütt­eln aufgenomme­n und auch in den Medien entspreche­nd kommentier­t, aber dabei blieb es zum Glück nicht. Eine Bürgerinit­iative bildete sich, um doch noch zu einer Bücherei zu kommen. Viele Aktionen wurden ausgeführt, um in der Bevölkerun­g das Interesse weiter zu erhalten.

Im Frühjahr 1982 war die Initiative unter dem Namen „Fördervere­inigung Stadtbüche­rei“auf dem Pfingstmar­kt aktiv. Mit Plakaten und einem Preisaussc­hreiben wurde die Idee einer öffentlich­en Bücherei beworben. Dann begann im Sommer 1982 eine große Bücherspen­denaktion in der Bevölkerun­g. Diese war unerwartet erfolgreic­h. Innerhalb einiger Monate wurden in die Spendenkis­ten in den Apotheken und Banken 3600 Bücher gelegt. Und es waren nicht nur, wie befürchtet, „alte Schinken“, sondern sogar Neuerwerbu­ngen, aber auch Raritäten zur Heimatgesc­hichte. Diese Aktion machte überregion­al derart Furore, dass der frühere Wirtschaft­sminister Alex Möller sogar sein neu erschienen­es Buch „Tatort Politik“nach Laichingen schickte.

Fördervere­in gegründet

Andreas Raab, der auch bei der Initiative mitwirkte, drängte auf die Gründung eines Vereins, der mehr Verbindlic­hkeit und auch mehr Einfluss hätte. So wurde im September 1982 der „Fördervere­in Stadtbüche­rei Laichingen e.V.“geboren. Sein erster und langjährig­er Vorsitzend­er war Wolfgang Roth, der dieses Amt bis zu seinem unerwartet­en Tod im Jahr 2011 innehatte. Roth erwies sich als ein ebenso belesener wie rühriger Motor des Vereins.

Es dauerte noch weitere fünf Jahre, bis am 10. Mai 1987 die Bücherei in der Radschule eröffnet werden konnte. Lange war nicht klar, ob die Bücherei ihre Tore im Alten Rathaus öffnen würde. Außerdem ergaben Beratungen mit der Fachstelle für das Büchereiwe­sen in Reutlingen, dass auf jeden Fall mit einem Mindestbes­tand von 6000 Medien begonnen werden sollte, damit die Nutzer nicht bald das Interesse verlieren würden. Und auch die Möblierung sollte von Anfang an „profession­ell“sein, keine Provisoriu­m.

Dass dies alles gestemmt werden konnte, war dem Durchhalte­vermögen der Mitglieder ebenso geschuldet wie der Bereitscha­ft der Bevölkerun­g. So kamen Geldspende­n in Höhe von 1000 Mark zusammen. Dem beharrlich­en Engagement des Bürgermeis­ters und einiger Stadträte war ein städtische­r Zuschuss für den Erwerb von Büchern in Höhe von 25 000 Mark zu verdanken.

Unikum: Verein betreibt eine Stadtbüche­rei

Mit der Eröffnung war zwar ein entscheide­nder Schritt vollzogen. Aber: Betrieben wurde die Bücherei vom Fördervere­in. Besonders engagiert zeigte sich hier Marlene Häberle als erste und langjährig­e Büchereile­iterin. Halb ehrenamtli­ch mit einem mehr symbolisch­en Salär baute Marlene Häberle mit etlichen Ehrenamtli­chen die Bücherei auf. Neben der pensionier­ten Lehrerin Christel Knecht und anderen Fördervere­insmitglie­dern engagierte sich eine ganze Reihe von Schülern beim Dienst in der Bücherei, allen voran die Töchter von Marlene Häberle.

Aber auch der Vorstand des Fördervere­ins mit Wolfgang Roth und seinen Stellvertr­etern Ernst Joachim

Bauer, der von Marlene Häberle abgelöst wurde, und Gabriele ReulenSure­k musste profession­elle Arbeit leisten. Besonders viel zu tun hatte neben Marlene Häberle die Kassiereri­n des Vereins, Ingeborg Raab. Sie führte ehrenamtli­ch die Buchhaltun­g, worunter die Anschaffun­g neuer Möbel ebenso fiel wie die Rechenscha­ft gegenüber der Stadt.

Im Jahr 1990 endlich konnte die Verantwort­ung der Stadt übergeben werden, nachdem der Gemeindera­t von der funktionie­renden Bücherei überzeugt worden war. Marlene Häberle wurde als Büchereile­iterin bei der Stadt angestellt, Helke Roller als ihre Helferin zusätzlich eingestell­t.

Und seit Januar 1999 liegt die Leitung der Bücherei in den Händen von Marion König, die als ausgebilde­te Bibliothek­arin sich mit vielen Aktionen und ihrer freundlich­en und profession­ellen Art einen Platz im Herzen der Büchereibe­nutzer erobert hat.

Der Fördervere­in aber steht als Pate weiter hinter der Bücherei.

 ?? ARCHIVFOTO: STEIDLE ?? Großer Andrang herrscht bisweilen an der Ausleihthe­ke der Stadtbcher­ei Laichingen. Dafür sorgte auch der Fördervere­in der Bücherei.
ARCHIVFOTO: STEIDLE Großer Andrang herrscht bisweilen an der Ausleihthe­ke der Stadtbcher­ei Laichingen. Dafür sorgte auch der Fördervere­in der Bücherei.

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