Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Von „das Leben geht weiter“bis „da wird mir schlecht“
Lokale und regionale Reaktionen auf das Walergebnis – FDP-Mann Kulitz könnte in den Bundestag einziehen
LAICHINGEN - Die beiden großen Wahlverlierer, die CDU und die SPD, sind mit jeweils einem Ortsverein auch in Laichingen vertreten. Mit gemischten Gefühlen bewerten deren Vorsitzende den Wahlausgang. Die Stärke der AfD gibt ihnen zwar zu denken, Grund zur Panik bestünde angesichts des Einzugs der Partei in den Bundestag jedoch nicht. Laichingens Bürgermeister
hat vor allem eines überrascht: das schlechte Abschneiden der CDU. „Damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt er der SZ am Sonntagabend, er rechnete mit 36 Prozent für die Christdemokraten. Kaufmann hilft mit beim Auszählen der Stimmen im Rathaus. Insgesamt waren in Laichingen (inklusive Teilorte) 76 Wahlhelfer im Einsatz. Ihr Lohn: eine 35 Euro-Pauschale. Aber auch der SPD hätte Kaufmann ein paar Prozentpunkte mehr zugetraut.
Dass es keine Fortsetzung der Großen Koalition geben soll, befürwortet das Laichinger Stadtoberhaupt. Dies brächte nicht nur frischen Wind in eine neue Regierungskoalition, sondern würde auch bedeuten, dass die SPD noch vor der AfD die Oppositionsführerin im Bundestag wäre. Und auf der anderen Seite müssten sich die CDU, die FDP und die Grünen in einer neuen Regierung arrangieren, in einer „Jamaica“-Koalition in den Farben schwarz, gelb und grün.
Enttäuscht über das Ergebnis seiner Partei auf Bundesebene zeigt sich einer der beiden Vorsitzenden der CDU-Ortspartei in Laichingen. Die SZ erwischt ihn als Wahlhelfer im Laichinger Rathaus. „Ich habe eher mit 37 oder 38 Prozent gerechnet“, sagt Reif, der trotz allem gefasst wirkt. Auf lokaler Ebene habe seine Partei einen guten Job gemacht, auch die Direktkandidatin Ronja Kemmer sei sehr präsent gewesen. Die Gründe für die massiven Verluste seiner Partei? Reif macht eine gewisse Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Arbeit der Großen Koalition aus. Er geht von „vielen Protest-Wählern“aus. Die meisten dürften ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, schätzt Reif. Diese dürfte vor allem mit dem Flüchtlingsthema gepunktet haben. Am Abend fand dann eine CDU-Feier in der Post in Feldstetten statt. Angestoßen wird dann sicher darauf, dass die CDU zumindest zwei Wahlziele erreicht hat: die mutmaßlich alte und neue Kanzlerin zu stellen sowie
Klaus Kaufmann Joachim Reif,
stärkste Partei zu werden.
„Das Leben geht weiter“– dies sagt Laichinger Vertreter des zweiten großen Verlierers des Abends, der SPD, und zugleich Ortsvereinsvorsitzender. Doch er stellt klar: „Das Ergebnis ist schlechter, als ich es befürchtet habe. Dass es so gekommen ist, ist schon ein Hammer.“Und die Gründe? Vielleicht habe die SPD Angela Merkel doch zu wenig konfrontativ angegangen. Außerdem, so Schreyer, sei es für die Parteien der sogenannten „Mitte“immer schwieriger, mit klassischem
Walter Schreyer,
Wahlkampf die eigenen Wähler zu mobilisieren. Es hätten sich viele verschiedene Milieus gebildet, und diese würden mehr und mehr die klassischen Schichten, auf die sich Wähler einmal aufgeteilt hätten, ersetzen. Keine Überraschung ist für ihn der Einzug der AfD in den Bundestag, er habe insgeheim sogar mit einem noch besseren Ergebnis der AfD gerechnet. Schreyer betont das für ihn Positive des Wahlausgangs: „87 Prozent der Wähler haben keine AfD gewählt.“Ob es für die SPD jetzt besser sei, in die Opposition zu gehen als abermals Regierungsverantwortung zu haben, könne er nicht sagen. Sollte es zur Jamaica-Koalition kommen, sei jedoch klar: Es würde frischer Wind einziehen in die Regierung. Das nächste Mal treffen sich die Laichinger Genossen am 4. Oktober bei ihrem Mittwochstreff.
„Jamaica“– sollte es dazu kommen, dann würde dies sicher „kein Spaß“, mutmaßt der hiesige Wahlkreis-Kandidat der FDP. In vielen Punkten läge seine Partei nämlich mit den Grünen über Kreuz, zum Beispiel in der Außenpolitik; „die CDU ist uns hier deutlich näher“, sagt Kulitz der SZ am Abend. Schon nach 18 Uhr ging für den Familienunternehmer das Zittern los.
Denn mit seinem elften Platz auf der FDP-Landesliste konnte er sich reelle Chancen ausrechnen, noch selbst in den Bundestag einzuziehen. Mit dem Ergebnis, ob ihm der Sprung in den Bundestag gelingt, rechnete Kulitz selbst am Sonntagabend nicht mehr, und auch nicht in der Nacht. Er erhofft sich Klarheit für Montag, Dienstag, spätestens Mittwoch. Sollte es nicht klappen, so sei er aber nicht enttäuscht, so Kulitz. Sein Engagement sei in erster Linie ein „Unterstützungswahlkampf “für die Bundespartei gewesen, sein Einzug
Alexander Kulitz,
ins Parlament nicht das primäre Ziel. Kommt es aber doch so, sei klar, dass er den Bundesvorsitz der Wirtschaftsjunioren abgeben werde, ein überparteilicher Verband junger Unternehmer. Das Gesamtergebnis seiner Partei mache ihn „unglaublich happy“und zeige ihm, dass es in Deutschland immer noch möglich sei, „aus der Mitte heraus einen glaubhaften und erfolgreichen Wahlkampf machen zu können“.
der Bundestagskandidat von Bündnis 90/Die Grünen, ist mit dem Wahlergebnis der Grünen generell zufrieden. Seine Partei habe weit besser als in den Umfragen vorhergesagt abgeschnitten, sie habe noch viel Boden gut machen und manchen Wähler überzeugen können. Selbstbewusst könne sie
Marcel Emmerich,
nun in die Koalitionsverhandlungen schreiten und brauche sich nicht unter Wert verkaufen. Zum Abschneiden der AfD sagt Marcel Emmerich: „Furchtbar, da wird mir schlecht.“Jetzt gelte es, mit vereinten Kräften für eine offene Gesellschaft zu kämpfen und die Demokratie zu verteidigen. Das Abschneiden der
CDU habe diese selbst zu bewerten, das Ergebnis müssen sie selbst analysieren. Mit seinem persönlichen Abschneiden und dem von Bündnis 90/Die Grünen im Alb-Donau-Kreis ist der 26-Jährige zufrieden, das Ergebnis sei besser als bei den Bundestagswahlen vor vier Jahren. „Ich konnte meinen Beitrag zum insgesamt guten Abschneiden der Grünen im Lande beitragen“, sagt der bekennende VfB-Fan erfreut. Der Einsatz im Wahlkampf habe sich gelohnt.
„Nach der Wahl ist vor der Wahl“– der hiesige Kandidat der AfD, spürt angesichts des AfD-Ergebnisses Rückenwind. Er blickt schon auf die nächsten Wahlen, bei denen er sich mit seiner Partei profilieren möchte: bei den Kommunalwahlen 2019 und bei den nächsten Landtagswahlen. „Sehr, sehr positiv“empfindet er das aktuelle Abschneiden von Sonntag,
Eugen Ciresa,
„auch wenn der eine oder andere sich vielleicht noch mehr erhofft hat“. Für ihn ist es ein „reelles Ergebnis“. Zwar wird er selbst nicht dem nächsten Bundestag angehören, die politische Arbeit gehe ihm, vor allem auf lokaler Ebene in Ulm sowie im Kreis aber nicht aus. Ziel sei es nun, die AfD auch in Gemeinderäte zu bringen (zu den letzten Kommunalwahlen war die AfD nicht angetreten). Dazu stünde jetzt die Gründung von Ortsparteivereinen an, einige Vorbereitungen dazu seien schon getroffen. Wichtig sei ihm, dass in Gemeinderäten aber keine Störer seiner Partei säßen, sondern dass hier „konstruktiv“Politik gemacht werde.
Gemischt bewertet die Kandidatin der Linken,
das Wahlergebnis der Bundestagswahl. Zum einen freue sie sich über das stabile Ergebnis ihrer Partei, zum anderen sei sie schockiert über das Abschneiden der AfD. Im Bundestag müsse die Linke eine strake Opposition sein, angesichts einer Regierung, in der mutmaßlich
„zwei Mal die
FDP vertreten sein wird – die eine gelb, die andere grün“. Sie selbst wolle weiter linke Politik in der Region voran bringen – „und das mit Power“.
Landtagsabgeordneter und CDU-Generalsekretär Manuel Hagel:
„Es ist ein Tag der gemischten Gefühle. Es stimmt mich zwar zuversichtlich, dass die CDU die stärkste Kraft in Bund und Land bleibt. Ohne die CDU kann keine Regierung gebildet werden und damit bleibt Angela Merkel auch Kanzlerin. Positiv ist auch, dass die CDU wohl alle Wahlkreise in Baden-Württemberg gewinnen wird. Aber das Ergebnis ist auch als Niederlage zu sehen. Zudem zeigt es uns, dass die Demoskopie immer unberechenbarere Zahlen liefert und dass Wahlen immer kurzfristiger entschieden werden“, so Hagel, der sich freut, dass seine Kollegin Ronja Kemmer das Direktmandat im Wahlkreis 291 geholt hat. „Das Ergebnis von Ronja Kemmer ist hervorragend und Ausdruck des Vertrauens der Menschen. Ronja Kemmer war bienenfleißig und ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit“, so Hagel.
Eva-Maria GlatheBraun,