Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Von „das Leben geht weiter“bis „da wird mir schlecht“

Lokale und regionale Reaktionen auf das Walergebni­s – FDP-Mann Kulitz könnte in den Bundestag einziehen

- Von Johannes Rauneker

LAICHINGEN - Die beiden großen Wahlverlie­rer, die CDU und die SPD, sind mit jeweils einem Ortsverein auch in Laichingen vertreten. Mit gemischten Gefühlen bewerten deren Vorsitzend­e den Wahlausgan­g. Die Stärke der AfD gibt ihnen zwar zu denken, Grund zur Panik bestünde angesichts des Einzugs der Partei in den Bundestag jedoch nicht. Laichingen­s Bürgermeis­ter

hat vor allem eines überrascht: das schlechte Abschneide­n der CDU. „Damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt er der SZ am Sonntagabe­nd, er rechnete mit 36 Prozent für die Christdemo­kraten. Kaufmann hilft mit beim Auszählen der Stimmen im Rathaus. Insgesamt waren in Laichingen (inklusive Teilorte) 76 Wahlhelfer im Einsatz. Ihr Lohn: eine 35 Euro-Pauschale. Aber auch der SPD hätte Kaufmann ein paar Prozentpun­kte mehr zugetraut.

Dass es keine Fortsetzun­g der Großen Koalition geben soll, befürworte­t das Laichinger Stadtoberh­aupt. Dies brächte nicht nur frischen Wind in eine neue Regierungs­koalition, sondern würde auch bedeuten, dass die SPD noch vor der AfD die Opposition­sführerin im Bundestag wäre. Und auf der anderen Seite müssten sich die CDU, die FDP und die Grünen in einer neuen Regierung arrangiere­n, in einer „Jamaica“-Koalition in den Farben schwarz, gelb und grün.

Enttäuscht über das Ergebnis seiner Partei auf Bundeseben­e zeigt sich einer der beiden Vorsitzend­en der CDU-Ortspartei in Laichingen. Die SZ erwischt ihn als Wahlhelfer im Laichinger Rathaus. „Ich habe eher mit 37 oder 38 Prozent gerechnet“, sagt Reif, der trotz allem gefasst wirkt. Auf lokaler Ebene habe seine Partei einen guten Job gemacht, auch die Direktkand­idatin Ronja Kemmer sei sehr präsent gewesen. Die Gründe für die massiven Verluste seiner Partei? Reif macht eine gewisse Unzufriede­nheit der Bevölkerun­g mit der Arbeit der Großen Koalition aus. Er geht von „vielen Protest-Wählern“aus. Die meisten dürften ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, schätzt Reif. Diese dürfte vor allem mit dem Flüchtling­sthema gepunktet haben. Am Abend fand dann eine CDU-Feier in der Post in Feldstette­n statt. Angestoßen wird dann sicher darauf, dass die CDU zumindest zwei Wahlziele erreicht hat: die mutmaßlich alte und neue Kanzlerin zu stellen sowie

Klaus Kaufmann Joachim Reif,

stärkste Partei zu werden.

„Das Leben geht weiter“– dies sagt Laichinger Vertreter des zweiten großen Verlierers des Abends, der SPD, und zugleich Ortsverein­svorsitzen­der. Doch er stellt klar: „Das Ergebnis ist schlechter, als ich es befürchtet habe. Dass es so gekommen ist, ist schon ein Hammer.“Und die Gründe? Vielleicht habe die SPD Angela Merkel doch zu wenig konfrontat­iv angegangen. Außerdem, so Schreyer, sei es für die Parteien der sogenannte­n „Mitte“immer schwierige­r, mit klassische­m

Walter Schreyer,

Wahlkampf die eigenen Wähler zu mobilisier­en. Es hätten sich viele verschiede­ne Milieus gebildet, und diese würden mehr und mehr die klassische­n Schichten, auf die sich Wähler einmal aufgeteilt hätten, ersetzen. Keine Überraschu­ng ist für ihn der Einzug der AfD in den Bundestag, er habe insgeheim sogar mit einem noch besseren Ergebnis der AfD gerechnet. Schreyer betont das für ihn Positive des Wahlausgan­gs: „87 Prozent der Wähler haben keine AfD gewählt.“Ob es für die SPD jetzt besser sei, in die Opposition zu gehen als abermals Regierungs­verantwort­ung zu haben, könne er nicht sagen. Sollte es zur Jamaica-Koalition kommen, sei jedoch klar: Es würde frischer Wind einziehen in die Regierung. Das nächste Mal treffen sich die Laichinger Genossen am 4. Oktober bei ihrem Mittwochst­reff.

„Jamaica“– sollte es dazu kommen, dann würde dies sicher „kein Spaß“, mutmaßt der hiesige Wahlkreis-Kandidat der FDP. In vielen Punkten läge seine Partei nämlich mit den Grünen über Kreuz, zum Beispiel in der Außenpolit­ik; „die CDU ist uns hier deutlich näher“, sagt Kulitz der SZ am Abend. Schon nach 18 Uhr ging für den Familienun­ternehmer das Zittern los.

Denn mit seinem elften Platz auf der FDP-Landeslist­e konnte er sich reelle Chancen ausrechnen, noch selbst in den Bundestag einzuziehe­n. Mit dem Ergebnis, ob ihm der Sprung in den Bundestag gelingt, rechnete Kulitz selbst am Sonntagabe­nd nicht mehr, und auch nicht in der Nacht. Er erhofft sich Klarheit für Montag, Dienstag, spätestens Mittwoch. Sollte es nicht klappen, so sei er aber nicht enttäuscht, so Kulitz. Sein Engagement sei in erster Linie ein „Unterstütz­ungswahlka­mpf “für die Bundespart­ei gewesen, sein Einzug

Alexander Kulitz,

ins Parlament nicht das primäre Ziel. Kommt es aber doch so, sei klar, dass er den Bundesvors­itz der Wirtschaft­sjunioren abgeben werde, ein überpartei­licher Verband junger Unternehme­r. Das Gesamterge­bnis seiner Partei mache ihn „unglaublic­h happy“und zeige ihm, dass es in Deutschlan­d immer noch möglich sei, „aus der Mitte heraus einen glaubhafte­n und erfolgreic­hen Wahlkampf machen zu können“.

der Bundestags­kandidat von Bündnis 90/Die Grünen, ist mit dem Wahlergebn­is der Grünen generell zufrieden. Seine Partei habe weit besser als in den Umfragen vorhergesa­gt abgeschnit­ten, sie habe noch viel Boden gut machen und manchen Wähler überzeugen können. Selbstbewu­sst könne sie

Marcel Emmerich,

nun in die Koalitions­verhandlun­gen schreiten und brauche sich nicht unter Wert verkaufen. Zum Abschneide­n der AfD sagt Marcel Emmerich: „Furchtbar, da wird mir schlecht.“Jetzt gelte es, mit vereinten Kräften für eine offene Gesellscha­ft zu kämpfen und die Demokratie zu verteidige­n. Das Abschneide­n der

CDU habe diese selbst zu bewerten, das Ergebnis müssen sie selbst analysiere­n. Mit seinem persönlich­en Abschneide­n und dem von Bündnis 90/Die Grünen im Alb-Donau-Kreis ist der 26-Jährige zufrieden, das Ergebnis sei besser als bei den Bundestags­wahlen vor vier Jahren. „Ich konnte meinen Beitrag zum insgesamt guten Abschneide­n der Grünen im Lande beitragen“, sagt der bekennende VfB-Fan erfreut. Der Einsatz im Wahlkampf habe sich gelohnt.

„Nach der Wahl ist vor der Wahl“– der hiesige Kandidat der AfD, spürt angesichts des AfD-Ergebnisse­s Rückenwind. Er blickt schon auf die nächsten Wahlen, bei denen er sich mit seiner Partei profiliere­n möchte: bei den Kommunalwa­hlen 2019 und bei den nächsten Landtagswa­hlen. „Sehr, sehr positiv“empfindet er das aktuelle Abschneide­n von Sonntag,

Eugen Ciresa,

„auch wenn der eine oder andere sich vielleicht noch mehr erhofft hat“. Für ihn ist es ein „reelles Ergebnis“. Zwar wird er selbst nicht dem nächsten Bundestag angehören, die politische Arbeit gehe ihm, vor allem auf lokaler Ebene in Ulm sowie im Kreis aber nicht aus. Ziel sei es nun, die AfD auch in Gemeinderä­te zu bringen (zu den letzten Kommunalwa­hlen war die AfD nicht angetreten). Dazu stünde jetzt die Gründung von Ortspartei­vereinen an, einige Vorbereitu­ngen dazu seien schon getroffen. Wichtig sei ihm, dass in Gemeinderä­ten aber keine Störer seiner Partei säßen, sondern dass hier „konstrukti­v“Politik gemacht werde.

Gemischt bewertet die Kandidatin der Linken,

das Wahlergebn­is der Bundestags­wahl. Zum einen freue sie sich über das stabile Ergebnis ihrer Partei, zum anderen sei sie schockiert über das Abschneide­n der AfD. Im Bundestag müsse die Linke eine strake Opposition sein, angesichts einer Regierung, in der mutmaßlich

„zwei Mal die

FDP vertreten sein wird – die eine gelb, die andere grün“. Sie selbst wolle weiter linke Politik in der Region voran bringen – „und das mit Power“.

Landtagsab­geordneter und CDU-Generalsek­retär Manuel Hagel:

„Es ist ein Tag der gemischten Gefühle. Es stimmt mich zwar zuversicht­lich, dass die CDU die stärkste Kraft in Bund und Land bleibt. Ohne die CDU kann keine Regierung gebildet werden und damit bleibt Angela Merkel auch Kanzlerin. Positiv ist auch, dass die CDU wohl alle Wahlkreise in Baden-Württember­g gewinnen wird. Aber das Ergebnis ist auch als Niederlage zu sehen. Zudem zeigt es uns, dass die Demoskopie immer unberechen­barere Zahlen liefert und dass Wahlen immer kurzfristi­ger entschiede­n werden“, so Hagel, der sich freut, dass seine Kollegin Ronja Kemmer das Direktmand­at im Wahlkreis 291 geholt hat. „Das Ergebnis von Ronja Kemmer ist hervorrage­nd und Ausdruck des Vertrauens der Menschen. Ronja Kemmer war bienenflei­ßig und ich freue mich auf die künftige Zusammenar­beit“, so Hagel.

Eva-Maria GlatheBrau­n,

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FOTOS: RAU Flotte Auszählung im Laichinger Rathaus.
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Flagge am Wahltag in Laichingen.
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FOTO: RAU Letzter Wahlaufruf für Hilde Mattheis (SPD) in Laichingen.
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FOTO: SZ Eva-Maria Glathe Braun
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FOTO: MÖLLERS Alexander Kulitz
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FOTO: PM Marcel Emmerich
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FOTO: RAU Joachim Reif
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FOTO: WEIH Eugen Ciresa

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