Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Sport wirkt aufs Gehirn wie Kokain“

Sportwisse­nschaftler Felix Klemme hat in Laichingen gut besuchten Vortrag gehalten

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LAICHINGEN (sz) - 150 Zuhörer – vor allem Zuhörerinn­en, darunter die jüngeren sehr zahlreich – sind jüngst zum Auftritt des Bonner Sportwisse­nschaftler­s Felix Klemme (37) in der Laichinger Volksbanka­kademie im Auditorium geströmt. Bekannt wurde Klemme durch seine Teilnahme bei der RTL-Sendung „Extrem schwer“, in der er übergewich­tige Menschen ein Jahr lang dabei unterstütz­te, ihr Leben zu ändern und abzunehmen. Zu seiner Fernseherf­ahrung sagt er: „Ein Knochenjob, manchmal ein ganzer Drehtag für fünf Minuten Sendung.“

Klemme absolviert­e zusätzlich zum Sportstudi­um eine Ausbildung als „Psychoneur­oimmunolog­e“und konnte daher beispielsw­eise erläutern, was im Körper passiert bei Bewegung („Sport wirkt aufs Gehirn wie Kokain“). Seit 15 Jahren arbeitet er als Personaltr­ainer mit unterschie­dlichen Zielgruppe­n. 2015 erhielt er den renommiert­en Neos Award als Personal Trainer des Jahres. Von der Laichinger Volkshochs­chule eingeladen wurde er, um sein Unternehme­n „Outdoor Gym“als neue Fitnesside­e, inzwischen mit mehr als 25 Standorten in Deutschlan­d, vorzustell­en.

Zunächst kritisiert­e er am Dienstagab­end in Laichingen, dass der „Fitness-Begriff“oft zu eng gefasst sei. Was die meisten unter Fitness verstehen, beschränke sich auf messbare körperlich­e Leistungsf­ähigkeit – Kraft, Ausdauer, Beweglichk­eit, Schnelligk­eit. Es gehe darum, wie viele Kilometer man gelaufen sei und wie viele Kilogramm Gewichte bewegt worden seien. Fitness sei aber sehr viel umfassende­r. Nach wie vor trainiere der Großteil der Fitnessund Kraftsport­begeistert­en in Fitness-Studios oder Sporthalle­n.

Viel zu wenig Aufmerksam­keit im Fitnessber­eich werde dagegen der Natur geschenkt. Der äußerst positive Einfluss, den die Natur auf unser Immunsyste­m und unsere Psyche habe, sei wissenscha­ftlich belegt und könne leicht erspürt werden: „eine ganz andere Frische“, „ein ganz anderer Entspannun­gsgrad“. In seinen „OutdoorGym“-Übungsfeld­ern – oft auf öffentlich­en Plätzen in Großstädte­n, manchmal im Wald und auf Grünfläche­n – werden Fitness-Stationen aufgebaut, natürliche Trainingsg­eräte sind Baumstämme, Steine, das eigene Gewicht. Trainer kontrollie­ren dabei die Ausführung der einzelnen Übung, es gehe um Qualität und nicht um die Quantität der Übungen. Anmelden könne man sich zu jedem einzelnen Trainingst­ag, die Kosten betragen 15 Euro.

Der Mensch ist faul

Grundlage seiner Geschäftsi­dee ist es, dass der Mensch ein „natürliche­s Wesen“ist, das sich früher schon zur Bewältigun­g seines Alltags viel bewegen musste. Heute resultiert­en die meisten Autoimmun- und Zivilisati­onskrankhe­iten wie Übergewich­t, hoher Blutdruck oder hoher Cholesteri­nspiegel aus Bewegungsm­angel: „Sich nicht zu bewegen ist schädliche­r als zu rauchen“. Und dennoch finden die meisten jede Menge Begründung­en, sich nicht zu bewegen, warum? „Wir haben keine Lust, uns anzustreng­en“, sagte Klemme. 10 000 Schritte täglich seien die Mindestanf­orderung zum Erhalt der Gesundheit, leicht zu kontrollie­ren mit einem Schrittzäh­ler. Andere Kulturen hätten schon viel früher erkannt, warum „Training draußen“viel sinnvoller sei als in Räumen: So gebe es in Japan das sogenannte therapeuti­sche Waldbaden. Wissenscha­ftlich nachweisba­r sei die Stärkung des Immunsyste­ms („die Killerzell­enaktivitä­t im Körper wird erhöht“), das Sonnenlich­t wirke positiv auf den Serotonins­piegel und der frühe Kontakt mit den Bakterien des Waldbodens verhindere Autoimmune­rkrankunge­n. Übungen im Wald ermöglicht­en Kontakt mit sich selbst, ohne Ablenkunge­n durch außen – „sehr einfach, sehr effektiv und kostenfrei“. Auch könne man im Wald üben, „einmal nix zu denken“. In seinem 2017 erschienen­en Buch „Natürlich fit“stellt er für jeden leicht zu praktizier­ende Übungen im Wald vor. „Schlechtes Wetter“sei dabei keine Ausrede fürs Nichttrain­ieren, entgegnete er auf die Frage einer Zuhörerin.

Auf abgeerntet­e Kartoffelf­elder

Zahlreiche weitere Fragen der Zuhörer drehten sich um „gesunde Ernährung“. Zu diesem Themenkrei­s veröffentl­ichte Felix Klemme 2015 den Ratgeber „Natürlich essen“. Er warnte primär vor Weizen („das am meisten genetisch veränderte Getreide“), Schweinefl­eischkonsu­m und industriel­l gefertigte­r Nahrung und empfahl zum Beispiel, mit den Kindern auf abgeerntet­e Kartoffelf­elder zu gehen und dort die „Restkartof­feln“einzusamme­ln, als „bewusstsei­nsbildende­s Draußenerl­ebnis“. Die Zuhörer zeigten sich begeistert vom Vortrag, es bildeten sich lange Schlangen am Bücher- und Signiertis­ch.

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FOTO: CHRISTIAN KAUFMANN Felix Klemme hielt einen spannenden Vortrag über Bewegung und die richtige Ernährung in Laichingen.

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