Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Super-Zug-Konzern
Im Kampf gegen chinesische Rivalen fusionieren Siemens und Alstom ihre Mobilitätssparten
BERLIN - Ein europäischer Riese soll den chinesischen Bahnherstellern trotzen. Die Chefs von Siemens und Alstom konnten die Gemeinsamkeiten von Deutschlands und Frankreichs führenden Bahnherstellern gar nicht oft genug betonen. Es sei ein Zusammenschluss unter Gleichen, betonten Joe Kaeser für Siemens und Henri Poupart-Lafarge für Alstom bei der Vorstellung ihrer Pläne, die einen europäischen Weltmarktführer ergeben sollen. Für Bombardier als dritten großen Hersteller in Deutschland brechen härtere Zeiten an.
Bis Ende nächsten Jahres soll ein europäischer Gigant für die Herstellung von Bahnen und Bahntechnik entstehen. „Das ist der Beweis, dass wir Großes in Europa bewegen können“, sagte Kaeser. Auf Ausgewogenheit sind beide Seiten bedacht. Der Sitz des Gemeinschaftsunternehmens wird Paris sein. Das Hauptquartier des Bereichs Mobilitätssysteme und Digitalisierung wird in Berlin angesiedelt.
Mehr als 50 Prozent hält Siemens
Siemens und Alstom setzen sich zusammen mit an die Spitze der weltweiten Bahnindustrie. Hergestellt werden nicht nur Schienenfahrzeuge oder die beiden Hochgeschwindigkeitszüge TGV und ICE. Auch in der Bahntechnik wie den Signalsteuerungen oder der Digitalisierung von Mobilitätsangeboten sind beide vorne dabei. Zum gemeinsamen Umsatz von rund 15 Milliarden Euro im Jahr tragen beide Firmen etwa die Hälfte bei. In den Büchern stehen noch Aufträge für rund 60 Milliarden Euro. Das Sagen hat trotz des Pariser Sitzes im Zweifel Siemens. Der deutsche Konzern soll im Verwaltungsrat mit sechs von elf Sitzen die Mehrheit haben und mit 50,5 Prozent Kapitalanteil auch neuer Mehrheitseigner werden.
Noch vor wenigen Jahren waren sich deutsche und französische Bahnhersteller alles andere als grün. Geändert hat das ein neuer Wettbewerber, der die internationalen Märkte durch schiere Größe schnell dominieren könnte. 2015 sind die beiden größten chinesischen Branchenfirmen unter dem Namen CRRC zusammengeführt worden. Mit 18 Milliarden Euro Umsatz liegt CRRC an der Spitze der Anbieter von Bahnen und Technik. Die Chinesen drängen auch auf den europäischen Stammmarkt von Siemens und Alstom. Deren Zusammenschluss ist eine Reaktion auf die veränderte Marktlage. Auch Konkurrenten aus Korea und Japan sehen sich international nach Aufträgen um.
Die Arbeitnehmer begrüßen die Fusion. „Der globale Wettbewerb verschärft sich, die europäische und deutsche Bahnindustrie ist im Umbruch“, stellt IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner fest. Der Zusammenschluss könne ein Schritt in die richtige Richtung werden. Dazu gehören für die Metaller auch Beschäftigungsgarantien. Die Standorte und Arbeitsplätze konnten für die nächsten vier Jahre in beiden Ländern abgesichert werden, ebenso die Mitbestimmung. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. Kaeser erwartet binnen vier Jahren erhebliche Effizienzgewinne durch die Fusion. Rund 470 Millionen Euro im Jahr will er dadurch sparen. Ob das ohne einen Personalabbau unter den gut 60 000 Beschäftigten erreicht werden kann, erscheint zweifelhaft.