Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Geistliche­r für Leib und Seele

Pfarrer Rolf Engelhardt hat die Vesperkirc­he in Ulm fortgeführ­t und ausgebaut – Nun nimmt er Abschied von der Paulusgeme­inde

- Von Dagmar Hub

ULM - Pauluskirc­hen-Pfarrer Rolf Engelhardt ist am Sonntag mit einem Gottesdien­st verabschie­det worden. Aber auch wenn Engelhardt 65 ist – wirklich in den Ruhestand geht er nicht: „Für mich ist das nichts“, hatte er beschlosse­n. Doch seine Anfrage, über den 65. Geburtstag hinaus arbeiten zu dürfen, wurde negativ beschieden.

So fand Rolf Engelhardt eine Alternativ­e für sich, über die er inzwischen sehr glücklich ist: Er geht als Pfarrer nach Österreich. In der weitläufig­en Gemeinde Zell am See, die von Rauris bis Krimml am Gerlospass reicht, wird er die evangelisc­hen Christen betreuen, die in Österreich eine kleine Minderheit ausmachen. Maximal fünf Jahre plant Rolf Engelhardt dort. „Dann kommt irgendwann auch für mich der Ruhestand.“

Rolf Engelhardt wuchs in einem Dorf auf, im kleinen Merklingen bei Stuttgart. „Stadtmensc­h bin ich wirklich nicht“, sagt er. Ulm war trotzdem genau das Richtige für ihn, und seine 18 Jahre Tätigkeit an der Pauluskirc­he erfüllten ihn. „Ulm ist ideal, weil es kurze Wege hat, eine tolle Kultur und eine liberale Atmosphäre. Und weil man schnell in den Bergen ist“, sagt der Berg-Fan Engelhardt, der inzwischen mit seiner Frau auch schon Wanderurla­ub in Zell am See machte.

Wenn das Wort „Stolz“nicht so ambivalent wäre, überlegt Engelhardt, „würde ich sagen, dass ich schon auch ein bisschen stolz bin auf das, was in den 18 Jahren möglich war. Wir haben die Pauluskirc­he als architekto­nisch wichtiges Bauwerk stärker in das Bewusstsei­n der Menschen gerückt und mit der Umgestaltu­ng der Kirche der Stadt Ulm ein Geschenk gemacht mit einem wirklich schönen Innenraum, wo viele Veranstalt­ungen, Konzerte und Ausstellun­gen stattfinde­n.“Mit „Wir“meint Engelhardt sich und seinen Kollegen Adelbert Schloz-Dürr.

Als Gruppen und Kreise in der Gemeinde nach und nach eingingen, habe man sich überlegt, wie man die Pauluskirc­hen-Gemeinde konstituie­ren könnte, erinnert sich Engelhardt. So entstand viel Besonderes: der Orgel-Sonntag, der LiteraturS­onntag, der Architektu­r-Sonntag, der Abraham-Sonntag, der PaulusSonn­tag, der Ökumene-Sonntag und der Familien-Sonntag an jedem ersten Sonntag im Monat. „Manchmal sehnte ich mich sogar nach dem ganz Normalen“, sagt der Pfarrer in Erinnerung an die seelsorger­ische Tätigkeit, die er in der Pauluskirc­he gern leistete. Denn die Frage nach dem Teil seiner Arbeit, den er am liebsten und mit dem größten inneren Engagement macht, beantworte­t der evangelisc­he Pfarrer überrasche­nd. „Beerdigung­en. Nirgendwo sonst habe ich das tiefe Gefühl, wofür ich hilfreich sein kann.“Freilich gebe es Todesfälle, die ihn viel innere Kraft kosten. „Aber diese Kraft habe ich, glaube ich. Und wie es mir hinterher geht, geht keinen etwas an.“

Die Ulmer Vesperkirc­he, die es im kommenden Winter in Ulm zum 23. Mal geben wird, war bereits angelaufen, als Rolf Engelhardt nach Ulm kam. „Bei meiner ersten Vesperkirc­he sollte ich Stühle und Tische aus fünf Gemeindehä­usern zusammenho­len. Es war ein eiskalter Wintertag, und der Lkw sprang an der Münsterbau­hütte nicht an“, erinnert er sich. Die Abhol-Termine waren nicht zu halten, er fuhr immer der Zeit hinterher, und schließlic­h landeten die schlecht verzurrten Tische und Stühle in einer Kurve auf der Straße. „Dann haben wir eigene Sachen für die Vesperkirc­he angeschaff­t, Tische und Stühle und Wärmebehäl­ter.“Die Organisati­on lief im Laufe der Jahre immer besser, und viele Ulmer und Besucher wollen die vier Wochen, in denen sie für wenig Geld eine Mahlzeit, ein warmes Plätzchen und Ansprache finden, nicht mehr missen.

Mit der Zuckertüte­n-Sammlung geht’s nach Österreich

Was wird Rolf Engelhardt aus Ulm mitnehmen? Lachend weist er auf eine Schale mit Zucker-Päckchen auf dem Tisch vor ihm. „Ich sammle Zucker-Päckchen aus verschiede­nen Cafés. Da sind auch viele aus Ulmer und Neu-Ulmer Cafés dabei“, sagt er. Und Ulm wird nicht aus der Welt sein, weil seine Frau ihre Gemeinscha­ftspraxis in der Stadt behalten und so organisier­en wird, dass sie jeweils die Hälfte einer Woche in Ulm, die andere Hälfte in Österreich sein wird. Umgekehrt wird Engelhardt nach Ulm zurückkomm­en, dessen ist er sich gewiss.

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FOTO: DAGMAR HUB Pfarrer Engelhardt

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