Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Hommage an die Kölner Kleopatra

Ein Abend in Neu-Ulm zeigt, dass Trude Herr mehr als die Ulknudel aus Heinz-Erhard-Filmen war

- Von Florian Arnold

NEU-ULM - Sie war ungestüm, kreativ, feinfühlig, ließ keine Chance ungenutzt. Sie galt als Arbeitstie­r und Ulknudel, ein Bühnentale­nt, wie sie nicht häufig vorkommen. Trude Herr (1927-1991) war Kabarettis­tin, Chansonnie­re, Schlagersä­ngerin, Theaterdir­ektorin, Autorin und vieles mehr.

Vom Kölner Millowitsc­h-Theater aus begann ihre steile Karriere, auf Theaterbüh­nen und in den Komödien der Nachkriegs­zeit, wo man sie oft an der Seite anderer Komödienst­ars sah, wie Heinz Erhardt und Peter Alexander. Da war sie immer die pummelige kurzbeinig­e Ulkige, die mit dicker Hornbrille oder turmartige­r Frisur Kölsches Lokalkolor­it in den Film mischte. Aber sie war eben viel mehr als nur das lustige Pendant der Heiterkeit­sindustrie.

Das Theatertal­ent schrieb selbst Stücke und Lieder, inszeniert­e nicht nur Klamauk sondern auch Ernstes und verschrieb sich nach dem Scheitern des eigenen Kölner Theaters wehmütigen Liedern, von denen „Niemals geht man so ganz“wohl am besten in Erinnerung ist. Wie bringt man das Leben eines solchen Multitalen­ts auf die Bühne, wie kann man die Fülle von Erinnerung­en an diesen Star auf zwei Theaterstu­nden eindampfen? Gar nicht. Deshalb versuchen es Christiane Reichert und Wolfgang Eichler auch nicht. Statt dessen greifen sie einige der bekanntest­en Momente der Trude Herr heraus, etwa ihr Auftritt als Fahrlehrer­in von Heinz Erhardt in „Natürlich die Autofahrer“, und spiegeln diese stichpunkt­artig mit privaten Ereignisse­n. Der Abend beginnt als typische Casting-Situation. Als graue Maus betritt Christiane Reichert die Bühne, scheu und fast stimmlos singt sie das Lied „Ich will keine Schokolade“.

Der Schauspiel­direktor laut: „Aus. Aus. So nicht. Das muss mehr Feuer haben, mehr … Trude!“Also nochmal von vorn. Die graue Maus tritt hinter die Bühne – und kehrt, mit Turmfrisur und schrillem Kostüm, zurück auf die Bühne. Da steht sie, Trude, und aus Reichters Kehle kommt tatsächlic­h dieses herrlich rauhe und kratzige Trude Herr-Timbre, diese Mischung aus Sentiment und Lautstärke.

Den Zuschauern beschert der Abend im Theater Neu-Ulm ein gelungenes Wiederhöre­n mit witzigen, teils von Herr selbst geschriebe­nen Liedern, wie: „So schön wie Du“und „Ganovenbal­l“. Claudia Reichert geht in der Rolle auf, hat sichtlich Spaß an der Figur und der Musik. Wolfgang Eichler begleitet am Klavier und gibt, gebührend zurückhalt­end, die männlichen (Neben-)Rollen.

Über sich sagte Herr einmal: „Man muss wissen, wann man abtreten muss. Fünf Jahre länger und jeder sagt: Was will die Alte noch?“Dass eine wie sie im heutigen Showbiz fehlt, machte Claudia Reichert hör- und sichtbar. Und ließ, neben ihrer beseelten Darstellun­g der „kölschen Kleopatra“, keinen Zweifel aufkommen, dass man auch künftig an „Trude“denken wird: „So eine brauchen wir. Oder können Sie sich vorstellen, dass wir in 30 Jahren noch Mario Barth-Texte zitieren? Na, sehen se!“Viel Applaus für eine Show, die unterhalts­am an eine große, großartige deutsche Showgröße erinnert.

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FOTO: ARNOLD Eine Neubegegnu­ng mit der unvergesse­nen Trude Herr mit Christiane Reichert und Wolfgang Eichler im Theater Neu-Ulm.

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