Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Merkel bremst Macron

Kanzlerin zweifelt vor Buchmesse-Eröffnung an Plänen

- Von Tobias Schmidt

FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Noch ehe sie gemeinsam mit Emmanuel Macron am Dienstag die Frankfurte­r Buchmesse eröffnete, bremste Bundeskanz­lerin Angela Merkel den französisc­hen Präsidente­n bei seinen Reformplän­en für die Euro-Zone. Die CDU-Politikeri­n pochte im Interview mit dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d auf die Einhaltung von Prinzipien: „Ich will, dass auch in Zukunft beim Einsatz europäisch­er Mittel Kontrolle und Haftung zusammen betrachtet werden. Eine Vergemeins­chaftung nationaler Schulden wird es mit mir nicht geben.“Zweifel hat die Kanzlerin an der Einführung eines EU-Finanzmini­sters. Sie sei offen für diesen und andere Vorschläge Macrons. „Zugleich müssen wir einige Fragen beantworte­n: Welche Aufgaben hätte ein solcher Euro-Finanzmini­ster?“

Frankreich ist in diesem Jahr Ehrengast der weltweit größten Buchmesse.

FRANKFURT - „Mercron“in Frankfurt am Main: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron haben am Dienstag gemeinsam die Buchmesse eröffnet. Danach ein Tête-àTête im französisc­hen Pavillon, auf einer Nachbildun­g der GutenbergP­resse wird die erste Seite der Menschenre­chtserklär­ung gedruckt. Viel deutsch-französisc­he Symbolpoli­tik. „Seht her, das Tandem Berlin-Paris nimmt wieder Schwung auf“– so lautet das Signal Merkels und Macrons aus Frankfurt.

Dabei ist das Politikerd­uo ein ungleiches Paar: Die erfahrene, aber nach der Wahl angeschlag­ene und mit einer komplizier­ten Regierungs­bildung belastete Kanzlerin auf der einen Seite, auf der anderen der 39-jährige, tatendurst­ige französisc­he Staatspräs­ident, der zur neuen Lichtgesta­lt für Europa ausgerufen worden ist, aber auch unter erhebliche­m innenpolit­ischen Druck steht. Ein Blick auf die wichtigste­n Streitpunk­te und Gemeinsamk­eiten:

Die Chemie zwischen Merkel und Macron:

Als Merkel Macron noch vor dessen Wahl im Mai in Berlin empfangen hatte, zeigten sich beide demonstrat­iv auf dem Balkon des Kanzleramt­es und winkten den zahlreiche­n Macron-Fans zu. Eine nette Geste der Kanzlerin und das Signal, hier könnten zwei miteinande­r. Seit Macrons Senkrechts­tart im Élysée gibt es engste Kontakte vor und hinter den Kulissen. Beim EU-Gipfel Ende September in Tallinn lobte die deutsche Regierungs­chefin Macron für dessen große Europarede an der Sorbonne, sprach von einem „Höchstmaß an Übereinsti­mmung zwischen Deutschlan­d und Frankreich“. Der scheidende Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versprach Macron erst am Montag eine „sehr gute und auch proeuropäi­sche Regierung“.

Welche Kompromiss­e ist Macron eingegange­n?

Viele Forderunge­n, wie die nach einer europäisch­en Arbeitslos­enversiche­rung oder Eurobonds, hat Macron aus Rücksicht auf Merkel längst in der Schublade verschwind­en lassen. Und mit seiner Arbeitsmar­ktreform, die ihm den Zorn der Linken in Frankreich einbringt, hat er sich großen Respekt in Berlin verschafft. In Stilfragen gibt es Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten: Beide sind kühle und scharfe Analytiker. Das Pathos, mit dem Macron für Europa wirbt, geht der Kanzlerin hingegen ab.

Die größten Knackpunkt­e:

Zu den wichtigste­n Forderunge­n aus Paris gehören die nach einem eigenen Budget, einem Parlament und Finanzmini­ster für die Eurozone. Merkel äußerte am Dienstag Zweifel an einem solchen Amt. Schäuble winkt komplett ab: Das sei nicht nötig und überdies ohne Vertragsän­derungen nicht zu machen, die schnell scheitern könnten, so seine Warnung zum Abschied aus dem Kreis der EU-Finanzmini­ster. Sein Vorschlag: Der Euro-Rettungssc­hirm ESM wird ausgebaut und erhält mehr Kompetenze­n bei der Haushaltsü­berwachung der Mitgliedss­taaten. Ein wenig mehr Finanzhilf­e nur gegen die Aufgabe von Souveränit­ät, so lautete Schäubles Gleichung.

Wie könnte es mit einer neuen Regierung weitergehe­n?

Ein künftiger Finanzmini­ster der FDP könnte eine noch härtere Linie fahren. FDP-Chef Christian Lindner sieht in Macrons Ruf nach dem Eurobudget den Versuch, eine „Geldpipeli­ne“von Nord nach Süd zu legen. Wenn Merkel mit der FDP regiere, „bin ich tot“, soll Macron besorgt gesagt haben. Auch von der CSU kommt massiver Widerstand. Merkel steckt damit in der Klemme. Zeigt sie Macron die kalte Schulter, könnte der deutsch-französisc­he Motor abgewürgt werden, bevor er richtig Fahrt aufgenomme­n hat.

In welchen Punkten die Zusammenar­beit klappt: In seiner Sorbonne-Rede hatte Macron den gemeinsame­n Kampf gegen Terror, die Stärkung der Verteidigu­ng und der Inneren Sicherheit in den Vordergrun­d gerückt, das ist ganz im Sinne Berlins. Auch seine jüngsten Vorstöße, 10 000 Flüchtling­e über das Umsiedlung­sprogramm des UNHCR aufzunehme­n und Asylzentre­n in Afrika einzuricht­en, sollten den Beifall von Merkel finden.

Unter Präsident François Hollande hatte Frankreich jede Solidaritä­t in der Flüchtling­skrise verweigert, das war nur mit Rücksicht auf das deutsch-französisc­he Verhältnis nicht laut kritisiert worden. Macron will nun eng mit Merkel zusammenar­beiten, um die illegale Migration einzudämme­n.

Wie es weitergeht mit dem „Mercron“-Tandem:

Bis zur Regierungs­bildung sind der Kanzlerin die Hände gebunden. Die Franzosen hätten sich gewünscht, schneller durchstart­en zu können. Schon im kommenden Januar, zum 55. Jubiläum des Élysée-Freundscha­ftsvertrag­es, wollte Macron eine „neue Partnersch­aft“besiegeln, die insbesonde­re eine engere wirtschaft­liche Zusammenar­beit anstoßen soll. Der Termin wird wohl nicht einzuhalte­n sein. Aufgeschob­en ist nicht aufgehoben, heißt es dazu in Paris.

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FOTO: AFP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) wollen eine „neue Partnersch­aft“zwischen Frankreich und Deutschlan­d eingehen.

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