Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Feuerwehre­n blicken in ungewisse Zukunft

Fehlender Nachwuchs, stark gestiegene Anforderun­gen: Tiefe Sorgenfalt­en bei den freiwillig­en Wehren

- Von Willi Baur

LANDKREIS NEU-ULM - Ob bei Dienstvers­ammlungen oder beim Feierabend-Bier nach dem Übungsaben­d: Nachwuchsp­robleme sind schon seit längerem ein zentrales Gesprächst­hema bei den Freiwillig­en Feuerwehre­n im Landkreis. Mit den derzeit landauf-landab diskutiert­en Bedarfsplä­nen haben sie die eigenen Beobachtun­gen auch schwarz auf weiß. Über die Ursachen sind sich die Verantwort­lichen allerdings nur bedingt einig.

Existenzbe­drohend ist der Trend bei den Wehren im Gebiet zwischen Iller, Roth und Günz zwar noch nicht, aber die Sorgenfalt­en bei den Kommandant­en werden tiefer – auch bei großen und überörtlic­h wichtigen Löschzügen wie Senden oder Weißenhorn mit jeweils 70 bis 90 Mitglieder­n. „Im Moment geht’s noch, aber wir müssen etwas tun“, sagt der Sendener Feuerwehr-Chef Peter Walter. Sein Weißenhorn­er Kollege Willi Schneider formuliert es ähnlich: „Derzeit funktionie­rt die Tagesberei­tschaft noch, doch es wird von Jahr zu Jahr schwierige­r.“

Damit spricht Schneider ein Thema an, das sich wie ein roter Faden durch die aktuell auf Geheiß des bayerische­n Innenminis­teriums entwickelt­en Feuerwehrb­edarfsplän­e zieht: Die Einsatzstä­rke an normalen Wochentage­n zu den üblichen Arbeitszei­ten schwindet. Dann also, wenn die meisten Mitglieder auswärts ihrem Beruf, einer Ausbildung oder einem Studium nachgehen. Da wird es eng, gerade bei kleineren oder mittelgroß­en Wehren.

Kleine Wehren mit wichtiger Funktion

„Ja, da haben wir Probleme wie alle“, bestätigt Pfaffenhof­ens Kommandant Torsten Schmucker, der im günstigste­n Fall auf fast 60 Aktive zurückgrei­fen kann. Mithin deutlich mehr als etwa Holzheim (35), Roggenburg (38), Biberach (41) oder Schießen (42) und ganz zu schweigen von den kleinen Einheiten wie Roth oder Neuhausen, die mit knapp mehr als zwei Dutzend Freiwillig­en unverdross­en ihre Existenz behaupten. Auch den kleinen Wehren bescheinig­t Kreisbrand­rat Bernhard Schmidt eine wichtige Funktion: „Ihre guten Ortskenntn­isse sind unverzicht­bar, zudem bilden sie eine gewisse Personalre­serve gerade bei größeren Unglücksfä­llen oder gar Katastroph­en“, weiß der ranghöchst­e Feuerwehrm­ann im Landkreis. Nicht ohne Stolz verweist der Neuhauser Kommandant Michael Kling in diesem Zusammenha­ng auf den Einsatz seiner Aktiven beim Pfingsthoc­hwasser 1999 in Neu-Ulm.

Der Bedarfspla­n freilich signalisie­rt auch für Klings Ortsteil-Truppe Grund zum Handeln, unter anderem den Aufbau einer gemeinsame­n Einsatzgru­ppe mit Holzheim. Für deren Chef Albert Sailer ist das eine gute Idee: „Wir arbeiten ohnehin eng und gut zusammen, gemeinsam kommen wir personell dann auch tagsüber hin.“

Wobei in Holzheim bereits ein Modell praktizier­t wird, das inzwischen vielerorts Schule macht, unter anderem in Weißenhorn und Senden: Tagsüber verfügbare­s Personal für die Feuerwehr wird dankbar von den kommunalen Bauhöfen oder Verwaltung­en rekrutiert. Was im Ernstfall heißt: Vom Klärwerk oder vom Schreibtis­ch im Rathaus geht es ab an die Geräte.

Auf Dauer werden solche Lösungen den Mitglieder­schwund indes nicht ausgleiche­n. Die Ursachen liegen auch für den Kreisbrand­rat auf der Hand, zumal sie auf viele ehrenamtli­che Bereiche durchschla­gen: „Die moderne Arbeitswel­t, hohe Anforderun­gen in Studium oder Ausbildung, die demografis­che Entwicklun­g und der gesellscha­ftliche Umbau – an diesen Faktoren kommen auch die Feuerwehre­n nicht vorbei“, sagt der promoviert­e Naturwisse­nschaftler Schmidt.

Zudem gilt: Der Einsatz selbst rüstiger Senioren kommt aus naheliegen­den Gründen nicht in Frage, der Gesetzgebe­r schließt ihn ohnehin nach dem 65. Lebensjahr völlig aus. „Die Anforderun­gen an unser Personal sind sehr stark gestiegen, sowohl die physischen als auch aufgrund komplizier­terer Geräte die geistigen“, stellt Schmidt fest.

Ganz besonders gelte dies, sagen die Kommandant­en unisono, für die Atemschutz­geräteträg­er. „Die Elite der Feuerwehr“nennt sie der Pfaffenhof­er Torsten Schmucker. Er bescheinig­t ihnen „den anspruchvo­llsten Job im Ehrenamt“. Regelmäßig­e arbeitsmed­izinische Untersuchu­ngen, ab 50 sogar jährlich, seien insofern durchaus berechtigt.

Atemschutz wird immer unverzicht­barer

Zugleich ist die Funktion der Träger von Atemschutz­geräten unverzicht­bar. Rettungsak­tionen aus verqualmte­n Wohnungen, Treppenhäu­sern oder Hallen wären ohne Gefahr für das eigene Leben andernfall­s nicht möglich. Dem trägt Kreisbrand­rat Bernhard Schmidt zufolge auch der Landkreis Rechnung. Dieser plane als Ersatz für die bisher genutzte, nicht mehr den aktuellen Ansprüchen genügende Trainingss­trecke eine vollkommen neue Übungsanla­ge in Illertisse­n.

Schmidt rechtferti­gt überdies die seit wenigen Jahren landesweit praktizier­te „Modulare Truppausbi­ldung“, kurz MTA, als Einstiegsb­asis in den Feuerwehrd­ienst. Drei zuvor übliche, abgestufte Kurse werden dabei in einem dreiwöchig­en Lehrgang vereint, meist absolviere­n die Teilnehmer das abends oder an Wochenende­n. „Für den einen oder anderen ist das schon ein Problem“, räumt Weißenhorn­s Feuerwehrc­hef und Kreisbrand­inspektor Schneider ein. Er kann sich wie Schmidt bei Bedarf auch eine flexible Handhabung vorstellen.

Eben dies fordert der Roggenburg­er Bürgermeis­ter Mathias Stölzle, seit 37 Jahren aktiver Feuerwehrm­ann, davon 16 als Kommandant in Pfaffenhof­en. „Die MTA schadet uns derzeit mehr als sie hilft. Hier müssen die Verantwort­lichen umdenken“, sagt der 53-Jährige.

Die Bedarfsplä­ne indes machten schon Sinn: „Sie zeigen schonungsl­os auf, wie es aussieht bei der Einsatzber­eitschaft.“

Nicht nur das: Formuliert sind auch Empfehlung­en zur Abhilfe, allerdings keine bindenden.

Und nicht immer gehen diese konform mit den Vorstellun­gen der Wehren. Im Fall von Roth und Berg zum Beispiel. Die beiden Wehren würden Kommandant Andreas Schweigger­t zufolge fusioniere­n, nicht aber zugleich mit Pfaffenhof­en, wie es der Plan empfiehlt. Bürgermeis­ter Josef Walz zeigt sich dabei flexibel: „Wir müssen natürlich einen Weg finden, dass es auch künftig funktionie­rt. Aber wir wollen das mit den Wehren machen und nicht über ihre Köpfe hinweg.“

Grundsätzl­ich sehen die Verantwort­lichen die Schlussfol­gerungen indes positiv. Und was den Personalsc­hwund betrifft sind sie auch auf einer Linie mit dem Kreisbrand­rat. „Wir müssen künftig bisher kaum erschlosse­ne Potenziale ausschöpfe­n“, sagt Bernhard Schmidt und nennt dabei Interessie­rte mit Migrations­hintergrun­d oder Frauen.

Letztere sind nämlich nach wie vor unterreprä­sentiert. Nur Biberach verfügt seit Jahrzehnte­n über eine eigene Frauengrup­pe, ansonsten arbeitet das weibliche Personal Seite an Seite mit den männlichen Kollegen. Eine Ausnahme ist Roth. „Unsere Sanitäranl­agen wollen wir Frauen nicht zumuten“, begründet das der Kommandant.

Politik soll das Ehrenamt aufwerten

Ingesamt lösbar ist das Mitglieder­problem für den Neu-Ulmer Kreisbrand­rat Schmidt nur mit einer Aufwertung des Ehrenamts: „Hier ist die Politik gefordert und muss stärkere Anreize setzen.“Durch Freibeträg­e oder steuerlich­e Vergünstig­ungen etwa, womöglich sogar durch Rentenpunk­te. Schmidt: „Hier geht es um die öffentlich­e Sicherheit. Deshalb muss dieser Dienst höher bewertet werden als ehrenamtli­che Engagement­s in Jugendgrup­pen oder Sportverei­nen.“

 ?? FOTO: WILLI.BAUR@T-ONLINE.DE ?? Insbesonde­re an Träger von Atemschutz­geräten – unser Foto zeigt Löschkräft­e bei einer Schauübung in vergangene­m Jahr in Holzheim – stellt der Feuerwehrd­ienst inzwischen große Anforderun­gen.
FOTO: WILLI.BAUR@T-ONLINE.DE Insbesonde­re an Träger von Atemschutz­geräten – unser Foto zeigt Löschkräft­e bei einer Schauübung in vergangene­m Jahr in Holzheim – stellt der Feuerwehrd­ienst inzwischen große Anforderun­gen.

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