Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Vom Christsein als Linker
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat in Blaubeuren gesprochen.
BLAUBEUREN - Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ist am Freitag in Blaubeuren zu Gast gewesen. Der Politiker hat sich ins Goldene Buch der Stadt Blaubeuren eingetragen, dem Urgeschichtlichen Museum einen Besuch abgestattet und im Evangelischtheologischen Seminar die Frage beantwortet: „Linker und Christ – wie geht das zusammen“?
Für Ramelow, der sich während seines halbstündigen, frei gehaltenen Vortrags wiederholt als „bekennender Christ“bezeichnete, passen Linke und Christen außerordentlich gut zusammen. Anders bei seiner Tante, die den 1956 geborenen ehemaligen Gewerkschafter nach seinem Eintritt in die PDS als Nachfolgerin der SED mahnte: „So etwas tut man doch nicht“.
Bodo Ramelow hat seinen Schritt nicht bereut, räumt allerdings ein, den Zugang zur Kirche erst in Thüringen wiedergefunden zu haben. „Nach einem Krach mit meinem Vater hatte ich sie verlassen“. Nicht ohne ein wenig Selbstzufriedenheit wies der aus einem evangelischen Pfarrerhaushalt stammende Ministerpräsident daraufhin, einer seiner Vorfahren habe 1748 in Frankfurt das Ehepaar Goethe getraut und ein Jahr später 1749 ihren Sohn Johann Wolfgang getauft.
Fleißig die Bibel gelesen
Seinen Zugang zur Linken fand Ramelow nach seinen Angaben vor allem über den Blick in die Bibel. Das Alte Testament weise Zinsen für geliehenes Geld und Waren zurück. Wenn sie aber schon verlangt würden, seien sie nach sieben Jahren zu streichen, die gesamte Schuld nach weiteren sieben Jahren. Im Prinzip gelte Gleiches für den Islam. Der Politik warf Ramelow vor, mit viel Geld in der Krise die Banken gerettet zu habe, statt sich um die Menschen zu kümmern. Vor den Banken möchte er Luthergedenksteine aufstellen mit der Forderung des Reformators, „Leerverkäufe zu verbieten“.
Dazu hatte Luther nach der ersten großen Spekulationsblase, dem „Tulpenzwiebelcrash“
1637 in den Niederlanden, aufgerufen. Aber auch zum Umgang mit dem Eigentum war Ramelow in der Bibel fündig geworden. Der Bauer musste sein abgeerntetes Stoppelfeld den Armen überlassen zu einer zweiten Ernte.
Und die Forderung des Apostels Paulus „Tut nichts aus Eigennutz“sei heute so aktuell wie nie. „Als demokratischer Sozialist, was nichts mit dem Sozialismus vergangener Zeiten zu tun hat, setze ich mich für mehr Solidarität ein; erklärte der Politiker – wie jeder andere Mensch auch einen kleinen Schritt wagen müsse für eine gerechtere Welt.
Als thüringischer Ministerpräsident erinnerte Ramelow seine knapp 200 Zuhörer – unter ihnen überwiegend Seminaristen – im früheren Schlafsaal der Blaubeurer Mönche an die schwierigen Lebensverhältnisse in seinem Land und verwahrte sich gegen manches Vorurteil, das immer noch für die östlichen Bundesländern gelte. „Kommen Sie zu uns“, warb er, „wir haben 3000 offen Stellen und 40 000 leer stehende Wohnungen“.
Das komme davon, „dass wir in Thüringen in den vergangenen 25 Jahren gut 450 000 Menschen verloren, weil wir sie als Entwicklungshelfer in den Westen geschickt haben“. Sie alle fehlten dem Land heute. Vorherrschend sei das Gefühl im Osten, individuell gehe es allen besser, kollektiv aber schlechter. Die gesamtdeutsche Aufgabe bestehe nach wie vor darin, sich um den Sozialstaat zu kümmern, so der Gast aus Thüringen bei seinem Besuch in Blaubeuren.
Drei Millionen Kinder in Armut seien eine Schande für das Land. Und die Flüchtlinge, die ins Land geströmt seien, hätten unterstützt werden müssen wie in den Jahren zuvor die Banken.
„Als demokratischer Sozialist, was nichts mit dem Sozialismus vergangener Zeiten zu tun hat, setze ich mich für mehr Solidarität ein.“
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken bei seinem Besuch in Blaubeuren
In seiner mehrfach von heftigem Beifall unterbrochenen Rede bekannte Bodo Ramelow, „dass wir 27 Jahre nach der Einheit in ganz Deutschland stolz sein können auf das, was wir erreicht haben“. Nun komme es aber darauf an, „allen eine Heimat zu bieten, in der kein Platz für Feindbilder ist“. Ein bekennender Christ in der PDS sei damals sicher ein Widerspruch gewesen. Die heutige Linke dagegen weise viele Christen auf, „die an jedem Kirchentag dabei sind.“