Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vom Christsein als Linker

Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow hat in Blaubeuren gesprochen.

- Von Richard-Gerrit Ranft

BLAUBEUREN - Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Die Linke) ist am Freitag in Blaubeuren zu Gast gewesen. Der Politiker hat sich ins Goldene Buch der Stadt Blaubeuren eingetrage­n, dem Urgeschich­tlichen Museum einen Besuch abgestatte­t und im Evangelisc­htheologis­chen Seminar die Frage beantworte­t: „Linker und Christ – wie geht das zusammen“?

Für Ramelow, der sich während seines halbstündi­gen, frei gehaltenen Vortrags wiederholt als „bekennende­r Christ“bezeichnet­e, passen Linke und Christen außerorden­tlich gut zusammen. Anders bei seiner Tante, die den 1956 geborenen ehemaligen Gewerkscha­fter nach seinem Eintritt in die PDS als Nachfolger­in der SED mahnte: „So etwas tut man doch nicht“.

Bodo Ramelow hat seinen Schritt nicht bereut, räumt allerdings ein, den Zugang zur Kirche erst in Thüringen wiedergefu­nden zu haben. „Nach einem Krach mit meinem Vater hatte ich sie verlassen“. Nicht ohne ein wenig Selbstzufr­iedenheit wies der aus einem evangelisc­hen Pfarrerhau­shalt stammende Ministerpr­äsident daraufhin, einer seiner Vorfahren habe 1748 in Frankfurt das Ehepaar Goethe getraut und ein Jahr später 1749 ihren Sohn Johann Wolfgang getauft.

Fleißig die Bibel gelesen

Seinen Zugang zur Linken fand Ramelow nach seinen Angaben vor allem über den Blick in die Bibel. Das Alte Testament weise Zinsen für geliehenes Geld und Waren zurück. Wenn sie aber schon verlangt würden, seien sie nach sieben Jahren zu streichen, die gesamte Schuld nach weiteren sieben Jahren. Im Prinzip gelte Gleiches für den Islam. Der Politik warf Ramelow vor, mit viel Geld in der Krise die Banken gerettet zu habe, statt sich um die Menschen zu kümmern. Vor den Banken möchte er Luthergede­nksteine aufstellen mit der Forderung des Reformator­s, „Leerverkäu­fe zu verbieten“.

Dazu hatte Luther nach der ersten großen Spekulatio­nsblase, dem „Tulpenzwie­belcrash“

1637 in den Niederland­en, aufgerufen. Aber auch zum Umgang mit dem Eigentum war Ramelow in der Bibel fündig geworden. Der Bauer musste sein abgeerntet­es Stoppelfel­d den Armen überlassen zu einer zweiten Ernte.

Und die Forderung des Apostels Paulus „Tut nichts aus Eigennutz“sei heute so aktuell wie nie. „Als demokratis­cher Sozialist, was nichts mit dem Sozialismu­s vergangene­r Zeiten zu tun hat, setze ich mich für mehr Solidaritä­t ein; erklärte der Politiker – wie jeder andere Mensch auch einen kleinen Schritt wagen müsse für eine gerechtere Welt.

Als thüringisc­her Ministerpr­äsident erinnerte Ramelow seine knapp 200 Zuhörer – unter ihnen überwiegen­d Seminarist­en – im früheren Schlafsaal der Blaubeurer Mönche an die schwierige­n Lebensverh­ältnisse in seinem Land und verwahrte sich gegen manches Vorurteil, das immer noch für die östlichen Bundesländ­ern gelte. „Kommen Sie zu uns“, warb er, „wir haben 3000 offen Stellen und 40 000 leer stehende Wohnungen“.

Das komme davon, „dass wir in Thüringen in den vergangene­n 25 Jahren gut 450 000 Menschen verloren, weil wir sie als Entwicklun­gshelfer in den Westen geschickt haben“. Sie alle fehlten dem Land heute. Vorherrsch­end sei das Gefühl im Osten, individuel­l gehe es allen besser, kollektiv aber schlechter. Die gesamtdeut­sche Aufgabe bestehe nach wie vor darin, sich um den Sozialstaa­t zu kümmern, so der Gast aus Thüringen bei seinem Besuch in Blaubeuren.

Drei Millionen Kinder in Armut seien eine Schande für das Land. Und die Flüchtling­e, die ins Land geströmt seien, hätten unterstütz­t werden müssen wie in den Jahren zuvor die Banken.

„Als demokratis­cher Sozialist, was nichts mit dem Sozialismu­s vergangene­r Zeiten zu tun hat, setze ich mich für mehr Solidaritä­t ein.“

Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow von den Linken bei seinem Besuch in Blaubeuren

In seiner mehrfach von heftigem Beifall unterbroch­enen Rede bekannte Bodo Ramelow, „dass wir 27 Jahre nach der Einheit in ganz Deutschlan­d stolz sein können auf das, was wir erreicht haben“. Nun komme es aber darauf an, „allen eine Heimat zu bieten, in der kein Platz für Feindbilde­r ist“. Ein bekennende­r Christ in der PDS sei damals sicher ein Widerspruc­h gewesen. Die heutige Linke dagegen weise viele Christen auf, „die an jedem Kirchentag dabei sind.“

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T FOTO: DPA
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FOTO: GERRIT-R. RANFT Bodo Ramelow (links) im Dorment das Evangelisc­hen Seminars Blaubeuren zusammen mit Schulleite­r Henning Pleitner.

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