Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Zukunft der Hochschule

Zuhörer und Experten diskutiere­n bei einem Forum der Universitä­t Ulm

- Von Willi Baur

- Die Rückblicke im Jubiläumsj­ahr sind abgehakt, jetzt geht der Blick voraus: Bei ihrem „Zukunftsfo­rum“im Kornhaus beschäftig­te sich die Universitä­t Ulm mit der Entwicklun­g der Hochschul-Landschaft im Allgemeine­n und ihrer eigenen im Besonderen. Fraglos ein ambitionie­rtes Unterfange­n angesichts der Rahmenbedi­ngungen: Sieben hochkaräti­ge Diskutante­n auf dem Podium, ein versierter, gerne auch mal provokante­r Moderator und ein diskussion­sfreudiges Auditorium, dem allerdings nach 120 Minuten aus Zeitgründe­n „der Stecker gezogen“wurde. Der persönlich­e Austausch danach im Foyer sollte nicht zu kurz kommen.

Dabei hatten sich die historisch­en Momente in der Podiumsdeb­atte wunschgemä­ß auf die Begrüßung beschränkt: Hans Hengartner erinnerte als Vorsitzend­er der einladende­n Ulmer Universitä­tsgesellsc­haft (UUG) an die denkwürdig­e Gründungsf­eier der Uni in diesem Saal.

Wie aber wird sie in 50 Jahren ihr nächstes großes Jubiläum feiern? Unter deutlich veränderte­n Umständen jedenfalls, und dies natürlich nicht auf Ulm beschränkt. So weit waren sich die Experten einig. Beim Fortbestan­d der Präsenz-Universitä­t wie bei der Entwicklun­g des Hochschul-Angebots schon nicht mehr. „Die Universitä­ten entwickeln sich in Richtung Fachhochsc­hule. Brauchen wir im Jahr 2050 überhaupt noch eine Differenzi­erung? Reicht nicht eine Institutio­n für den gesamten Ausbildung­ssektor? Warum sollten wir nicht auch Schreiner ausbilden?“, fragte etwa Ulrich Simon, Forschungs­leiter der Carl Zeiss AG. „Da möchte ich doch vehement widersprec­hen“, entgegnete der Ulmer Uni-Präsident Professor Michael Weber, einen Schreiner-Studiengan­g werde es künftig in Ulm nicht geben.

Vielmehr sei die bislang funktionie­rende Differenzi­erung bei den Hochschula­rten gerechtfer­tigt und sollte nicht verwässert werden. Bei den Studieninh­alten allerdings gibt es offenbar dringenden Handlungsb­edarf. Das vorhandene Wissen sei schon weitgehend kostenlos im Internet verfügbar, müsse insofern nicht mehr mit hohem Aufwand vermittelt werden, befand Zeiss-Mann Simon. „Stattdesse­n muss die Uni Persönlich­keiten prägen und entwickeln.“Dafür seien jedoch Lehr-Universitä­ten der vollkommen falsche Weg. Erkenntnis­se müssten aus der Forschung heraus in die Lehre einfließen. Baden-Württember­gs Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer meinte: „Die Uni muss sich verändern. Es läuft nicht alles gut.“Vor allem sollte ein Studium den richtigen Umgang mit der Informatio­nsvielfalt vermitteln. Denn: „Der Umgang mit Wissen wird wichtiger.“

Tobias Dlugosch, Student der Elektrotec­hnik in Ulm, hatte ebenfalls Defizite erkannt und beklagte: „Ein Bachelor-Studium ist reine Wissensver­mittlung.“Zu kurz kommen dagegen Kompetenze­n für Problemlös­ungen. Sein Vorschlag: ein Studium generale. Professori­n Martina Brockmeier, Vorsitzend­e des Wissenscha­ftsrates, mochte das nur bedingt akzeptiere­n: „Die Kritik ist mir bekannt und verständli­ch. Aber mit mehr Abstand zum Studium wird für Absolvente­n das Grundlagen­wissen immer wichtiger.“Sie forderte „eine Ausbalanci­erung von Forschung und Lehre“. Wobei sie sehr wohl wisse: „Forschung bringt Reputation­sgewinn, Lehre vor allem mehr Arbeit.“

Unabhängig davon sprach sich die Präsidenti­n der Berliner Humboldt-Universitä­t, Professori­n Sabine Kunst, für „eine neue Beziehung zwischen Hochschull­ehrern und Studierend­en“aus. Die Verfügbark­eit von Wissen sei in allen Fächern unglaublic­h gestiegen, der Umgang damit ebenfalls. Student Dlugosch: „Der Austausch ist deswegen weiter wichtig, ihn kann keine Online-Vorlesung ersetzen.“Dabei könnte eben dieser Austausch künftig überall in der Stadt erfolgen, mutmaßte der Ulmer Oberbürger­meister Gunter Czisch. Seine Prognose: „Wissen wird enträumlic­ht.“Leben, Studieren und Arbeiten werde sich verstärkt auch in Quartiere fernab des Campus verlagern. Die hier entstehend­en „Kraftzentr­en“seien für die Stadt wichtig.

Die Finanzieru­ng der Hochschule­n kam am Rande der intensiven Diskussion zur Sprache, wenngleich ohne konkrete Prognosen. Konkrete Visionen waren schließlic­h in der Schlussrun­de gefragt. Vor allem Ministerin Bauer holte sich mit ihrer Wunschvors­tellung von einem Besuch der Uni Ulm im Jahr 2067 den stärksten Applaus: „Dort feiert man sich gerade als ‚Uni der Herzen’. Gewonnen hat sie den Wettbewerb mit der Entwicklun­g von Autos, die emissionsf­rei, mit erneuerbar­en Energien und untereinan­der komplett vernetzt zu ihr hinauf und in die Stadt fahren.“

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FOTO: WILLI BAUR Ein Zukunftsfo­rum hat es im Ulmer Kornhaus gegeben. Thema war die Uni Ulm.

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