Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Linke fordern mehr Solidarität für Tolu
Abgeordnete Hänsel bei Demonstration in Ulm - Zweijähriger Sohn in Deutschland
ULM - Der zweijährige Sohn der in der Türkei aus politischen Gründen inhaftierten, aus Ulm stammenden deutschen Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu ist seit Donnerstag wieder in Deutschland. Wie der Solidaritätskreis „Freiheit für Mesale Tolu“mitteilt, hätten die Mutter und ihr ebenfalls inhaftierter Mann, Suat Corlu, gemeinsam entschieden, dass das Kind vorläufig nicht mehr im Gefängnis, sondern bei engen Verwandten bleibt. Der Junge hatte seit der Verhaftung seiner Mutter am 30. April zusammen mit Tolu im Istanbuler Frauengefängnis gelebt.
Bei der wöchentlichen Demonstration für die Freilassung Tolus am gestrigen Freitagabend sprach auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel. Die Politikerin, die den Prozessauftakt in der vergangenen Woche vor Ort beobachtet hatte, will die deutsche Botschaft in der Türkei bitten, auf die Übergriffe gegen Journalisten und Juristen zu reagieren. Weiter sagte Hänsel, dass durch weitere Solidaritäts-Aktionen der Druck auf die Bundesregierung, sich stärker für die Inhaftierten einzusetzen, erhöht werde.
Während der Demonstration wurde auch über die familiäre Situation gesprochen: „Sicherlich ist das
sowohl für die Mutter als auch für das Kind nicht einfach, aber die Bedingungen im Gefängnis sind für das Kind noch härter“, schreibt Baki Selcuk, der Sprecher des Solidaritätskreises: „Nach einigen bürokratischen Abwicklungen konnte Serkan am Donnerstag nach Deutschland gebracht werden.“
Ali Riza Tolu, der Vater von Mesale Tolu, bleibt nach Angaben des Kreises weiterhin in der Türkei, um seine Tochter und seinen Schwiegersohn regelmäßig besuchen und ihnen beistehen zu können.
Der nächste Prozesstermin gegen Mesale Tolu ist auf den 18. Dezember terminiert und findet nicht, wie der Prozessauftakt, in Silivri, sondern in Istanbul statt.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Nachrichtenagentur Etha, für die Mesale Tolu gearbeitet hat, und die Kanzlei EHB, die Tolu verteidigt, von türkischen Sicherheitskräften angegriffen wurde. In der Nacht zum Donnerstag dieser Woche habe die Polizei mehrere Wohnungen unter dem Vorwand, sie „durchsuchen“zu wollen, verwüstet und mindestens 15 Personen festgenommen, sagt Baki Selcuk vom Solidaritätskreis. Mindestens zwei Kolleginnen von Mesale Tolu, Isminaz Temel und Havva Custan, seien festgenommen worden.
Die Wohnung der Journalistin Semiha Sahin, die als Mitarbeiterin der Nachrichtenagentur Etha am 7. Oktober auf dem Solidaritätskonzert in Ulm gesprochen hatte, sei verwüstet worden.
Auch gibt es Kritik an Richter Mustafa Cakar, der das Verfahren gegen Tolu leitet. Baki Selcuk sagt: „Nun haben wir erfahren, dass Mustafa Cakar auch der Richter ist, der die Untersuchungshaft von Deniz Yücel angeordnet hat.“
Yücel war am 14. Februar festgenommen worden, am 27. Februar wurde gegen ihn Untersuchungshaft verhängt. Der Haftrichter begründete das mit dem Verdacht der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigte Yücel außerdem, ein Terrorist und Spion zu sein, ohne dafür Beweise zu präsentieren. Selcuk bewertet: „Offensichtlich hat er die Sonderaufgabe, gegen deutsche Journalisten vorzugehen und hat dazu freie Hand.“
Da die mit Mesale, ihrem Kind und ihrem Mann weitergehen wird, ist der Solidaritätskreis „Freiheit für Mesale Tolu“auch auf Spenden angewiesen.
AJK e.V.
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