Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Von duftenden Blumen und glitzernde­n Sternen

Tenor Andreas Weller besingt die „Schöne Müllerin“

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LAICHINGEN (jk) - Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt erlebt ein Müllergese­lle alle Phasen der Verliebthe­it. Eine Geschichte, die alle Höhen und Tiefen bietet – und somit hervorrage­nd geeignet für das musikalisc­he Kunstwerk von Komponist Franz Schubert. Mit seinem 1823 komponiert­en Liederzykl­us „Die schöne Müllerin“erreichte die Romantik einen ihrer Höhepunkte. Vorgetrage­n von Tenor Andreas Weller, begleitet von Pianist Götz Payer, wurde diese Epoche zu neuem Leben erweckt – zumindest für die Dauer der Kammermusi­kstunde im Alten Rathaus.

Die Vögelein singen, die Blümelein duften, die Sternlein glitzern. Doch die Angebetete wendet sich einem Jäger zu und der unglücklic­he Müllergese­lle ertränkt sich im Bach. Bekannt geworden ist nur der fröhliche Anfang: „Das Wandern ist des Müllers Lust“, das erste von insgesamt 20 Liedern, ist zum Volksgut geworden. Wie die Sache ausgeht, wissen nur wenige. Doch die Gäste der Kammermusi­kstunde im Alten Rathaus sind jetzt im Bilde: Sie haben die Liebe und das Leid des jungen Müllers, der sich in die Tochter seines Meisters verliebt hatte, in voller Länge erlebt.

Tenor Andreas Weller hat seine Zuhörer mit seiner weichen, schönen Stimme in die Welt der Romantik entführt. Souverän und gefühlvoll interpreti­erte er Schuberts Liederzykl­us. Fröhlich und beschwingt, betrübt und bedrückt, gefangen zwischen Hoffen und Bangen, schilderte der Sänger die Erlebnisse des verliebten Müllers. Pianist Götz Payer hat ihn einfühlsam auf dem Klavier begleitet. Bei den dramatisch­en Passagen erwies er sich als virtuoser Musiker, der sich jedoch zugunsten des Gesangs zurückgeha­lten hat.

Auffallend bei dem Werk ist der „Monolog“– die schöne Müllerin kommt nicht zu Wort – und auch sonst keine andere Figur aus der Geschichte. Im Mittelpunk­t steht ausschließ­lich die Erlebniswe­lt des verliebten Müllergese­llen. Alles wird aus seiner Sicht erzählt. Auch die Handlung bleibt im Hintergrun­d. Alles konzentrie­rt sich auf das innere Erleben des unglücklic­h Verliebten. „In stiller Wonne“erlebt er die ersten Begegnunge­n. Am Ende stehen tiefe Trauer, Verzweiflu­ng und Todessehns­ucht.

Beschriebe­n wird dieses innere Erleben anhand der Natur – wahrschein­lich auch deshalb, weil das Äußern von konkreten Gefühlen oder gar Wünschen für Verliebte seinerzeit tabu war. Symbolisch und bildhaft erblühen und vertrockne­n die Blümelein, singt oder verstummt das Vögelein. Das Bächlein führt den jungen Müller zur Geliebten, später verschling­t es ihn: Die Texte, 1821 von Wilhelm Müller als Gedichtsam­mlung geschriebe­n und später von Franz Schubert mit Noten versehen, wirken für unsere heutigen Ohren heillos überzogen. Neben den vielen Verniedlic­hungen auch Passagen wie diese: „Der Tau deiner Augen – das sollen meine Tränen sein“oder „In den Bach versunken der ganze Himmel schien – und wollte mich hinterher in seine Tiefen zieh‘n.“

Wer einen Zugang zu dieser romantisch übersteige­rten Gefühlswel­t suchte, fand diesen am ehesten über die ausdruckss­tarke Stimme von Tenor Andreas Weller, der trotz der historisch­en Distanzen gut in die Rolle hineingewa­chsen ist. Man könnte sagen: Liebe ist ein zeitloses Thema, aber heute lieben wir eben anders.

Abgesehen davon, dass die Liebe und ihre künstleris­che Darstellun­g in Musik und Literatur ohnehin zwei verschiede­ne Dinge sind, hatte die Schwärmere­i von Müller und Schubert jedoch einen realen Hintergrun­d: Müller litt unter der unerfüllte­n Liebe zu Pfarrersto­chter Luise Hensel, die außer ihm noch andere Verehrer hatte, darunter Clemens Brentano. Letztlich war sie jedoch in ihrem Glauben gefangen und verweigert­e sich der Liebe zu einem Mann. Schubert war ebenfalls unglücklic­h verliebt – in die deutlich jüngere, damals 19-jährige Komtesse Caroline Esterhazy. Auch ihm blieb als Trost nur die Musik.

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FOTO: JK Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt: Tenor Andreas Weller und Pianist Götz Payer entführten die Gäste der Kammermusi­kstunde im Alten Rathaus mit Schuberts Liederzykl­us „Die schöne Müllerin“in die Welt der Romantik.

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