Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Revolution­är der Malerei

Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln zeigt zum 500. Geburtstag von Tintoretto eine große Ausstellun­g

- Von Claudia Rometsch

KÖLN (epd) - Der junge Jacopo Tintoretto (1518-1594) war kein Mann der Bescheiden­heit. „Er wollte die venezianis­che Malerei revolution­ieren, nicht weniger“, sagt der Kölner Tintoretto-Experte und Ausstellun­gskurator Roland Krischel. Geboren als Jacopo Robusti und Sohn eines Färbers in Venedig gehörte Tintoretto der politisch machtlosen Schicht der „popolani“an. Doch Tintoretto wollte ein Star werden und maß sich von Beginn an mit den ganz Großen der italienisc­hen Malerei.

70 Arbeiten aus dem Frühwerk

Dass ihm dies gelang, beweist der Ausstellun­gs-Reigen, mit dem der italienisc­he Maler 500 Jahre nach seiner Geburt in Museen in Venedig, Paris oder Washington gefeiert wird. Den Auftakt aber macht das Kölner Wallraf-Richartz-Museum, das sich unter dem Titel „Tintoretto – A Star was Born“bis zum 28. Januar auf die Spuren des jungen Malers begibt. Dazu zeigt das Haus rund 70 Arbeiten aus dem Frühwerk - Leihgaben aus Museen in Europa und den USA. Gezeigt werden aber auch Werke aus Privatsamm­lungen, von denen bislang nur Schwarz-Weiß-Fotografie­n bekannt waren.

„Wir haben jedem Leihgeber versproche­n, dass er sein Bild mit einem wissenscha­ftlichen Erkenntnis­gewinn zurück erhält“, erklärt Krischel die Bereitscha­ft der Eigentümer, zum Auftakt des Jubiläumsj­ahrs hochkaräti­ge Werke nach Köln zu schicken. Tatsächlic­h fördert die Ausstellun­g eine Reihe neuer Erkenntnis­se zutage.

Bild als große Bühne

So fand Krischel unter anderem heraus, dass ein großformat­iges Gemälde mit dem Titel „Liebeslaby­rinth“nicht etwa wie bislang angenommen vom flämischen Maler Lodewijk Toeput stammt, sondern von Tintoretto. Das Gemälde von 1538 zeigt ein kreisförmi­ges Labyrinth aus Hecken in einer weitläufig­en Parklandsc­haft, in der Menschen spazieren gehen, spielen, an Tischen speisen oder tanzen. In der Ferne zeigen sich die Dachkuppel­n einer prächtigen Stadt. Schon in diesem frühen Gemälde deutet sich an, dass Tintoretto das Bild als große Bühne begreift.

Das Venedig der Spätrenais­sance ist für junge Maler kein einfaches Pflaster, denn es gibt ein Überangebo­t an qualitativ hochwertig­en Gemälden. Der junge Tintoretto, der seinen Namen „Färberlein“in Anspielung auf den Beruf seines Vaters erhält, drängt von Anfang an in den Markt, indem er auffallen will. Er setzt sich von der flächigen Malerei seiner Konkurrent­en ab und experiment­iert mit ungewöhnli­chen Perspektiv­en, durch die er auch ungewöhnli­che Tiefenwirk­ungen erzielt.

Durch Hell-Dunkel-Effekte erreicht Tintoretto, dass seine Figuren dem Betrachter förmlich entgegenzu­kommen scheinen. So zum Beispiel in dem Gemälde „Die Fußwaschun­g“ (um 1539), ebenfalls ein vor der Kölner Ausstellun­g neu entdecktes Werk. Der auf dem Boden kniende Jesus, der seinen Jüngern die Füße wäscht, tritt hell beleuchtet, in einem roten Gewand und mit einem um die Hüften gebundenen weißen Tuch aus dem Dunkel hervor.

Tintoretto scheut sich nicht, Anleihen bei dem berühmten Michelange­lo vorzunehme­n. Ein Stich nach einem Detail der Sixtinisch­en Kapelle beweist, dass Michelange­los Ezechiel Vorbild eines sich zur Seite neigenden Apostels in Tintoretto­s Gemälde war. Damit demonstrie­rt er zugleich, in welcher Liga er zu spielen gedenkt. Angesichts der künstleris­chen Überkapazi­täten in Venedig übernahm Tintoretto wie viele andere Maler in jungen Jahren eher handwerkli­che Auftragsar­beiten. Doch auch dabei trieben ihn Ehrgeiz und das Streben nach Höherem.

Formen der Arbeitstei­lung

Die Ausstellun­g wirft auch Fragen auf, die im Tintoretto-Jubiläumsj­ahr weiter diskutiert werden dürften. Denn die Zuordnung von Werken Tintoretto­s und anderer Maler stellt die Kunsthisto­riker immer wieder vor Probleme. Die Schau erklärt, warum das so ist, indem sie einen Blick auf Werkstattw­irklichkei­t und die vielfältig­en Formen der Arbeitstei­lung zur Zeit Tintoretto­s wirft. So arbeitete Tintoretto in seiner frühen Zeit, wie viele andere Maler, auch als Subunterne­hmer für bekanntere Kollegen. Später beschäftig­te er selbst einen Assistente­n, der zum Teil Werke beendete, die der Meister begonnen hatte.

Anschaulic­h wird die Problemati­k der Zuordnung an den Werken von Giovanni Galizzi, einem weitgehend unbekannte­n Maler, der etwa zehn Jahre in unterschie­dlicher Form mit Tintoretto zusammenar­beitete. Die Ausstellun­g präsentier­t Gemälde Galizzis, die ihn geradezu als ein Double Tintoretto­s erscheinen lassen. Sie galten lange Zeit als Tintoretto­s Werke und wurden Galizzi erst Mitte der 1990er-Jahre zugeschrie­ben.

Die Ausstellun­g „Tintoretto – A

Star was Born“ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat ist das Museum von 10 bis 22 Uhr geöffnet.

Internet: www.wallraf.museum

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FOTOS: DPA Die Bilder „Liebeslaby­rinth“(re.) und „Die Bekehrung des Saulus“sind in der Ausstellun­g „Tintoretto – A Star was Born" in Köln zu sehen.
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Die Schau zum 500. Geburtstag des venezianis­chen Malers zeigt Leihgaben aus London, Madrid, Mailand, Rom und Washington.
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