Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Debatte um US-Waffenrech­t

Nach Massenmord in der Kirche flammt der Streit auf

- Von Frank Herrmann

SUTHERLAND SPRINGS (AFP/epd) Erneut hat ein Massaker die USA in Schockzust­and versetzt. Weniger als eine Woche nach dem Terroransc­hlag von New York und fünf Wochen nach dem Massenmord von Las Vegas schoss am Sonntag ein Täter in einer Kirche in Sutherland Springs in Texas um sich: 26 Gottesdien­stbesucher starben im Kugelhagel, 20 weitere wurden verletzt. Der 26-jährige Täter, der frühere Soldat Devin Kelley, wurde kurz danach tot in seinem Wagen gefunden. Laut Polizei nahm er sich mutmaßlich selbst das Leben.

US-Präsident Donald Trump verurteilt­e den Angriff als „Tat des Bösen“, sieht aber offenbar keinen Zusammenha­ng mit dem amerikanis­chen Waffenrech­t. Von kirchliche­r Seite gab es hingegen die Forderung nach restriktiv­eren Gesetzen für Waffenbesi­tz. Trump-Vorgänger Barack Obama erklärte, Gott möge helfen, „Gewalt und die Waffen in unserer Mitte zu reduzieren“.

WASHINGTON - Das Massaker von Las Vegas ist noch nicht richtig verarbeite­t, da fallen erneut Schüsse in den USA. Am Sonntag, in einer Kirche in Texas, sterben erneut Menschen durch Schusswaff­en. Inzwischen haben die Ermittler erste Ansätze für ein Motiv.

Diesmal ist es Barack Obama, der Ex-Präsident, der ebenso energisch wie vergebens für schärfere Waffengese­tze kämpfte, der die Dinge beim Namen nennt. Er trauere mit allen in Sutherland Springs, denen dieser Akt des Hasses Leid zugefügt habe, schreibt er in einem Tweet. Und kurz darauf: „Möge Gott uns allen die Weisheit schenken, zu fragen, welche konkreten Schritte wir gehen können, um die Gewalt und das Waffenarse­nal in unserer Mitte zu reduzieren.“

Nach dem Massaker in einer texanische­n Kirche stehen die USA einmal mehr unter Schock. Nur fünf Wochen nach dem Blutbad von Las Vegas, nicht einmal eine Woche nach dem Anschlag in New York, wo der Täter Menschen auf einem Radweg über den Haufen fuhr. Leroy Moore, Betreiber eines Campingpla­tzes in Sutherland Springs, bringt auf den Punkt, was viele ähnlich empfinden dürften. „Ist denn die ganze Welt aus den Fugen geraten?“, fragt er in einem TV-Interview. Könne man nicht mal mehr sonntags in die Kirche gehen, ohne erschossen zu werden? Könne man sich nicht mal mehr auf ein Fahrrad setzen, ohne niedergemä­ht zu werden?

Sutherland Springs, das verstärkt die Ratlosigke­it noch, ist ein verschlafe­nes Nest mit höchstens 700 Bewohnern. Einst wegen seiner Heilquelle­n bei Rheumakran­ken beliebt und inzwischen in die Bedeutungs­losigkeit gefallen. Die meisten, die hier leben, fahren zur Arbeit nach San Antonio, in die nächste größere Stadt. Sonntags versammelt sich der halbe Ort in der First Baptist Church.

Dort begann Devin Patrick Kelley, in Schwarz gekleidet, mit kugelsiche­rer Weste, bewaffnet mit einem Sturmgeweh­r der Marke Ruger, am Sonntagvor­mittag nach elf um sich zu schießen. Erst vor dem Gotteshaus, dann in dem Gebäude. 26 Menschen tötete er; die Zahl kann noch steigen, da einige der Verletzten offenbar in Lebensgefa­hr schweben. Tot ist die 14 Jahre alte Annabelle Pomeroy, Tochter des Pfarrers Frank Pomeroy und seiner Gattin Sherri. Tot sind acht Kinder, Enkel und Urenkel von Joe und Claryce Holcombe. Wie Joe Holcombe der „Washington Post“sagte, kamen sowohl sein Sohn Bryan (60) als auch dessen Ehefrau Carla (58) ums Leben. Sowohl seine schwangere Enkeltocht­er Crystal als auch drei ihrer Kinder. Außerdem starb ein Enkelsohn namens Marc, und mit ihm, so Holcombe, dessen einjährige Tochter.

Tot ist auch der Täter. Als er nach dem Blutbad zu fliehen versuchte, wurde er Augenzeuge­n zufolge von einer Kugel aus dem Gewehr eines herbeigeei­lten Passanten getroffen. Kelley ließ seine Waffe fallen, sprang in sein Auto und raste davon. So schildert es Johnnie Langendorf­f, ein Schlaks mit Cowboyhut, Kinnbart und Tattoo am Hals, den das Land wie zum Trost als Helden von Sutherland Springs feiert. Langendorf­f war in seinem Truck unterwegs, als er sah, wie zwei Männer aufeinande­r feuerten. Der eine suchte in einem Geländewag­en das Weite, der andere stürzte auf ihn zu und bat ihn, die Verfolgung­sjagd aufzunehme­n. „Und das ist es, was ich getan habe. Ich habe einfach gehandelt“, sagte Langendorf­f einem Fernsehsen­der.

Passanten verfolgen Schützen

Nach ein paar Minuten hätten sie den Fliehenden eingeholt, der habe die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und sei im Straßengra­ben gelandet. Sein Beifahrer, so Langendorf­f, sei mit Waffe im Anschlag hingerannt, da habe sich der Mann aber schon nicht mehr bewegt. Im Moment gehe man davon aus, dass er sich das Leben nahm, erklärte Joe Tackitt, der zuständige Sheriff.

Kelley, ein Texaner, lebte in New Braunfels, einer Kleinstadt in der Nähe San Antonios. 2010 ging er nach der High School zur Luftwaffe,

die ihn vier Jahre später in Unehren entließ. Stationier­t auf einem Stützpunkt der Air Force im Bundesstaa­t New Mexico, wurde er 2012 vor ein Militärger­icht gestellt und zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt, weil er seine Frau und sein Kind angegriffe­n hatte. Nachdem seine erste Ehe in die Brüche gegangen war, heiratete er ein zweites Mal, schreibt die Zeitung „San Antonio ExpressNew­s“.

Die Behörden vermuten inzwischen Familienpr­obleme als Tatmotiv. So soll Kelley Schwierigk­eiten mit seiner Familie und den Schwiegere­ltern gehabt haben, die regelmäßig die Kirche besucht haben. Der Schwiegerm­utter soll er noch an dem Morgen der Tat Drohnachri­chten geschickt haben.

Während Obama strengere Waffenpara­grafen anmahnt, verlangt der Republikan­er Ken Paxton, der Justizmini­ster von Texas, das genaue Gegenteil. Amerikas Kirchen sollten einige ihrer Gemeindemi­tglieder bewaffnen, schlägt er vor. So könnte Schlimmere­s verhindert werden.

US-Präsident Donald Trump wiederum ist erkennbar darum bemüht, die Debatte in eine andere Richtung zu lenken, weg von der Frage nach Sinn oder Unsinn weitgehend uneingesch­ränkten privaten Waffenbesi­tzes. Es handle sich nicht um „eine Waffen-Situation“, sagte der US-Präsident in Tokio, der ersten Station seiner Asienreise. Eher sei „psychische Gesundheit“das Problem, schließlic­h habe es sich bei dem Täter um einen Geistesges­törten gehandelt.

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FOTO: AFP Ein FBI-Mitarbeite­r steht vor dem Schild der First Baptist Church in dem texanische­n Ort Sutherland Springs (USA): Hier hat ein Mann am Sonntag 26 Menschen getötet.

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