Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Regenponcho für den Pinscher
Olga Schaff aus Herbrechtingen sorgt für warmes Gassigehen – Maßgeschneiderte Kleidung für Vierbeiner liegt im Trend
HERBRECHTINGEN (lsw) - Vito und Eny hatten die Schnauzen voll. Gassi gehen bei Eis und Schnee? Das „Nee“stand den Deutschen Pinschern in die Fressen geschrieben. Olga Schaff verstand. „Ich habe mich an die Maschine gesetzt und ihnen Mäntel genäht.“Das war im vorletzten Winter. Der Entschluss hat das Leben der gelernten Schneiderin ein gutes Stück verändert.
Früher betrieb sie im Wohnort Herbrechtingen (Kreis Heidenheim) eine Änderungsschneiderei. Richtig Spaß habe das nicht gemacht, berichtet die 42-Jährige. Heute fertigt sie in ihrer Heimwerkstatt „täglich mit großer Freude“Maßkleidung für Hunde. Die ersten Aufträge bekam „Olga's Nähstudio“aus der Nachbarschaft, wo man ihre gut angezogenen Pinscher beim Winterspaziergang bewunderte. Inzwischen hat sie Kunden in ganz Deutschland und mehreren Ländern Europas. „Je näher der Winter rückt, desto mehr Mäntel werden geordert, sogar aus Norwegen“sagt Ehemann Jürgen Schaff (48), der als Ingenieur tätig ist.
Dass Hundebesitzer ihre Lieblinge einkleiden, ist nicht neu. „Aber viele geben sich nicht mehr mit Ware von der Stange zufrieden“, weiß Nadja Porsch. Die in Kassel tätige Textilprofilerin berät Unternehmen bei der Entwicklung von Accessoires für Tiere. „Maßgeschneidertes wird immer beliebter“, sagt sie. Konfektionsgrößen seien ja schon bei Menschen ein Problem, denn wirklich gut passe Kleidung von der Stange höchstens 20 Prozent der Zweibeiner. Bei Hunden aber sei das noch weit komplizierter: „Ein Jack Russell und ein Mops mögen die gleiche Rückenlänge haben, aber da hört die Gemeinsamkeit schon auf.“
Idealerweise kommen Frauchen oder Herrchen mit dem Hund zum Vermessen bei der Schneiderin vorbei. Wenn der Weg zu weit ist, bekommen Kunden exakte Hinweise, wo sie wie messen sollen. „Das wichtigste an Hundekleidung ist, dass sie nicht scheuert oder zwickt“, sagt Schaff. Genau deshalb sei Maßschneiderei für Hunde „kein Spleen, sondern sinnvoll“, meint auch Trendexpertin Porsch.
Angezogen werden naturgemäß vor allem die kurzhaarigen Varianten unter den zahlreichen Hunderassen. „Das betrifft alle Größen“, sagt die Schneiderin. „Von zierlichen Chihuahuas aus Mexiko bis zu großen spanischen Galgo-Windhunden, und selbst ein stämmiger Dobermann freut sich bei minus zehn Grad auf der Schwäbischen Alb über einen Mantel.“
Materialien gibt es für jeden Geschmack. Wenn jemand seinen Rhodesian Ridgeback unbedingt im Leopardenlook einkleiden will, bitte sehr. In jedem Fall soll die Kleidung winddicht und wasserabweisend sein, etwa durch Beschichtung.
Ein Mantel sei aber längst nicht das einzige Stück im Hundekleiderschrank, berichtet Julia Hesse. Die 32jährige Kosmetikerin aus Herbrechtingen war eine der ersten Kundinnen von „Olga's Nähstudio“. Neben einem sportlichen Wintermantel verfügt ihr brauner Deutscher Pinscher nun auch über eine Softshelljacke und einen leicht faltbaren Regenponcho. Auf Wunsch stickt Olga Schaff Namen und Telefonnummern der Besitzer in die Kleidung, falls Bello oder Hasso sich mal verlaufen.
Ein Renner seien auch Bademäntel, berichtet Jürgen Schaff. Die seien bei langhaarigen Hunden besonders praktisch. „Wenn so ein wuscheliger Australian Shepherd aus einem Fluss rauskommt, ist ein flauschiger Mantel mit Saugkraft Gold wert: Damit kann er sich auch im Auto schütteln, ohne dass alles nass wird.“
Kritiker stört Vermenschlichung
Durchaus nicht jeder findet Kleidung für Tiere angebracht. Kritiker werfen Haltern, die ihre Vierbeiner in Stoff verpacken, eine Vermenschlichung der Tiere vor. Die Tierrechtsorganisation Peta spricht sogar von Tierquälerei, wenn ein Hund aufgrund von Kleidung nicht mehr wirklich Hund sein dürfe. Allerdings gestehen auch Tierschützer meist zu, dass ein Schutz angebracht ist, wenn es sich um Rassen mit zu dünnem Fell handelt – und wenn es wirklich um den Schutz und nicht in erster Linie um Modetrends geht.