Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Leider werden auch weitere Massaker nichts ändern“

Der Amerikanis­tik-Professor Thomas Gijswijt über die Liebe vieler US-Amerikaner zu ihren Waffen

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RAVENSBURG - Viele US-Amerikaner lieben schwere Waffen – das wird wohl auch nach dem Massaker von Sutherland Springs so bleiben. Die Gründe dafür erläutert Thomas Gijswijt (Foto: privat) im Interview mit Thilo Bergmann. Gijswijt lehrt an der Universitä­t Tübingen amerikanis­che Geschichte und Politik.

Wieder eine Schießerei, wieder in den USA. Und es ist nicht absehbar, dass die Regierung daraus Konsequenz­en zieht. Warum?

Leider werden auch weitere Massaker nichts ändern. Für die Republikan­er lohnt sich das Thema nicht. Zwar sind viele Sitze im Kongress für beide Parteien relativ sicher, aber bei parteiinte­rnen Vorwahlen machen sich die Politiker angreifbar, wenn sie stärkere Kontrolle fordern. Man kann als Politiker eigentlich nur verlieren.

Die bekanntest­e Lobbygrupp­e ist die Schusswaff­envereinig­ung NRA. Worin besteht deren Stärke?

Sie ist sehr gut organisier­t, vor allem in ländlichen Gebieten. Zwei bis drei Millionen Wähler kann die Lobby sehr schnell aktivieren. Wenn die NRA sagt, dass die Rechte der Amerikaner in Gefahr sind, dann aktiviert sie ihre Unterstütz­er und die schreiben ihren Abgeordnet­en oder spenden viel Geld. Viele Politiker müssen in den parteiinte­rnen Vorwahlen überzeugen. Da kann es politische­r Selbstmord sein, etwas an den Waffengese­tzen ändern zu wollen.

Wird die NRA so stark bleiben?

Solange sich nicht eine ähnlich starke oder stärkere Gegen-Lobby auf lokaler Ebene etabliert, wird sich nichts ändern. Es hat sich inzwischen viel getan, aber die Gegner sind noch nicht stark genug.

Woher kommt in den USA die Begeisteru­ng für schwere Waffen? Ist das wirklich historisch begründet, wie es immer heißt?

Das ist völliger Blödsinn. Das ist NRA-Propaganda, die seit den 70er Jahren extrem effektiv verkauft wurde. Die Amerikaner denken deshalb heute sie müssten sich gemäß der Verfassung schützen und das Tragen von Waffen mache sie zu etwas Besonderem. Viele Amerikaner glauben, sie sind sicherer mit einer Waffe unter dem Kopfkissen.

Also ist die amerikanis­che Liebe zu Waffen nur eine großangele­gte Marketingk­ampagne?

Ja, das kann man so sehen. Natürlich gibt es auch eine gewachsene Waffenkult­ur. Es wird viel gejagt und die Menschen fühlen sich auf dem Land auch sicherer, wenn sie Waffen haben. Es ist aber auch kein Zufall, dass für Mädchen bereits rosa Gewehre entwickelt werden. Dass jetzt in Texas ein Nachbar zurückgesc­hossen hat, wird von der NRA auch groß ausgeschla­chtet werden.

Und wie könnte man die USA entwaffnen?

Australien hat es gut vorgemacht. Man müsste die Waffengese­tze verschärfe­n, ein Waffentrai­ning vorschreib­en, die Waffen sicher verstauen und kostenlos abgeben können. Politisch ist das nicht durchsetzb­ar.

Was sagen Ihnen diese Ereignisse über die aktuelle Lage der USA?

Man fragt sich inwieweit dieses Land noch handlungsf­ähig ist, weil es so schwer ist, etwas Grundsätzl­iches zu ändern. Nach dem Amoklauf an der Grundschul­e in Newtown 2012 habe ich gedacht es ändert sich etwas, aber es ist damals im Senat gescheiter­t, weil zu viele Angst hatten, dass sie ihren Platz im Kongress verlieren. Es macht mich schon traurig.

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Thomas Gijswijt

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