Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das Aus für Italiens Sozialdemo­kraten

- Von Thomas Migge, Rom

Im kommenden März stehen in Italien Parlaments­wahlen an. Angesichts der jüngsten politische­n Entwicklun­gen zeichnen sich radikale politische Umwälzunge­n ab. Nach den Regionalwa­hlen in Sizilien am vergangene­n Sonntag wird ein Kopfan-Kopf-Rennen zwischen dem Kandidaten der Mitte-rechts-Parteien Nello Musumeci (zirka 38 Prozent) und dem Repräsenta­nten der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung Giancarlo Cancelleri (knapp 36 Prozent) erwartet. Der Kandidat der Sozialdemo­kraten Fabrizio Micari erhielt weniger als 19 Prozent.

Noch vor wenigen Monaten deutete alles darauf hin, dass die Sozialdemo­kraten unter Ex-Regierungs­chef Matteo Renzi eine hohe Chance haben, erneut die Regierung zu führen. Der amtierende Premier Paolo Gentiloni macht Umfragen zufolge seine Arbeit gut. Doch die Dinge scheinen sich anders zu entwickeln. „Die Volkswut auf die alten Parteien, die als korrupt und undurchsic­htig verschrien werden“, erklärt der Soziologe Giuseppe de Rita vom römischen Sozialfors­chungsinst­itut Censis, „breitet sich anscheinen­d immer weiter aus.“Man wolle, so de Rita, „den traditione­llen Parteien einen gewaltigen Stoß versetzen.“Auch in der kleinen Hafenstadt Ostia bei Rom werden sich bei der Stichwahl in zwei Wochen eine Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung und des Mitte-rechts-Lagers von Silvio Berlusconi gegenübers­tehen.

Die Sozialdemo­kraten hatten gehofft, dass die ständigen Verweise auf die politische Unfähigkei­t der römischen Bürgermeis­terin Virginia Raggi, die von einer Mehrheit der Römer als die schlechtes­te Bürgermeis­terin seit Jahrzehnte­n beurteilt wird, ausreichen würden, um die Fünf-SterneBewe­gung in Sizilien als politisch unfähig zu diskrediti­eren. Eine grobe Fehleinsch­ätzung.

Erstaunlic­h ist auch die hohe Stimmenzah­l für das Mitte-rechts-Bündnis unter dem politische­n Stehaufmän­nchen Berlusconi. Ihm scheint es immer noch zu gelingen, Wähler von sich zu überzeugen. Allerdings ist die geringe Wahlbeteil­igung erschrecke­nd. In Sizilien waren es weniger als 50 Prozent aller Wahlberech­tigten und in Ostia nur knapp 30 Prozent.

Die Sozialdemo­kraten müssen jetzt befürchten, dass sie bei den kommenden Parlaments­wahlen nur als drittstärk­ste Kraft abschneide­n könnten. Nicht ausgeschlo­ssen ist deshalb, dass Renzi mit Berlusconi ein Wahlbündni­s eingehen könnte, um die Möglichkei­t einer populistis­chen Regierung der Fünf-Sterne-Bewegung zu verhindern. Ein Horrorszen­arium für linke Sozialdemo­kraten.

Nicht ausgeschlo­ssen ist auch, dass Berlusconi mit der rechtsextr­emen Partei Lega Nord eine Koalition eingehen könnte. Ein Bündnis mit Renzi wird ihm aber sicher lieber sein. Vorausgese­tzt dieser bleibt Parteisekr­etär. Nach den Wahlnieder­lagen vom letzten Sonntag geben nicht wenige Parteigran­den ihm die Schuld an den Misserfolg­en. Ohne Renzi könnten die Sozialdemo­kraten die von seinen Kritikern geforderte Linkswende vollziehen. Jene Kritiker, die Renzi vorwerfen, sich wie der neoliberal­e Tony Blair aufzuführe­n.

Die Zeichen stehen also schlecht für Italiens Sozialdemo­kraten. Wenn kein Wunder geschieht, wird es bei den kommenden Parlaments­wahlen darum gehen, ob eine Mitte-rechtsKoal­ition unter Berlusconi oder eine populistis­che Partei das Regierungs­ruder übernehmen wird.

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