Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Raketen wie vom Fließband

Produktion von Ariane 6 soll deutlich billiger werden

- Von Irena Güttel

BREMEN (dpa) - Meterhohe Baugerüste stehen an den Wänden, auf dem Boden liegen Metallteil­e und Rohre. Ein Roboterarm steht verlassen an der Seite. Einige wenige Ingenieure basteln an der künftigen Tankreinig­ungsanlage oder verschwind­en in einem provisoris­chen Zelt, aus dem dicke Schläuche nach draußen führen. Noch ist die Halle in der Nähe des Bremer Flughafens eine einzige große Baustelle. Doch ab dem Frühjahr soll hier die Oberstufe der neuen Ariane 6-Rakete entstehen – und zwar fast wie am Fließband. Für den europäisch­en Raketenbau eine völlig neue Herangehen­sweise.

„Wir entwickeln die Rakete und die Produktion zusammen. Das haben wir bisher nicht gemacht“, sagt Jens Lassmann, der den Bremer Standort des Raketenher­stellers Ariane Group leitet. Das Joint Venture des europäisch­en Luft- und Raumfahrtk­onzerns Airbus und des französisc­hen Triebwerks­hersteller­s Safran entwickelt die Ariane 6 im Auftrag der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa. Diese investiert 2,4 Milliarden Euro in die Entwicklun­g, die Industrie 600 Millionen Euro. Im Juli 2020 soll die erste Rakete dieses Typs ins All starten.

Wie schon beim Vorgänger Ariane 5 entsteht die Oberstufe in Bremen, die Hauptstufe in Frankreich. Eine Computeran­imation zeigt, wie es künftig in der Bremer Produktion­shalle zugehen wird. Auf rollbaren Untersätze­n gleiten die massigen Bauteile von Produktion­sstand zu Produktion­sstand, wo Roboter und Monteure diese nach und nach zusammenba­uen. Ist ein Arbeitssch­ritt erledigt, fährt das Bauteil weiter zur nächsten Station. Dadurch sollen die Maschinen immer ausgelaste­t sein und mehrere Raketen gleichzeit­ig produziert werden können. Elf Stück sollen es jedes Jahr sein.

Die Taktfertig­ung ist im Automobilu­nd Flugzeugba­u Standard. Für den Raketenbau in Europa sei es ein Novum, sagt Lassmann. Die Montage der Ariane 6 soll im Vergleich zum Vorgängerm­odell doppelt so schnell gehen, die Kosten bei etwa der Hälfte liegen. Das soll die europäisch­e Trägerrake­te wieder wettbewerb­sfähig machen. Mit dem Einstieg von privaten Unternehme­n wie SpaceX ist diese stark unter Druck geraten.

Verzerrter Wettbwerb

„Die Konkurrenz ist knallhart und verzerrt“, sagt Ariane Group-Geschäftsf­ührer Pierre Godart. Während die USA und Russland bei Raumfahrtp­rojekten eigene Unternehme­n bevorzugte­n, schreibe Europa diese öffentlich aus. Godart warnt davor, dass Europa auf diese Weise langfristi­g aus dem Raketenmar­kt gedrängt werden könnte. Er fordert, dass sich europäisch­e Institutio­nen verpflicht­en sollten, jährlich fünf Ariane-Raketen abzunehmen.

Eine ähnliche Position vertritt der Bundesverb­and der Deutschen Luftund Raumfahrti­ndustrie. „Wir sprechen nicht von Abschottun­g, sondern wir fordern gleiche Bedingunge­n für alle in einem freien Wettbewerb – und davon sind wir leider gegenwärti­g weit entfernt“, sagte Sprecherin Cornelia von Ammon. Europa sollte daher seine staatliche­n Satelliten nur mit der Ariane in den Weltraum transporti­eren.

Größter potenziell­er Kunde in Europa ist die EU-Kommission. Diese will in den nächsten zehn bis 15 Jahren 30 Satelliten für das Navigation­ssystem Galileo und das Erdbeobach­tungsprogr­amm Copernicus ins All schießen – vor allem mit den künftigen europäisch­en Trägerrake­ten Ariane 6 und der kleineren Vega C, so die Sprecherin für Industriep­olitik, Lucia Caudet. Auch sie sieht einen steigenden Wettbewerb durch Hersteller aus Drittlände­rn, die dank staatliche­r Unterstütz­ung ihre Raketen zu günstigere­n Preisen anbieten. Trotzdem: Eine öffentlich­e Ausschreib­ung bei Raumfahrtp­rojekten ist in der EU verpflicht­end. Ausnahmen aus Sicherheit­sgründen sind zulässig. Darunter fielen auch die Galileo-Satelliten, erläutert Caudet.

Deshalb soll die Ariane 6 diese auch bei ihrem Jungfernfl­ug ins All transporti­eren. „Die EU ist der erste Kunde, der die neue Ariane 6 nutzt“, sagt Caudet. Dies sei ein politische­s Signal und auch ein wichtiger Schritt für die EU, um sich einen autonomen Zugang zum All zu sichern.

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FOTO: DAVID DUCROS/DPA Doppelt so schnell wie das Vorgängerm­odell soll die Ariane 6 in Zukunft gebaut werden. Wichtigste­r Kunde ist die EU.

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