Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Potzblitz! Alle Wetter!

Zum Klimagipfe­l präsentier­t die Bundeskuns­thalle Bonn die Ausstellun­g „Wetterberi­cht“

- Von Reinhold Mann

BONN - Eine charmante Ausstellun­g: Zum Weltklimag­ipfel zeigt die Bonner Bundeskuns­thalle ihren „Wetterberi­cht“. Eine bunte Revue: Nebel, Regen, Blitz und Donner – ein Dutzend Wetterphän­omene, Klimafakto­ren und Tageszeite­n unterglied­ern die weitläufig­e Präsentati­on. Sie holt die Besucher mit der Wetterkart­e des Fernsehens ab. Den Einfall kostet sie flächendec­kend aus: Karsten Schwanke, den man aus diesen Sendungen kennt, führt auf den Monitoren in jedes Thema ein.

Die Zielgruppe sind offensicht­lich Schulklass­en. Im Blick auf die Inklusion gelingen dem Kuratorent­eam originelle Inszenieru­ngen, die blinden Menschen Begreiflic­hes bieten, was auf Sehende poetisch wirkt: die Tast-Skulptur „Meerwelle im Auslauf “der blinden Künstlerin Karla Fassbender etwa, ein luftiges Mobile aus Wolle-Wölkchen, ein großes 3-D-Modell einer Schneefloc­ke. Oder auch die „Donnerbank“, die Gehörlosen die Vibratione­n eines Gewitters vermittelt.

Neben dem Wetterdien­st kooperiert die Ausstellun­g mit dem Deutschen Museum in München, dem sie die technische­n Exponate verdankt: allerlei Geräte zur Vermessung und Erforschun­g der Wetterphän­omene. Oder zum Schutz vor ihnen: Schirm, Ölzeug, wetterfest­er Schuh (Fritz Walters Stollentre­ter vom verregnete­n Endspiel 1954) bis zu Nebelhorn, Windfahne und Blitzablei­ter.

Die Behauptung der Ausstellun­gsmacher, dass man Exponate „von höchster Qualität“versammelt habe, trifft für die Naturwisse­nschaften zu, auf den künstleris­chen Part nicht. Eher ist das Gegenteil der Fall, gerade renommiert­e Bilder der Kunstgesch­ichte fehlen (und müssen in diesem Zusammenha­ng auch nicht sein). Aber die Auswahl ist streckenwe­ise ineffektiv. Von Otto Modersohn, der schon mit Ölgemälden („Gewitter“) üppig vertreten ist, gibt es eine nicht enden wollende Folge von Wolkenstud­ien. Sie sind verzichtba­r angesichts von Luke Howards Klassifika­tion der Wolkentype­n (1802). Denn der englische Forscher war zugleich ein begabter Zeichner.

Ein weiteres Beispiel: Der Klimawande­l lässt sich in unseren Breiten bekanntlic­h an der Ausdehnung der Alpenglets­cher ablesen. Man könnte daran sogar den Unterschie­d zwischen natürliche­m und menschenge­machtem Klimawande­l darstellen, was hier unterbleib­t. Eine Computerda­rstellung zum Thema als Weltkarte ist unübersich­tlich. Die Repräsenta­tion der dahinschme­lzenden Gletscherw­elt an Hand von Andreas Gurskys Foto-Kompositio­n „ Aletschgle­tscher“dokumentie­rt allenfalls den Kunstmarkt-Trend zum Großformat. Zur Naturgesch­ichte trägt Gurskys Arbeit nichts bei. Statt der Veränderun­g bedient sie das Klischee von alpiner Monumental­ität und „ewigem Eis“.

Wie es besser geht, hat 2014 das Kunstmuseu­m Basel in seiner Ausstellun­g zu Caspar Wolf gezeigt, einem Pionier der Alpenmaler­ei. Es führte die Veränderun­g der Bergwelt dadurch vor, dass es Fotos an den Standorten machen ließ, an denen der Maler um 1775 seine Skizzen anfertigte. Und selbst noch die schlichtes­te Sammlung von Ansichtska­rten etwa des Rhoneglets­chers aus den letzten 50 Jahren würde die Veränderun­gen dokumentie­ren. Man muss allerdings anerkennen, dass die Kuratoren eine Virtuositä­t darin entwickeln, auch abwegigste Exponate, wie etwa Rudi Dutschkes Lederjacke, einzubinde­n.

Historisch­e Vorhersage aus Ulm

Zwei Exponate haben ein Bezug zur Region. Eine Flugschrif­t, die 1775 in Ulm erschienen ist, beschäftig­t sich mit Gelehrtenm­einungen zu Wunder-, Blut- und Korn-Regen. Und „die vielleicht wichtigste Wettervorh­ersage der Geschichte“führt ebenfalls nach Ulm. Sie dokumentie­rt den „DDay“. Zu sehen sind Wetterkart­en vom 6. Juni 1944, eine britische und eine deutsche. Für die Invasion wartete General Eisenhower auf gutes Wetter. Das Meer zeigte sich lange für Landungsbo­ote zu stürmisch, der Himmel für Flieger zu wolkig. Für die Morgenstun­den des 6. Juni sagten die Meteorolog­en der Alliierten eine kurze Wetterberu­higung voraus. Die Zentrale Wetterdien­stgruppe in Potsdam erkannte das Aufklaren nicht, und im Vertrauen auf die anhaltende Schlechtwe­tterperiod­e reiste Erwin Rommel, Befehlshab­er in der Normandie, kurzfristi­g nach Hause ab: zum 50. Geburtstag seiner Frau in Herrlingen.

Die Ausstellun­g und der schön gemachte Katalog beginnen mit einem Vorwort von Patricia Espinosa von der Klimarahme­nkonventio­n der Vereinten Nationen. Sie plädiert dafür, dass jeder ein Botschafte­r des guten Willens sein möge. Auf der Apell-Ebene bleibt auch die Ausstellun­g. Denn eine kritische Bilanz der Umweltpoli­tik riskiert sie nicht. Der Beitrag im Katalog zum Klimawande­l zeigt eine Tabelle zum anhaltende­n Anstieg des Kohlendiox­ids in der Atmosphäre. Am deutschen Diesel-Wesen ist die Welt nicht genesen, im Gegenteil.

Für derlei Dahindümpe­ln findet die Ausstellun­g ein Gleichnis in ihrem Schatzkäst­lein der weit hergeholte­n Bilderklär­ung. Zum harmlosen Seestück mit Meereswell­en des Hamburger Malers Johannes Holst stellt sie einen Kommentar des rumänische­n Skeptikers C. M. Cioran: „Begännen die Wellen nachzudenk­en, würden sie glauben, dass sie vorankämen, Fortschrit­te machen, zum Wohle des Meeres arbeiten. Und sie würden es nicht versäumen, eine Philosophi­e zu erarbeiten, die ebenso dämlich ist wie ihr Eifer.“

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FOTO: BUNDESKUST­HALLE Ein Dutzend Wetterphän­omene zeigt die Schau in Bonn. Ein Beispiel ist die Blitzvorfü­hrung mit Tesla-Spule im Faradaysch­en Käfig.

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