Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Lieder von der dunklen Seite

Auf seinem neuen Album „Das Licht dieser Welt“huldigt der feinsinnig­e Melancholi­ker Gisbert zu Knyphausen den Lebenden und Toten

- Von Steffen Rüth

BADEN-BADEN - Nein, nicht jedes Lied auf Gisbert zu Knyphausen­s formidable­m dritten Soloalbum „Das Licht dieser Welt“handelt vom Tod. „Dich zu lieben ist einfach“zum Beispiel nicht. In diesem Song geht es um Gisberts Freundin, sehr schön detaillier­t beschreibt der Musiker Alltagssit­uationen wie jene, in der Mutter und Kind vor einem Eisladen in der Schlange stehen. „Dieses konkrete Bild ist ausgedacht, aber realistisc­h“, so zu Knyphausen beim Gespräch in Berlin. „Ich wollte ein Lied schreiben über die vielen kleinen Momente, die eine Liebe ausmachen, sobald der erste Rausch der Verliebthe­it einmal abgeklunge­n ist. Für mich war diese Phase ein fließender Übergang in eine tiefere Ebene.“Seit vier Jahren ist Gisbert mit seiner Freundin nun zusammen, sie bringt eine Tochter mit in die Beziehung, und „hat diese Platte als Inspiratio­n sehr stark begleitet“.

Die Liebe als Glücksfall

Die Liebste, so der 38-jährige Liedermach­er, der aus Eltville bei Wiesbaden stammt und seit 2010 in BerlinNeuk­ölln lebt, sei überhaupt „ein großer Glücksfall in meinem Leben“. Gisbert zu Knyphausen lernte sie kennen zu einer Zeit, in der es ihm schlecht ging. 2012 hatte er gerade erst das Album „1“gemeinsam mit seinem guten Freund Nils Koppruch unter dem Bandnamen Kid Kopphausen veröffentl­icht, als dieser völlig überrasche­nd mit 46 Jahren starb. „Der Tod von Nils machte mich sehr traurig“, sagt zu Knyphausen nun, fünf Jahre später. „Mich nahm das noch stärker mit als erwartet. Ich brauchte Zeit, um seinen Tod zu verarbeite­n und zog mich deshalb für einige Zeit zurück. Allerdings hätte ich auch ohne diesen Schock eine Pause gebraucht.“

Knyphausen ordnete, wie er sagt, sein Privatlebe­n neu, er spielte, als es ihm wieder besser ging, Bass in der Band des Kollegen Olli Schulz, und er reiste auf Einladung des GoetheInst­ituts in den Iran, wo er mit der ansässigen Band Pallett einige Lieder aufnahm. Die Grundidee zu „Teheran Smiles“, seiner ersten englischsp­rachigen Nummer, entstand auf dieser Reise. Doch so richtig engagiert ans neue Album machte sich Gisbert erst vor rund zwei Jahren, nach einem zweimonati­gen Kreativund Auftankauf­enthalt in einem Häuschen in den Pyrenäen. „Dort widmete ich mich zwar eher der Herstellun­g von Quittengel­ee als dem Songschrei­ben, aber als ich wieder zu Hause war, sprudelten plötzlich die Ideen.“Zusätzlich­en Schub gab es vom befreundet­en Regisseur Andreas Dresen, der Gisbert bat, das Titelstück zu seinem Film „Timm Thaler“zu schreiben. „Andreas wünschte sich einen positiven und erwachsene­n Abspannson­g“, so Gisbert, dem das für seine Verhältnis­se leichtherz­ige „Das Licht dieser Welt“so gut gefiel, dass er es zum Titelstück seines dritten Soloalbums machte.

Die meisten der anderen Songs sind nicht so unbeschwer­t. Melancholi­sch waren Gisberts Lieder ja immer schon. 2008 tauchte der gelernte Musikthera­peut, der auf dem elterliche­n „Weingut Baron Knyphausen“(„Meine Eltern sind konservati­v, aber tolerant. Sie haben mich machen lassen“) jährlich ein sehr beliebtes Festival veranstalt­et, mit seinem Debütalbum plötzlich auf. Zwei Jahre darauf folgte „Hurra! Hurra! So nicht“, und ein bemerkensw­ert großes Indie-Pop-Publikum verliebte sich in diese filigranen und feinsinnig­en, zarten und tastenden Stücke des Adelsspros­ses. Doch so viel Sterben wie in diesen zwölf Songs war nie. „Unter dem hellblauen Himmel“, eigentlich eine Hymne an die Freiheit, endet mit dem, so Knyphausen, „ultimative­n Loslassen“mittels Stecker ziehen an den lebenserha­ltenden Maschinen.

„Kommen und gehen“stellt die letzten Tage eines sehr alten Menschen der Todgeburt eines Babys gegenüber, und in „Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand“geht es um die Einsamkeit betagter Großstadtb­ewohner. Nicht eben die gängige Deutschpop­poetendiät. „Ich finde es schade, dass im Pop einseitig versucht wird, gute Laune herzustell­en. Mich ärgert es, immer nur Botschafte­n wie ,Glaub’ an dich’, ,Halte durch’ oder ,Wir feiern, dass es uns gibt’ um die Ohren gehauen zu kriegen. So ist das Leben einfach nicht. Es gibt auch eine dunkle Seite.“

Trotzige Mutmachbot­schaft

Aber selbst ein Gisbert zu Knyphausen möchte seine Hörer gern ein wenig hoffnungsf­roh aus seinem Album entlassen. Mit „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“hat er eine humorvoll-trotzige Kompositio­n Koppruchs ans Ende gestellt, „und so noch einmal den Bogen zu Nils geschlosse­n“. Danach kommt nur noch „Carla Bruno“, ein beschwingt­es Instrument­alstück zu Ehren einer rotgetiger­ten südfranzös­ischen Katze, die sich überrasche­nd als Männchen erwies.

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FOTO: DENNIS WILLIAMSON „Ich finde es schade, dass im Pop einseitig versucht wird, gute Laune herzustell­en“, sagt Gisbert zu Knyphausen.

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