Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Lieder von der dunklen Seite
Auf seinem neuen Album „Das Licht dieser Welt“huldigt der feinsinnige Melancholiker Gisbert zu Knyphausen den Lebenden und Toten
BADEN-BADEN - Nein, nicht jedes Lied auf Gisbert zu Knyphausens formidablem dritten Soloalbum „Das Licht dieser Welt“handelt vom Tod. „Dich zu lieben ist einfach“zum Beispiel nicht. In diesem Song geht es um Gisberts Freundin, sehr schön detailliert beschreibt der Musiker Alltagssituationen wie jene, in der Mutter und Kind vor einem Eisladen in der Schlange stehen. „Dieses konkrete Bild ist ausgedacht, aber realistisch“, so zu Knyphausen beim Gespräch in Berlin. „Ich wollte ein Lied schreiben über die vielen kleinen Momente, die eine Liebe ausmachen, sobald der erste Rausch der Verliebtheit einmal abgeklungen ist. Für mich war diese Phase ein fließender Übergang in eine tiefere Ebene.“Seit vier Jahren ist Gisbert mit seiner Freundin nun zusammen, sie bringt eine Tochter mit in die Beziehung, und „hat diese Platte als Inspiration sehr stark begleitet“.
Die Liebe als Glücksfall
Die Liebste, so der 38-jährige Liedermacher, der aus Eltville bei Wiesbaden stammt und seit 2010 in BerlinNeukölln lebt, sei überhaupt „ein großer Glücksfall in meinem Leben“. Gisbert zu Knyphausen lernte sie kennen zu einer Zeit, in der es ihm schlecht ging. 2012 hatte er gerade erst das Album „1“gemeinsam mit seinem guten Freund Nils Koppruch unter dem Bandnamen Kid Kopphausen veröffentlicht, als dieser völlig überraschend mit 46 Jahren starb. „Der Tod von Nils machte mich sehr traurig“, sagt zu Knyphausen nun, fünf Jahre später. „Mich nahm das noch stärker mit als erwartet. Ich brauchte Zeit, um seinen Tod zu verarbeiten und zog mich deshalb für einige Zeit zurück. Allerdings hätte ich auch ohne diesen Schock eine Pause gebraucht.“
Knyphausen ordnete, wie er sagt, sein Privatleben neu, er spielte, als es ihm wieder besser ging, Bass in der Band des Kollegen Olli Schulz, und er reiste auf Einladung des GoetheInstituts in den Iran, wo er mit der ansässigen Band Pallett einige Lieder aufnahm. Die Grundidee zu „Teheran Smiles“, seiner ersten englischsprachigen Nummer, entstand auf dieser Reise. Doch so richtig engagiert ans neue Album machte sich Gisbert erst vor rund zwei Jahren, nach einem zweimonatigen Kreativund Auftankaufenthalt in einem Häuschen in den Pyrenäen. „Dort widmete ich mich zwar eher der Herstellung von Quittengelee als dem Songschreiben, aber als ich wieder zu Hause war, sprudelten plötzlich die Ideen.“Zusätzlichen Schub gab es vom befreundeten Regisseur Andreas Dresen, der Gisbert bat, das Titelstück zu seinem Film „Timm Thaler“zu schreiben. „Andreas wünschte sich einen positiven und erwachsenen Abspannsong“, so Gisbert, dem das für seine Verhältnisse leichtherzige „Das Licht dieser Welt“so gut gefiel, dass er es zum Titelstück seines dritten Soloalbums machte.
Die meisten der anderen Songs sind nicht so unbeschwert. Melancholisch waren Gisberts Lieder ja immer schon. 2008 tauchte der gelernte Musiktherapeut, der auf dem elterlichen „Weingut Baron Knyphausen“(„Meine Eltern sind konservativ, aber tolerant. Sie haben mich machen lassen“) jährlich ein sehr beliebtes Festival veranstaltet, mit seinem Debütalbum plötzlich auf. Zwei Jahre darauf folgte „Hurra! Hurra! So nicht“, und ein bemerkenswert großes Indie-Pop-Publikum verliebte sich in diese filigranen und feinsinnigen, zarten und tastenden Stücke des Adelssprosses. Doch so viel Sterben wie in diesen zwölf Songs war nie. „Unter dem hellblauen Himmel“, eigentlich eine Hymne an die Freiheit, endet mit dem, so Knyphausen, „ultimativen Loslassen“mittels Stecker ziehen an den lebenserhaltenden Maschinen.
„Kommen und gehen“stellt die letzten Tage eines sehr alten Menschen der Todgeburt eines Babys gegenüber, und in „Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand“geht es um die Einsamkeit betagter Großstadtbewohner. Nicht eben die gängige Deutschpoppoetendiät. „Ich finde es schade, dass im Pop einseitig versucht wird, gute Laune herzustellen. Mich ärgert es, immer nur Botschaften wie ,Glaub’ an dich’, ,Halte durch’ oder ,Wir feiern, dass es uns gibt’ um die Ohren gehauen zu kriegen. So ist das Leben einfach nicht. Es gibt auch eine dunkle Seite.“
Trotzige Mutmachbotschaft
Aber selbst ein Gisbert zu Knyphausen möchte seine Hörer gern ein wenig hoffnungsfroh aus seinem Album entlassen. Mit „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“hat er eine humorvoll-trotzige Komposition Koppruchs ans Ende gestellt, „und so noch einmal den Bogen zu Nils geschlossen“. Danach kommt nur noch „Carla Bruno“, ein beschwingtes Instrumentalstück zu Ehren einer rotgetigerten südfranzösischen Katze, die sich überraschend als Männchen erwies.