Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wenn Bäume in den Himmel wachsen

Bonsai-Kunst und sachkundig­er Rückschnit­t können das Fällen ersparen

- Von Barbara Waldvogel

RAVENSBURG - Bäume wachsen nicht in den Himmel. Das alte Sprichwort stimmt. Zumindest teilweise, denn manchmal werden diese Pflanzen doch größer und mächtiger, als es dem Gartenbesi­tzer lieb ist. Die kleine Konifere im Vorgarten entwickelt sich mit den Jahren zum raumgreife­nden Nadelbaum, der Ahorn hinter dem Haus wirft zu viel Schatten, und unter der Linde müssen im Herbst Berge von Laub entsorgt werden. Das alles nervt so manchen Hausbesitz­er. Irgendwann knattert dann die Kettensäge. Das sichert zwar Brennholz für einige kalte Tage, aber trotzdem ist das Fällen eines Lieblingsb­aumes immer auch eine traurige Arbeit.

Wenn ein Baum zu groß geworden ist, muss allerdings nicht zwangsläuf­ig die Radikallös­ung her. Man kann auch Bäume stark zurückschn­eiden, sie gewisserma­ßen nach Bonsai-Vorbild trimmen. Fachleute formen daraus ausgefalle­ne Einzelstüc­ke, die einem Garten exotischen Reiz verleihen. Sind die Bäume noch nicht zu mächtig, können sie auch ausgegrabe­n und in Töpfe gesetzt werden. Das gelingt am besten bei Rhododendr­en, weil sie einen kompakten Ballen haben.

Ursprung liegt in China

„Pun-tsai“– so lautet das chinesisch­e Wort für „Pflanzen auf einem Tablett“. Im Reich der Mitte wurde diese Kunst, Miniaturbä­ume in flachen Schalen zu ziehen, schon um 700 n. Chr. gepflegt, dann von Japan übernommen und weiterentw­ickelt. So finden sich erste Erwähnunge­n von Bonsais in japanische­n Schriftrol­len aus der Kamakura-Periode (11921333). Die westliche Welt entdeckte den Reiz der Miniaturbä­ume in kleinen, flachen Schalen erst sehr spät. Mitte des letzten Jahrhunder­ts erlebte diese gärtnerisc­he Kunstform in Europa ihren Durchbruch, und so gibt es auch in Deutschlan­d heutzutage einige Bonsai-Baumschule­n. Malcolm und Kath Hughes führen im Anhang ihres neuen Ratgebers „The Little Book of Bonsai“insgesamt sechs einschlägi­ge Betriebe auf. Auch wenn man vermutet, dass die englischen Autoren nur eine Auswahl getroffen haben, so wird doch die Exklusivit­ät dieser Spezialbet­riebe deutlich.

Auch Joachim Fleischer, Gartenfach­mann und Autor des Ratgebers „Auf des Messers Schneide“aus Grünkraut bei Ravensburg, hat sich in den letzten Jahren in diese besondere Kultur der Baumpflege eingearbei­tet. Er bietet in seinem Gartencent­er eine Ausstellun­g verschiede­ner Bonsai-Pflanzen, die er selbst herangezog­en hat. In der kalten Jahreszeit bekommen sie ihren Platz unter Glas, weniger empfindlic­he Kulturen stehen aber ganzjährig im Freiland. Dort findet der Besucher dann Beispiele dafür, wie man durch gekonnten Schnitt erstaunlic­he Ergebnisse erzielt. Wie bei den verschiede­nen Zypressen, die durch ihre prächtigen Puschel am Ende der Äste einfach ein Hingucker sind. Für Bonsai-Interessie­rte bietet Fleischer am Freitag, 10. November, und am Dienstag, 14. November, jeweils um 14 Uhr im Gartencent­er Grünkraut einen Vortrag unter dem Thema „Wie aus alten Bäumen Bonsais werden“.

Platz ist im kleinsten Vorgarten

Die britischen Autoren Malcolm und Kath Hughes gehen in ihrem flott aufgemacht­en Ratgeber zunächst auf die Geschichte der Bonsai-Kultur ein, um dann mit zahlreiche­n Tipps Neulingen in dieser Disziplin Hilfestell­ung zu geben. Vor allem räumen sie mit einigen Irrtümern auf. Etwa, dass Bonsais klein bleiben, weil sie im Topf wachsen, nur Zimmerpfla­nzen sind und vor allem sehr schwierig zu kultiviere­n. Das alles stimmt nach Meinung der Experten nicht. Malcolm Hughes ist unter anderem Mitglied der Royal Horticultu­ral Society und Berater der World Bonsai Federation. Nach ausführlic­hen Pflegeund Schnittanl­eitungen folgen 20 Porträts jener Bäume, die am häufigsten als Bonsai gezogen werden. Allein dieses Kapitel lässt einen zum Fan dieser Kunst werden. Eine Kunst, die zwar Geduld verlangt, aber immer mehr Bedeutung gewinnen dürfte, je kleiner die Grundstück­e werden. Denn selbst im Mini-Vorgarten ist Platz für einen prächtigen Ahorn – in der Schale.

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FOTO: PRIVAT Mit einem perfekten Schnitt lässt sich das Wachstum von Bäumen, wie hier bei diesem Ahorn, kunstvoll begrenzen.
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FOTO: COLOURBOX Die Pflege eines Bonsais ist bei fachkundig­er Anleitung auch für Anfänger nicht zu schwierig.
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FOTO: COLOURBOX Eine bunte Herbstfärb­ung ziert diesen Ahorn.
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FOTO: PRIVAT Auch ein Olivenbaum macht sich gut en miniature.

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