Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bewährung für Diesel-Dealer
Ein Lastwagenfahrer hat mit Tankkarten seines Arbeitgebers im großen Stil Kraftstoff eingekauft – und zum Schnäppchenpreis weiterverkauft
ULM - Mit mehreren Tankkarten seiner Firma hat ein 33-jähriger Lastwagenfahrer das Geschäft seines Lebens gemacht. Er füllte mehrfach an zwei Tankstellen über sechs Monate hinweg jeweils bis zu 2000 Liter Dieselkraftstoff ab und verkaufte ihn zum Schnäppchenpreis auf einem illegalen Umschlagplatz im Neu-Ulmer Industriegebiet – bevorzugt an Bulgaren und Rumänen. Der Schwindel flog auf, als sein Chef merkte, dass sich die Tankrechnungen bis zu 8000 Euro pro Monat erhöht hatten.
Jetzt musste sich der fristlos gekündigte Mitarbeiter wegen zigfachen gewerbsmäßigen Betrugs vor dem Ulmer Schöffengericht verantworten – und kam mit einem blauen Auge davon: Dem Vater von zwei Töchtern bleibt der Gang ins Gefängnis erspart. Zwei Jahre auf Bewährung ermöglichen ihm, seine Ausbildung als technischer Zeichner zu vollenden.
Die ganze Geschichte begann mit einem kleinen Streit mit dem Chef und endete mit einem großen Coup, der dem Angeklagten und seiner Familie für einige Zeit einen besseren Lebensstil ermöglichte. Der Anlass des Streits war, dass seinem Transporter auf der Fahrt aus dem Allgäu nach Ulm unterwegs der Sprit auszugehen drohte und er für 50 Euro an einer Raststätte tanken musste. Laut Chefanweisung mussten die 15 Fahrzeuge der Firma jedoch an zwei Ulmer Tankstellen mit speziellen Karten betankt werden. Da er offensichtlich zu schnell gefahren war, ging der Kraftstoff zur Neige.
Nach eigener Aussage habe er keine Auszahlung für den Tankbeleg bekommen. Der Chef habe ihn vielmehr runtergeputzt, was dieser später im Zeugenstand bestritt. So kam der Fahrer auf die Idee, sich den Tankbetrag in Form von Sprit zurückzuholen und machte mit der speziellen Firmenkarte den Tank seines Privatwagens voll. Als der Betrug unbemerkt blieb, kam er auf die Idee, die ihn für kurze Zeit solventer machte – und für die er jetzt jahrelang mit monatlichen Ratenrückzahlungen büßen muss.
Warum nicht den Dieselkraftstoff in größeren Mengen abzapfen und ihn auf dem Schwarzmarkt verkaufen? Der 33-Jährige sondierte im Neu-Ulmer Industriegebiet die „Szene“mit eventuellen Abnehmern und fand sie auf Anhieb. Vor allem ein Bulgare war an einem großen Geschäft auf Dauer interessiert, zumal der Liter Diesel für 70 Cent angeboten wurde.
Barzahlung nach Übernahme des Kraftstoffs
So organisierte der Angeklagte größere Tanks, besorgte sich einen Gabelstapler und einen Transporter. Mit dem fuhr er immer wieder zu den beiden Firmentankstellen in der Blaubeurer Straße und Dornstadt und befüllte die Tanks.Das Gut fuhr er dann nach Neu-Ulm, wo die Abnehmer schon warteten, bar zahlten und die Ware übernahmen.
Als ein gebürtiger Kasache in das Geschäft einstieg, lag die Größenordnung bei mehreren tausend Litern Dieselkraftstoff pro Tankstelle. Da konnte der Lkw-Fahrer der Mutter seiner beiden Kinder den ersehnten Zweitwagen kaufen. Doch alles hat ein Mal ein Ende: Als der Ulmer und sein neuer „Partner“wieder mal auf Tour waren, griff die Polizei zu, die das Duo schon länger im Visier hatte.
Jetzt saßen die beiden Dieselbetrüger vor Gericht, 145 Anklagepunkte musste der Staatsanwalt verlesen. Der Schaden wurde zunächst auf 87 000 Euro beziffert. Die Höhe lehnte an einer Aufstellung an, die der geschädigte Firmenchef bei einem dem Strafprozess vorausgegangen Zivilgerichtsvergleich geltend gemacht hatte. Da einigte man sich auf eine Rückzahlung von 50 000 Euro in monatlichen Raten von 200 Euro. Da nur eine Rate bezahlt wurde, will der Gerichtsvollzieher jetzt den gesamten Betrag einziehen.
Die Verschlankung des Prozesses stand von Anfang an im Vordergrund, um eine Ausdehnung der Verhandlungstage mit entsprechenden Kosten zu verhindern. In diesem Sinne schrumpfte die Anklage auf mehr als die Hälfte – genau auf die Fälle, die der Hauptangeklagte zweifelsfrei gestanden hatte. Auch sein Mittäter bestätigte vor Gericht fünf Beteiligungen und entschuldigte sich genauso wie sein Komplize vor Gericht bei dem Firmenchef, der jetzt auf eine zuverlässigere Schadenswiedergutmachung hoffen kann, weil sie nunmehr zur Bewährungsauflage gehört.