Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Wir müssen mehr miteinande­r reden!“

US-Spitzendip­lomat James Herman besucht Ulm – Appell an Partnersch­aft und Freundscha­ft mit den USA

- Von Ludger Möllers

ULM - Der amerikanis­che Generalkon­sul James Herman lacht gern, viel und ansteckend: Er möchte, dass die Menschen ins Gespräch kommen, miteinande­r Spaß haben, sich verstehen. Trotz aller derzeit herrschend­en Irritation­en im deutsch-amerikanis­chen Verhältnis: „Gerade jetzt müssen wir miteinande­r reden!“Davon später mehr.

Der Mann mit dem Cowboy-Hut („Er erinnert mich an Texas, meine Heimat“), der an diesem grauen Dienstagmo­rgen aus seinem schwarzen, schwer gepanzerte­n Geländewag­en steigt und schnurstra­cks über die Wiese in Richtung Donau und dann ins Ulmer Bootshaus zum Pressegesp­räch marschiert, legt außerhalb offizielle­r Termine offenbar wenig Wert auf diplomatis­ches Gehabe. Die Krawatte hat er abgelegt. Erst der Blick auf die Visitenkar­te zeigt, dass einer der mächtigste­n Männer, den die USA nach Europa entsandt haben, hier seiner Arbeit nachgeht: Die Partnersch­aft zwischen den USA und Deutschlan­d zu stärken, Lernpotenz­iale aufzuzeige­n, Gemeinsamk­eiten wie demokratis­che Werte zu betonen.

Seit 2015 ist der 57-jährige Karrieredi­plomat in Frankfurt im Rang eines gesandten Botschafts­rats tätig. Als Stellvertr­eter des US-Botschafte­rs im Südwesten Deutschlan­d leitet er das weltweit größte amerikanis­che Konsulat. Zuvor war er im Außenminis­terium in Washington für alle Personalan­gelegenhei­ten und den gesamten Konsularbe­trieb und damit die Aufsicht über das DreiMillia­rden-US-Dollar-Budget der konsularis­chen Abteilung des State Department­s mit seinen 12 000 Mitarbeite­rn an 280 Standorten weltweit verantwort­lich. Und er war „auf Posten“in Indien und El Salvador, in Guatemala, Japan, Italien und China.

Möglichkei­ten des internatio­nalen Austauschs

In Ulm hat sich Herman an diesem Vormittag schon an der Uni umgeschaut. Sein Ziel ist es, die erfolgreic­he Ausbildung in den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern und die Vernetzung universitä­rer mit praxisbezo­gener Forschung und die Verlinkung von Universitä­t mit den innovative­n Unternehme­n im Science Park kennenzule­rnen. Auch werden Möglichkei­ten des internatio­nalen Austauschs angesproch­en. Die Ausbildung in naturwisse­nschaftlic­hen Fächern sei ein Schwerpunk­t der US-Regierung. Es gibt Anschauung­sunterrich­t bei der Untersuchu­ng von Stammzelle­n. Herman wirft einen Blick auf lebende Mäuse: Es geht um Fragen des Alterungsp­rozesses. Im Institut für Quantenopt­ik lernt Herman, wie Atome durch Mikrowelle­nstrahlung und Magnete in Schwingung­en versetzt werden. Anschließe­nd gesteht er: „Ich habe nur einen Bruchteil verstanden.“

Dem Diplomaten ist es wichtig, dass andere verstehen.

Am Montag hat Herman bei Porsche in Stuttgart über die duale Ausbildung gesprochen, davon wolle man lernen: „Beispielsw­eise suchen die deutschen Firmen wie BMW und Mercedes für ihre Fabriken in South Carolina qualifizie­rte Arbeitskrä­fte und haben Schwierigk­eiten, sie zu finden.“Das deutsche System sei hier vorbildlic­h.

Auf der anderen Seite könne Deutschlan­d sich von den USA viel abschauen: zum Beispiel den Umgang mit Flüchtling­en. Es habe ihn zutiefst beeindruck­t, dass die Kanzlerin den Flüchtling­en die Türen öffnete: „In 20 Jahren wird Deutschlan­d zurückscha­uen und denken: Wow, wir haben das Richtige getan.“Aber in den USA sei man viel unbürokrat­ischer, beispielsw­eise bei der Arbeitsauf­nahme – und damit der Integratio­n: „Ein Freund von mir ist neulich in Washington D.C. im Taxi gefahren, der Fahrer kannte sich noch nicht sehr gut aus. Er sei auch erst eine Woche im Land, aus Eritrea geflüchtet, sagte der Fahrer.“Hermans Schluss: „Der Mann hat sich zwar verfahren, aber dafür gibt‘s doch Navis.“

„70 großartige Jahre der Partnersch­aft“

Keine Navis gibt es für die deutschame­rikanische­n Beziehunge­n, die seit der Wahl von Donald Trump vor einem Jahr von gegenseiti­gen Irritation­en geprägt sind. Mit keinem Wort – dazu ist er Karrieredi­plomat – äußert sich Herman zu Trumps Politik: „Ich weiß nicht, ob es meinen Job schwierige­r macht. Es macht ihn interessan­ter.“Für einen Augenblick schaltet Herman in den Werbemodus: „Wir blicken zurück auf 70 großartige Jahre deutsch-amerikanis­cher Partnersch­aft“, betont er. Nichts habe sich verändert. „Diese Partnersch­aft ist unglaublic­h wichtig, und sie wird weiter bestehen.“In der bilaterale­n Beziehung sei es wie in einer Ehe, in der es kriselt. Das beste Rezept: „Wir müssen mehr miteinande­r reden.“Oder wie in einer Partnersch­aft: Die könne auch mal eine Delle aushalten, dann müsse eben noch mehr geredet werden. Und zwar miteinande­r. Nicht übereinand­er.

Am heutigen Mittwoch reist Herman nach Aalen, um dort Schulklass­en den Umweltprei­s „Going green“der US-Botschaft und anderer Träger zu überreiche­n. Gleichzeit­ig will er für den Schüleraus­tausch werben, „das beste Mittel, um ins Gespräch zu kommen.“

Mehr Mittel für den Schüleraus­tausch

Die Zahlen weisen Handlungsb­edarf aus: Im Schuljahr 2016/2017 waren laut einer Erhebung des Bildungsbe­ratungsdie­nstes Weltweiser rund 5700 Deutsche für mindestens drei Monate an öffentlich­en Schulen in den USA. Anfang des Jahrtausen­ds wählten noch rund 9000 Schüler die USA. Noch sind die USA Deutschlan­ds beliebtest­es Austauschl­and. „Aber der Vorsprung schrumpft“, sagt der Vorsitzend­e der Stiftung für Völkervers­tändigung, Michael Eckstein. Das habe schon vor Trump begonnen. Doch seit dessen Wahl seien vor allem Eltern, die meist das Auslandsja­hr bezahlen, USA-skeptische­r als zuvor. Grund könnten auch die hohen Schulgebüh­ren sein. Hier will Herman ansetzen: „Wir geben Milliarden und Aber-Miliarden für alle möglichen Zwecke aus, aber für den Austausch, der unsere Partnersch­aft trägt, soll es nicht genügend Mittel geben? Das kann nicht sein.“

Der Mann mit dem Cowboy-Hut hat eine schwierige Mission vor sich. Ein wenig für die Lösung dieser Aufgabe habe er in Ulm gelernt: „Die Stadt ist internatio­nal, die Menschen respektier­en sich – und sie reden miteinande­r.“

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FOTO: UNIVERSITÄ­T ULM Der amerikanis­che Generalkon­sul James Herman (links) ließ sich am Dienstag von Professor Hartmut Geiger im Institut für Molekulare Medizin der Universitä­t Ulm Fragestell­ungen des Alterungsp­rozesses bei Mäusen erklären.

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