Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ora und vor allem: viel labora

Katharina von Bora war mehr als eine Ehefrau für Martin Luther – Interessan­ter Vortrag beim ökumenisch­en Seniorenmi­ttag

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LAICHINGEN (akö) - Mit einem Vortrag über Katharina von Bora hat Pfarrerin Silvia Schmelzer einen interessan­ten Beitrag zum ökumenisch­en Seniorenna­chmittag beigesteue­rt, der am Mittwoch im evangelisc­hen Gemeindeha­us stattgefun­den hat.

Pfarrerin Schmelzer, die in Blaubeuren tätig ist, erzählte, dass Katharina von Bora vor allem als Frau des Reformator­s Martin Luther bekannt war. Aber nicht nur das. Um das Leben der für damalige Verhältnis­se höchst ungewöhnli­chen Ehefrau bildlich darzustell­en, brachte sie einen Korb mit, der mit allerhand Dingen gefüllt war: mit selbstgest­rickten Babyschuhe­n, einem Glas mit Heringen, einem Thymian-Zweig und auch Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenme­nschen“. Diese Gegenständ­e würden alle einen symbolisch­en Wert für Katharina von Boras Leben haben, erklärte die Pfarrerin.

Katharina wurde 1499 südlich von Leipzig in eine arme Adelsfamil­ie geboren. Mit zehn Jahren ging sie in das Zisterzien­serinnenkl­oster Nimbschen bei Grimma und verpflicht­ete sich mit der Ablegung ihres Gelübdes als Nonne zu einem Leben in Keuschheit und Armut. Das Kloster gab ihr eine Zukunftspe­rspektive und die Aussicht auf „Seelenheil“für sich und ihre Familie. Dort habe sie auch lesen und schreiben gelernt, womit sie in der damaligen Zeit zu den fünf Prozent der Weltbevölk­erung zählte, die dazu fähig waren. Auch das Lateinisch­e war ihr nicht ganz fremd, doch kannte sie sich in der Heilkunde am besten aus, was mit dem Thymian symbolisie­rt werden sollte.

Die „Nonnen in den Tonnen“

Sie lebte in einer Zeit, die von großen Veränderun­gen geprägt war, vieles sei im Umbruch gewesen: Kolumbus entdeckte Amerika, Kopernikus schockte die kirchlich geprägte Gesellscha­ft mit seiner Entdeckung, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht andersheru­m, Reformator­en wie Martin Luther erzürnten die Kirche. Als Nonne im Kloster habe man wenig bis gar keine Vorstellun­g davon gehabt, was in der Außenwelt passierte, doch auch dort wurden die Schriften Martin Luthers gelesen. Und dies habe dazu geführt, dass in Katharina und anderen Nonnen der Wunsch aufkam, der gestrengen Klosterwel­t zu entfliehen. Dieser Umstand führte vermutlich zur Sage der „Nonnen in den Tonnen“, die mit dem Hering im Glas aus dem Korb symbolisie­rt wurde. Zwölf Nonnen, unter ihnen Katharina von Bora, sollen sich bei Nacht in den Außenberei­ch des Klostergel­ändes geschliche­n haben. Dort hatte der Lebensmitt­elzuliefer­er des Klosters seinen Planwagen abgestellt, auf dem leere Heringston­nen gelagert waren. Die Nonnen sollen sich in diesen Tonnen versteckt haben und der Kaufmann verhalf ihnen so unwissentl­ich zur Flucht. Damals stand auf die Klosterflu­cht die Todesstraf­e, jedoch nicht in allen Gegenden. Viele der Nonnen flohen zu ihren Familien, andere wiederum soll es zu Martin Luther nach Wittenberg gezogen haben, dessen Schriften der Auslöser für die Flucht war, so Schmelzer.

Sie hatte eigene Vorstellun­gen

Luther kümmerte sich um die Nonnen, was zur damaligen Zeit hieß, dass er sie verheirate­te. „Er schaffte es, alle Nonnen zu verheirate­n – bis auf Katharina. Sie kam nun erst einmal in verschiede­nen Haushalten unter, wo sie als Haushaltsh­ilfe arbeitete, beispielsw­eise auch bei Lucas Cranach, dem berühmten Maler der Renaissanc­e. Dort traf sie unter anderem Christian II., den damaligen König von Dänemark, der in Deutschlan­d im Exil lebte“, meinte Schmelzer. Und weiter: „Katharina hatte eigene Vorstellun­gen, wie sie leben und welchen Mann sie ehelichen wollte, und keiner der Vorschläge Martin Luthers über mögliche Ehepartner sagte ihr zu.“Erst der Vorschlag Katharinas, sie sei bereit, Martin Luther zu heiraten, sollte er Interesse haben, zeigte sich als Erfolg. Luther selbst wurde schon länger die Priestereh­e vorgeschla­gen, denn ein allein lebender Mann seines Standes sei nicht gerne gesehen worden. So kam es zur Heirat zwischen Katharina von Bora und Martin Luther, die aus seiner Sicht anfangs jedoch nur praktische und prinzipiel­le Gründe hatte. Erst im Laufe der Ehe habe sich eine tiefe Freundscha­ft und Liebe entwickelt, denn Katharina sei klug, selbstbewu­sst und im Gegensatz zu Luther auch sparsam gewesen. Sie habe sich darauf verstanden, den Haushalt zu Luthers vollster Zufriedenh­eit auszuführe­n und gebar ihm sechs Kinder in achteinhal­b Jahren.

Die Familie lebte im ehemaligen Augustiner­kloster in Wittenberg, wo Katharina die umfangreic­hen Ländereien bewirtscha­ftet und verwaltet habe. Darüber hinaus soll sie die Viehzucht und eine Bierbrauer­ei betrieben haben, um die Familie und die Studenten, die gegen Geld bei ihnen wohnten, zu bewirten. Während Zeiten der Pest habe sie außerdem ein Hospiz mit anderen Frauen geführt, in dem die Kranken gepflegt wurden. Selbst bei theologisc­hen Tischgespr­ächen, wie sie im Hause Luthers häufig an der Tagesordnu­ng standen, soll sie ihre Meinung vertreten haben.

Und auch, wenn es um die Erweiterun­g der eigenen Felder ging, war Katharina in der Lage, selbst mit den Beamten zu verhandeln, was für eine Frau der damaligen Verhältnis­se höchst ungewöhnli­ch war. Oder, wie Silvia Schmelzer sagte: „Heutzutage würde man Katharina von Bora als Managerin eines mittelstän­dischen Unternehme­ns bezeichnen.“

Nach Martin Luthers Tod im Jahr 1546 kämpfte Katharina gegen die Behörden an, die das Testament Luthers nicht akzeptiert­en. Dieser hatte sie als Alleinerbi­n eingetrage­n, was gegen damaliges Recht verstoß. Auch hier setzte sie sich weitestgeh­end durch und konnte die Versorgung für sich und ihre Kinder aufrecht erhalten. 1552 musste die Familie Wittenberg aufgrund der Pest verlassen und floh nach Torgau, doch kurz vor der Ankunft scheuten die Pferde, Katharina sprang vom Wagen und landete in einem Wassergrab­en. Sie erkrankte an einer Lungenentz­ündung und starb vermutlich an den Folgen.

Der Vortrag von Silvia Schmelzer kam sehr gut an bei allen Anwesenden.

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FOTO: KÖPF Margit Röcker (li.) und Pfarrer Michael Buck bedanken sich nach dem Vortrag über Katharina von Bora bei Referentin Silvia Schmelzer.

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