Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Leid in den Familien ist unvorstell­bar

Die Laichinger Alb im Ersten Weltkrieg, Folge 14

- Von Heinz Surek

LAICHINGEN - Nein, von einem „goldenen Oktober“kann nicht die Rede sein, auf der Laichinger Alb vor 100 Jahren. Bereits am 7. Oktober gibt es den ersten Schneefall und den ganzen Monat hält das nasskalte Sudelwette­r an. Glückliche­rweise ist diesmal die Ernte besser ausgefalle­n als im vergangene­n Jahr, sodass man nicht schon wieder mit einem „Kohlrübenw­inter“rechnen muss.

Somit ist man auch bereit, die siebte Kriegsanle­ihe zu zeichnen, die in Laichingen immerhin 189 376 Reichsmark erbringt, 3636 Mark tragen die Schüler der Real- und der Volksschul­e bei. Das Reformatio­nsfest am 31. Oktober indessen wird ruhiger begangen. Verbunden ist das 400-jährige Jubiläum von Luthers Thesenverö­ffentlichu­ng mit einem Aufruf zur Spende für den „Reformatio­nsdank“, die im Pfarrhaus und im Kaufhaus Palm in der Schulstraß­e abgegeben werden kann.

Derweil wird an den Fronten in Frankreich, Flandern, Russland, Mazedonien und anderswo weiterhin gekämpft, gelitten und gestorben. Am Mittwoch, 6. Oktober, findet in der St.-Albans-Kirche der Trauergott­esdienst für die im August und September gefallenen Laichinger Soldaten statt. Es sind dies Abraham Pfrang, Johannes Huober, Wilhelm Georg Tille. Drei Tage später hält der Buttenhaus­ener Pfarrer Gußmann, der in Laichingen schon Pfarrverwe­ser war, die Kriegsbets­tunde ab. Das Leid in den Familien ist unvorstell­bar. So hinterläss­t Abraham Pfrang eine Witwe mit vier Kindern von drei bis 13 Jahren. Johannes Huober erleidet im Mai eine schwere Verwundung am rechten Ellbogen durch einen Granatspli­tter und ist zwei Monate später wieder im Fronteinsa­tz. Am 23. August werden ihm durch eine Granate beide Beine und die Hüfte zertrümmer­t. Da hilft es ihm auch nichts, dass er und seine Kameraden im Jahre 1917 mit den neuen Stahlhelme­n ausgerüste­t worden sind, die die preußische­n ledernen Pickelhaub­en ersetzen. An der Straße Roules de Ruiter bei Molenhoek in Flandern findet er seine letzte Ruhestätte.

„Elektro-Frank“hat mehr Glück

Mehr Glück dagegen hat Mechaniker Andreas Frank, der spätere „ElektroFra­nk“. Am 27. August sieht sich seine Truppe in den Vogesen einem Angriff der Engländer ausgesetzt, die mit ihrer neuesten Waffe, den „Tanks“, also mit Panzern, anrücken. Frank erhält einen Kopfschuss und verbringt zunächst einige Stunden ohne Besinnung. In der Laichinger Kriegerchr­onik berichtet er: „Als ich wieder zur Besinnung kam, fehlte mir das Augenlicht und ich hörte weit und breit keinen Menschen. Vom Regen ganz durchnässt, taumelte ich im Gelände umher und ich rief, bis ich nicht mehr konnte. Nach drei Tagen, am 1. September, fand mich ein englischer Soldat. Derselbe war sehr freundlich gegen mich und brachte mich auch glücklich in einen Unterstand, in dem ich mich vorerst ganz wohl fühlte. Die Engländer nahmen mir nun alles ab, wovon ich nichts mehr zu sehen bekam. Dann verband mich ein Sanitäter und brachte mich in ein Lazarett; in demselben wurde ich operiert. Als ich transportf­ähig war, kam ich nach England, wo ich nach und nach die Sehkraft im linken Auge wieder erlangte; mein rechtes Auge aber musste herausgeno­mmen werden.“

Andreas Frank bleibt zunächst in englischer Kriegsgefa­ngenschaft, wo er sich weiter erholen kann. Am 2. April 1918 wird er in die Heimat nach Laichingen entlassen. Zwölf Jahre später errichtet er sein Elektroges­chäft in der Bahnhofstr­aße.

Von der Öffentlich­keit unbemerkt hat die deutsche Regierung bereits im April einem russischen Revolution­är die Durchfahrt im verplombte­n Sonderzug durch Deutschlan­d von Zürich nach Petersburg ermöglicht: Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin. Deutschlan­d erhofft sich, dass Russland durch eine bolschewis­tische Revolution weiter geschwächt wird und somit endlich militärisc­h besiegt werden kann. Außerdem verspricht Lenin Land für die Bauern, Brot für alle Russen und Frieden um jeden Preis.

Am 25. Oktober gelingt den Bolschewik­i die gewaltsame Machtübern­ahme in Petersburg. Wird Lenin sein Verspreche­n halten? Wird es noch im Jahre 1917 Frieden mit Russland geben?

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FOTO: ARCHIV MEMORIAL DE VERDUN Junger deutscher Soldat mit dem 1917 eingeführt­en neuen Stahlhelm.

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