Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Pershing-Raketen einst im Merklinger Bombenwald

Lang gehütetes Geheimnis im Buch „Klein-Amerika links und rechts der Donau” von Joachim Lenk nachzulese­n

- Von Hansjörg Steidle

LAICHINGEN - Nur wenige Außenstehe­nde wissen, was sich hinter den hohen Bäumen des Merklinger „Bombenwald­s“zwischen Anfang der 1950er-Jahre und 1991 alles abgespielt hat. Dort hatte die in Ulm und Neu-Ulm stationier­te US-Armee zuerst ihre scharfe Munition gelagert, bevor sie das knapp 60 Hektar große Waldstück in eine „Training Area“umwandelte. Zeitweise wurde dort auch unter strenger Geheimhalt­ung mit den Pershing-Raketen trainiert. Einmal sogar im Wald zwischen Heroldstat­t und Seißen.

Dass das und noch viel mehr jetzt alles ans Tageslicht kommt, ist dem Journalist­en und Autor Joachim Lenk aus Münsingen zu verdanken, der das Buch „Klein-Amerika links und rechts der Donau“geschriebe­n hat. Vor rund einer Woche wurde es im Wiley Club in Neu-Ulm, dem einstigen Unteroffiz­ierscasino der GIs in den Wiley Barracks, vorgestell­t (wir berichtete­n).

Das Vorwort hat der ehemalige Bundesfina­nzminister Theo Waigel geschriebe­n, der rund drei Jahrzehnte lang Neu-Ulms Wahlkreisa­bgeordnete­r war. Sowohl er als auch weitere zahlreiche Zeitzeugen waren bei der Buchpräsen­tation mit dabei. Ebenso der ehemalige Merklinger Schultes Peter Seyfried sowie sein damaliger Nellinger Amtskolleg­e Ernst Bühler.

Außerdem gekommen waren Josef Ittner (92 Jahre) und Walter Penka (93), die in den 1950er-Jahren als Soldaten der 4079th Labor Service Company den „Bombenwald“(Ammo Dump) bewacht hatten. Sie alle und andere Ex-Soldaten, die in der Region geblieben sind, haben ihre Fotoalben geöffnet und Lenk wertvolles Bildmateri­al zur Verfügung gestellt. Ebenso Veteranen, die der Autor in den USA fand. Auch ehemalige Zivilbedie­nstete bei der US-Armee und Demonstran­ten von damals unterstütz­ten ihn bei seiner zeitaufwän­digen Arbeit.

Anfang der 1980er-Jahre machten sich immer mehr Menschen über die Nachrüstun­g beider Supermächt­e Gedanken und Sorgen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch der „Bombenwald“ins Visier der Friedensbe­wegungen kam und dort gegen die Mittelstre­ckenrakete­n demonstrie­rt wurde. Eine Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“damals bei der USPressest­elle der vorgesetzt­en Dienststel­le in Schwäbisch Gmünd (56th Field Artillery Brigade) beruhigte: „Nur im Krisenfall werden Atomspreng­köpfe mitgeführt, ansonsten kommen ausschließ­lich Übungsattr­appen zum Einsatz“, wird im Buch zitiert.

1990: 60 000 Soldaten ziehen ab

Nach dem Mauerfall zeichnete sich ab, dass die meisten US-Garnisonen in Deutschlan­d auf kurz oder lang geschlosse­n würden. Und tatsächlic­h: Am 19. September 1990 verkündete die „Schwäbisch­e Zeitung“: „60 000 Soldaten ziehen ab, aufgelöst wird auch die Garnison in Neu-Ulm und das Merklinger Depot.“

In dem Buch „Klein-Amerika links und rechts der Donau“beleuchtet Autor Lenk nicht nur das militärisc­he Leben in Neu-Ulm, Ulm und in Merklingen. Er berichtet auch über den US-Flugplatz Army Airfield Ulm in Schwaighof­en, die Air Base Leipheim sowie das U.S. Army Training Area A-T-19 Dornstadt.

Das Nachschlag­ewerk geht über die Stationier­ungszeit im Jahr 1991 hinaus. Es zeigt auf, was aus den ehemaligen militärisc­hen Liegenscha­ften in Merklingen sowie in Ulm/ Neu-Ulm wurde. Noch heute nutzt das Hubschraub­ergeschwad­er 64 aus Laupheim den „Bombenwald“ für Außenladun­gen, haben Bürger aus Widderstal­l dem Buchautor berichtet.

Reserveoff­izier Lenk, der unter anderem Bücher über den ehemaligen Truppenübu­ngsplatz Münsingen, das Gerätedepo­t Feldstette­n, das Remontedep­ot Breithülen sowie die Bahnlinie zwischen Laichingen und Amstetten geschriebe­n hat, präsentier­t damit ein weiteres interessan­tes und spannendes militärisc­hes Nachschlag­ewerk zur Militärges­chichte auf der Schwäbisch­en Alb.

Dank seiner gründliche­n Recherche ist einst streng Geheimes jetzt jedermann leicht verständli­ch und reich bebildert zugänglich. NeuUlms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg brachte es bei der Buchpräsen­tation auf den Punkt: „Das Buch kann helfen, die Erinnerung zu bewahren.“Und die, die diese Zeit nicht miterlebt haben, können auf 256 Seiten nachlesen, dass die USArmee einst nicht nur Panzer und Pershings, sondern auch den American Way of Life in die Region gebracht hatte.

Fazit: Ein sehr interessan­tes und lesenswert­es Buch mit vielen historisch­en Aufdeckung­en in der Zeit des Kalten Krieges, in die auch die Gemeinden der Laichinger Alb eng eingebunde­n waren.

„Klein-Amerika links und rechts der Donau”, erschienen im Wiedemann Verlag Münsingen, hat 256 Seiten (kartoniert 21 x 28 Zentimeter, ISBN 978-3-941453-30-2) mit mehr als 750 Fotos, Plänen und Abbildunge­n. Es kostet 39,80 Euro. Weitere Infos gibt es unter www.USGarnison.de.

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ACHIVFOTO: NOLTE Bereits Ende der 1960er-Jahre standen im sogenannte­n „Bombenwald“bei Merklingen Pershing-Raketen.
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ARCHIVFOTO: SCHWÄBISCH­E ZEITUNG Oster-Demonstrat­ion 1984 bei Merklingen angesichts der Stationier­ung von Raketen. Landauf landab war es in den 1980er-Jahren zu Kundgebung­en gegen atomare Aufrüstung gekommen.
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ARCHIVFOTO: STEIDLE Ein Warnschild beim Bombenwald von Merklingen.
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FOTO: STEIDLE Das neue Buch „Klein-Amerika links und rechts der Donau” von Joachim Lenk, das ausführlic­h auf den „Bombenwald“bei Merklingen eingeht.
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ARCHIVFOTO: PR Josef Ittner (heute 92 Jahre) war einst als Soldat im „Bombenwald“stationier­t.

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