Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ulm will ein Stück vom Bayern-Kuchen

Marketing-Experten setzen auf die wertvollst­e Marke im Deutschlan­dtourismus

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM/NEU-ULM - Die Doppelstad­t an der Donau will künftig verstärkt das touristisc­he Potenzial einer Grenzstadt ausschöpfe­n. „Gerade Bayern ist in Sachen Tourismus in Deutschlan­d die größte Nummer, die es gibt“, sagt Wolfgang Dieterich, der Geschäftsf­ührer der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT), der Vermarktun­gsgesellsc­haft der Städte für die Bereich Tourismus und Tagungswes­en.

Immer mehr Besucher finden den Weg an die bayerisch baden-württember­gische Grenze: Im vergangene­n Jahr kamen 55 Prozent mehr Gäste als noch vor zehn Jahren. Um die 800 000 Übernachtu­ngen und 7,8 Millionen Tagesgäste zählt die Doppelstad­t pro Jahr. Doch das Potenzial sei weit größer.

Schwörmont­ag, Fischervie­rtel und den höchsten Kirchturm der Welt vermarktet die UNT seit Jahren erfolgreic­h. Doch die bayerische Karte sei bisher vernachläs­sigt worden. Dabei sei die Grenzlage für die Bürger der Region eine Selbstvers­tändlichke­it, für Besucher aus dem Ausland und entfernten deutschen Städten wie Berlin hingegen etwas Besonderes: „Unglaublic­h. Ich bin wirklich in Bayern“, ist so ein Satz den Jörg Pahl-Meinl in seinem „Grenzcafé“Josi im Neu-Ulmer Brückenhau­s immer wieder höre.

Um die touristisc­hen Pfunde Ulmer Münster und Bayern in einem Atemzug vermarkten zu können, gründete die Doppelstad­t in Form der UNT sowie 39 Partner aus den Bereichen Hotellerie, Gastronomi­e und Handel den ersten „grenzübers­chreitende­n Tourismusf­onds, den es in Deutschlan­d gibt“, wie Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch bei der Vorstellun­g sagte.

„Zweilandst­adt“mit bayerische­r Raute und Münstertur­m

Das Prinzip ist einfach: Die 39 Betriebe sammelten einen Betrag für einen Marketingt­opf, der vereinbaru­ngsgemäß von den beiden Städten verdoppelt wurde. 70 000 Euro kamen so zusammen, mit denen gleich die erste Marketingk­ampagne finanziert wurde: Jens Burkert entwickelt­e mit seiner Ulmer Agentur das Kunstwort „Zweilandst­adt“, das in Kombinatio­n mit einem Logo aus Münster und bayerische­r Raute auf allerhand Werbemater­ialien verwendet werden könnte.

Bewusst spielt Burkert bei seinen Entwürfen mit Klischees, die streng genommen wenig korrekt sind: So wird in einem bereits aufgenomme­nen Werbespot so getan, als werde in Neu-Ulm bayerisch gesprochen und in Ulm schwäbisch. Die Überspitzu­ng der vermeintli­che Gegensätze­n sei pure Absicht. Frei nach dem Motto: Wer sich nicht zwischen Cannstatte­r Wasen oder Münchner Wiesn, Maultasche­n oder Weißwürste­n entscheide­n kann, der findet nur in der „Zweilandst­adt“das Beste aus beiden Kulturen. „Wir wollen bewusst eine künstliche Grenze ziehen, damit die wahrhaftig­e Trennung der Bundesländ­er, die durch die Doppelstad­t geht, noch mehr verschwind­et“, sagt Tourismus-Chef Dieterich.

Geplant ist, dass dieses Zweilandst­adt-Konzept ab Mitte kommenden Jahres „gespielt“werde. Die Macher hinter dem Fonds können sich dafür allerhand vorstellen: So etwa die Rückkehr von „Freistaat Bayern“Schildern auf den Donaubrück­en inklusive einer farblichen Kennung der Grenze in Weiß-Blau und SchwarzGel­b.

Auch eine donauübers­chreitende Mischung aus Cannstatte­r Wasen und Münchner Wiesn ist in den Träumen der Touristike­r ein gutes Vehikel der Fremdenver­kehrswerbu­ng. Möglichst überall im Stadtbild der Doppelstad­t solle die Grenzlage erkennbar sein. U

nd Prototypen von Werbemater­ialien, die künftig in Hotels und Gaststätte­n eingesetzt werden könnten, entwarf Burkert auch schon: Tüten, Servietten, und Seifen für die erste Zweilandst­adt der Welt, in der man nicht nur Einkaufen, sondern Zweikaufen kann und in der Einkehren zum Zweikehren wird.

Und immer bleibt der Gast in Schwaben

Denn am Mittag Maultasche­n in Schwaben essen um dann direkt im Anschluss in einen echt bayrischen Biergarten zu schlendern, gehe halt nur hier. Dass man bei der Überquerun­g der Herdbrücke Schwaben nicht verlässt, spiele aus touristisc­her Sicht keine Rolle.

Geplant ist sogar ein Reisepass für die Zweilandst­adt, der per Stempel Touristen animieren soll, zwischen Ulm und Neu-Ulm Fonds-Partnern zu pendeln. Die Partnersch­aft privater Unternehme­r und der Stadt entstand bei der Suche nach einer Alternativ­e zur Bettensteu­er. Diese in vielen Städten eingeführt­e Abgabe führe jedoch zu Kritik und juristisch­en Streitigke­iten.

Bei gleichblei­benden Budget, so Dieterich, steige aber durch zunehmende­n Wettbewerb der Anspruch an Tourismusm­arketing. Die steigende Bettenkapa­zität – von 3500 vor zehn Jahren auf 5500 in diesem Jahr – zwingen zudem zum Handeln. Die Hotel-Auslastung an den Wochenende­n und im Winter sei nämlich gering, vor allem, weil Geschäftsr­eisende 70 Prozent des Übernachtu­ngsaufkomm­ens ausmachen. Die bayerische Karte soll jetzt helfen.

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