Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Über Gifte in Suppingen
Sybille Regina Braun spricht über die Rolle von Pflanzen in Märchen.
SUPPINGEN - Heimelig gemütlich ist es in der Suppinger Steinwollhütte gewesen, als Sybille Regina Braun rund 20 Besuchern am Freitagabend von „Pflanzenmythen und Pflanzen in Märchen“erzählte.
Das Feuer flackert im Kaminofen, daneben ein großer Sessel. Darin hatte die Biologin Platz genommen, während sich ihr Publikum im Halbkreis um sie gruppiert hatte. Bestens versorgt mit Punsch, Glühwein und selbstgebackenen Leckereien lauschten die Besucher fasziniert dem, was Sybille Braun über Allerweltspflanzen mit besonderer Wirkung – so genannte Hexenkräuter – zu berichten hatte. Meist untermauert von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Bereich der Pharmazie oder Heilkunde über die Wirkung von psychoaktiven Substanzen aus Pflanzen und Pilzen. „Die grünen Gewächse begleiten den Menschen schon von Anbeginn der Zeit“, begann sie den kurzweiligen Abend.
Das Wissen um die Kräfte der Pflanzen stammt häufig aus der Antike. So beispielsweise die Geschichte über die „Entstehung“des Eisenhutes, auch Aconitum genannt. Höllenhund Zerberus, der Wächter des Hades, stattete der Erde eines Tages einen Besuch ab. Überall, wo er umherlief, bevor Herakles ihn wieder einfing, verlor er seinen giftigen Speichel. Und genau an diesen Stellen wuchs dann der giftige Eisenhut. Der Wirkstoff der Wurzel des Eisenhutes dringt auch durch die Haut in den Körper ein, auch die italienische Adelsfamilie der Borgias kannte die pharmakologische Wirkung der Eisenhutwurzel, auch genannt Witwen/Witwermacher. So ist überliefert, dass das Gift des Eisenhutes zu Mitternacht bei aufsteigendem Vollmond und dem Ruf eines Käuzchens seine Wirkung am Besten entfalten würde. „Vor 20 Jahren ließ ein Professor nachprüfen, ob diese Legende auch wahr sei“, berichtete Sybille Braun. Und tatsächlich: „Der Anteil des Giftstoffes erhöht sich in der Nacht um das Doppelte, und bei Vollmond wird die Konzentration nochmal erhöht. Warum auch immer“, beschrieb die Referentin die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes. Nur das Käuzchen müsse nicht schreien, ansonsten passe die Überlieferung.
Als ob Fell oder Federn wachsen
Mit Aconitum Vergiftete verlieren ihr Farbsehvermögen, außerdem haben sie das Gefühl, dass ihnen Fell oder Federn wachsen würde. Denke man an Märchen, in dem Menschen die Gestalt von Tieren annehmen können, so könnte eine Aconitumvergiftung bei den Urhebern der Geschichte eine Rolle gespielt haben, gab die Biologin zu bedenken. In verdünnter Dosis dagegen sei Aconitum ein wichtiges Antivirenmittel. Es helfe bei Grippe und Herpes, könne gegen Gürtelrose eingesetzt werden und lindere viral bedingte Nervenschmerzen.
Eine weitere, weit verbreitete Droge in früheren Zeiten war das Bilsenkraut. Dieses wurde in Bier oder Wein gemischt und sorgte zusammen mit anderen Kräuterzutaten für gute Stimmung auf Festen – und einen dreitägigen Ausnüchterungsschlaf im Anschluss. Bilsenkrautsamen verursachen einen trockenen Mund, umso mehr muss getrunken werden. Die Folge sind Halluzinationen und Visionen – vor allem Gehörhalluzinationen. So konnten die Druiden der Kelten aus dem Rauschen der Eichenblätter die Wünsche der Götter verstehen und als gute Ratschläge an ihr Volk weitergeben. Auch entstanden dadurch möglicherweise Märchen, in denen es um den feinen Gesang von Elfenvölkern geht oder wilden Trommelwirbel durch Dämonen und Teufel.
Da vor allem die Soldaten gerne Bier getrunken haben, welches auch Bilsenkrautsamen enthielt, vielen diese oft tagelang aus. Ein Grund für die Herrschenden, diese unerwünschten Zutaten zu verbieten – und 1516 das Reinheitsgebot für Bier zunächst in Bayern durchzusetzen.