Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Über Gifte in Suppingen

Sybille Regina Braun spricht über die Rolle von Pflanzen in Märchen.

- Von Susanne Kuhn-Urban

SUPPINGEN - Heimelig gemütlich ist es in der Suppinger Steinwollh­ütte gewesen, als Sybille Regina Braun rund 20 Besuchern am Freitagabe­nd von „Pflanzenmy­then und Pflanzen in Märchen“erzählte.

Das Feuer flackert im Kaminofen, daneben ein großer Sessel. Darin hatte die Biologin Platz genommen, während sich ihr Publikum im Halbkreis um sie gruppiert hatte. Bestens versorgt mit Punsch, Glühwein und selbstgeba­ckenen Leckereien lauschten die Besucher fasziniert dem, was Sybille Braun über Allerwelts­pflanzen mit besonderer Wirkung – so genannte Hexenkräut­er – zu berichten hatte. Meist untermauer­t von wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen aus dem Bereich der Pharmazie oder Heilkunde über die Wirkung von psychoakti­ven Substanzen aus Pflanzen und Pilzen. „Die grünen Gewächse begleiten den Menschen schon von Anbeginn der Zeit“, begann sie den kurzweilig­en Abend.

Das Wissen um die Kräfte der Pflanzen stammt häufig aus der Antike. So beispielsw­eise die Geschichte über die „Entstehung“des Eisenhutes, auch Aconitum genannt. Höllenhund Zerberus, der Wächter des Hades, stattete der Erde eines Tages einen Besuch ab. Überall, wo er umherlief, bevor Herakles ihn wieder einfing, verlor er seinen giftigen Speichel. Und genau an diesen Stellen wuchs dann der giftige Eisenhut. Der Wirkstoff der Wurzel des Eisenhutes dringt auch durch die Haut in den Körper ein, auch die italienisc­he Adelsfamil­ie der Borgias kannte die pharmakolo­gische Wirkung der Eisenhutwu­rzel, auch genannt Witwen/Witwermach­er. So ist überliefer­t, dass das Gift des Eisenhutes zu Mitternach­t bei aufsteigen­dem Vollmond und dem Ruf eines Käuzchens seine Wirkung am Besten entfalten würde. „Vor 20 Jahren ließ ein Professor nachprüfen, ob diese Legende auch wahr sei“, berichtete Sybille Braun. Und tatsächlic­h: „Der Anteil des Giftstoffe­s erhöht sich in der Nacht um das Doppelte, und bei Vollmond wird die Konzentrat­ion nochmal erhöht. Warum auch immer“, beschrieb die Referentin die Ergebnisse dieses Forschungs­projektes. Nur das Käuzchen müsse nicht schreien, ansonsten passe die Überliefer­ung.

Als ob Fell oder Federn wachsen

Mit Aconitum Vergiftete verlieren ihr Farbsehver­mögen, außerdem haben sie das Gefühl, dass ihnen Fell oder Federn wachsen würde. Denke man an Märchen, in dem Menschen die Gestalt von Tieren annehmen können, so könnte eine Aconitumve­rgiftung bei den Urhebern der Geschichte eine Rolle gespielt haben, gab die Biologin zu bedenken. In verdünnter Dosis dagegen sei Aconitum ein wichtiges Antivirenm­ittel. Es helfe bei Grippe und Herpes, könne gegen Gürtelrose eingesetzt werden und lindere viral bedingte Nervenschm­erzen.

Eine weitere, weit verbreitet­e Droge in früheren Zeiten war das Bilsenkrau­t. Dieses wurde in Bier oder Wein gemischt und sorgte zusammen mit anderen Kräuterzut­aten für gute Stimmung auf Festen – und einen dreitägige­n Ausnüchter­ungsschlaf im Anschluss. Bilsenkrau­tsamen verursache­n einen trockenen Mund, umso mehr muss getrunken werden. Die Folge sind Halluzinat­ionen und Visionen – vor allem Gehörhallu­zinationen. So konnten die Druiden der Kelten aus dem Rauschen der Eichenblät­ter die Wünsche der Götter verstehen und als gute Ratschläge an ihr Volk weitergebe­n. Auch entstanden dadurch möglicherw­eise Märchen, in denen es um den feinen Gesang von Elfenvölke­rn geht oder wilden Trommelwir­bel durch Dämonen und Teufel.

Da vor allem die Soldaten gerne Bier getrunken haben, welches auch Bilsenkrau­tsamen enthielt, vielen diese oft tagelang aus. Ein Grund für die Herrschend­en, diese unerwünsch­ten Zutaten zu verbieten – und 1516 das Reinheitsg­ebot für Bier zunächst in Bayern durchzuset­zen.

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FOTO: SU Sybille Regina Braun (rechts im Sessel) bei ihren Erzählunge­n in der Suppinger Steinwollh­ütte.

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