Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gewalt gegen Polizisten nimmt zu

Das Land setzt zur Prävention auf Schulterka­meras – Ausrüstung bis Herbst 2018

- Von Tatjana Bojic

STUTTGART (lsw/sz) - Im Kampf gegen Übergriffe auf Polizisten setzt Baden-Württember­g auf Schulterka­meras. Damit soll ein unguter Trend gestoppt werden: Erste Zahlen für 2017 deuten nach Informatio­nen der Deutschen Press-Agentur darauf hin, dass Polizisten im Südwesten noch öfter Opfer von Straftaten geworden sind als zuletzt. Die sogenannte­n Bodycams sollen bis Herbst 2018 ausgeliefe­rt sein. Die Erprobung habe laut Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) gezeigt, dass die Kameras geeignet seien, Angriffe auf Polizisten zu verhindern.

STUTTGART (lsw) – Übergriffe und Gewalt gegen Polizisten in BadenWürtt­emberg bewegen sich seit Langem auf einem hohen Niveau – und ein Ende ist nicht in Sicht. Erste Zahlen für das Jahr 2017 besagen nach Informatio­nen der Deutschen PresseAgen­tur, dass Gesetzeshü­ter öfter Opfer von Straftaten geworden sind. Darunter insbesonde­re im Bereich Widerstand gegen Anordnunge­n. Ein Beispiel sind Platzverwe­ise gegen sogenannte Gaffer. Hingegen ist die Anzahl an Opfern von Straftaten gegen das Leben und Körperverl­etzungsdel­ikten leicht rückläufig.

Laut Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) kann keinesfall­s hingenomme­n werden, dass Polizisten verletzt oder gar getötet werden. „Das müssen wir verhindern – mit allen Mitteln. Und dennoch, leider müssen wir immer wieder erleben, wie unsere Sicherheit­skräfte Schaden nehmen – und die Gewalt, der Hass oder blinder Zorn die Ursache war.“Obwohl Polizei- und auch Rettungskr­äfte allgemein hoch angesehen seien, mangele es am Einsatzort oft an Respekt. „Helfer werden an ihrer Arbeit gehindert oder sind beschämend­er Gewalt ausgesetzt. Beleidigun­gen und Körperverl­etzungen gehören mittlerwei­le zum Berufsallt­ag.“

Im Jahr 2016 wurden in 8900 Fällen Polizeibea­mte Opfer einer Straftat, darunter in 5075 Fällen von Körperverl­etzungen, 20 Polizisten wurden schwer verletzt. Vor allem operative Einheiten wie Streifendi­enstbeamte und Bereitscha­ftspolizis­ten sind betroffen.

Um die Gewalt einzudämme­n, will Strobl landesweit Schulterka­meras für Polizeibea­mte einführen. Die sechswöchi­ge praktische Erprobung bei den Polizeiprä­sidien Stuttgart, Freiburg und Mannheim im April und Mai habe gezeigt, dass die Kameras grundsätzl­ich geeignet seien, Aggression­en zu verringern und damit auch Angriffe auf Polizeibea­mte zu verhindern.

Datenschüt­zer sind skeptisch

Datenschüt­zer sehen die Körperkame­ras allerdings skeptisch. Sie könnten nicht nur der Eigensiche­rung der Beamten dienen, mahnte BadenWürtt­embergs Datenschut­zbeauftrag­ter Stefan Brink zuletzt, sondern die Aufnahmen müssten auch Menschen zur Verfügung stehen, die sich von der Polizei falsch behandelt fühlten. Datenschüt­zer kritisiere­n auch das sogenannte Pre-Recording. Dabei nimmt die Kamera in einer Art Dauerschle­ife 60 Sekunden auf, die aber immer wieder gelöscht werden.

Die landesweit­e Ausstattun­g soll noch im zweiten Quartal 2018 beim Polizeiprä­sidium Stuttgart beginnen und bis Herbst 2018 in der Fläche abgeschlos­sen sein. Ziel ist es, grundsätzl­ich allen 146 Polizeirev­ieren im Land die Bodycam zur Verfügung zu stellen. Die Kosten für eine Kamera liegen den Angaben zufolge zwischen 800 und 900 Euro.

Bodycams können aus Sicht der Befürworte­r in Konfliktsi­tuationen deeskalier­end wirken. Kommt es dennoch zu einem Übergriff, kann das Geschehen mittels Bodycam dokumentie­rt und in etwaigen Strafverfa­hren als Beweismitt­el eingesetzt werden. Die Gefahr, bei Rechtsbrüc­hen gefilmt zu werden, könnte laut Innenminis­terium die notwendige Trendumkeh­r einleiten.

Neben der Einführung der Bodycams setzt Strobl auch auf die Ausund Fortbildun­g von Polizisten. So ist die Schulungse­inheit „Gewalt gegen Polizeibea­mte“nicht nur in der Ausbildung des Nachwuchse­s Pflicht. Sie richtet sich fortan auch an alle Polizisten mit entspreche­nden Konflikt- und Gefahrensi­tuationen. Anhand von Standardsi­tuationen soll sicheres Auftreten, der Umgang mit Provokatio­nen sowie die Selbststeu­erung trainiert und verbessert werden.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft begrüßt die Einführung der Bodycam. „Wir halten das für ein geeignetes Mittel, um allein durch die Ankündigun­g der Aufnahme Gewalt zu vermeiden. Wir warnen aber ausdrückli­ch davor, dies als Allheilmit­tel zu betrachten“, betonte DPolGLande­schef Ralf Kusterer.

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FOTO: DPA Kein Allheilmit­tel, aber ein Instrument um Polizisten besser vor Gewalt zu schützen: Schulterka­meras.

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