Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wo die Erde den Himmel berührt

Martin Herzog, früher Wirtschaft­sminister und OB von Friedrichs­hafen, lebt in Namibia – Trotz Problemen sei das Land auf einem guten Weg

- Von Herbert Guth

NAMIBIA - Eigentlich sollte das Traum-Anwesen von Martin Herzog (CDU) in Namibia diesen Traum im Namen tragen. Doch in der Sprache der Herero, einem der bedeutende­n Stämme in dem südwestafr­ikanischen Staat, gibt es kein Wort für den Begriff Traum. Und so ist auf dem Namensstei­n neben der Zufahrt zu dem auf einer Anhöhe gelegenen Farmhaus der Name „Okusuva“zu lesen. Dies bedeutet passend „Ort der Ruhe“oder auch „ein Platz zum Ausruhen“. Hier verbringt der frühere Oberbürger­meister von Friedrichs­hafen und Ex-Wirtschaft­sminister des Landes Baden-Württember­g große Teile seiner Lebenszeit, wenn er den unwirtlich­en Monaten am Bodensee zusammen mit seiner Frau Cornelia in den sonnigen Süden entflieht. In der Rolle als Pendler zwischen zwei Kontinente­n ist das Ehepaar Herzog völlig aufgegange­n.

Immer informiert

Wie sehr er sich auf seiner einsam gelegenen Farm über Besuch aus der Heimat Friedrichs­hafen freut, zeigt sein Empfang von Mitglieder­n des Bodensee-Presse-Clubs (BPC), die ihrem Ehrenpräsi­denten einen Besuch abstattete­n. Auf einem kleinen Turm, der unter anderem das technisch hoch gerüstete Fernseh- und Rundfunkzi­mmer beherbergt, grüßen die Flaggen von Namibia, Deutschlan­d, Österreich und Friedrichs­hafen. Auf der Terrasse, die einen atemberaub­enden Blick über Teile der Farm bis hinüber zu der Bergkette bietet, die das Anwesen auf einer Seite begrenzt, kommen Hausherr und Besucher schnell ins Gespräch über die Heimat und über die Angelegenh­eiten auf der Farm. Dabei zeigt sich Martin Herzog bestens informiert. Täglich nutzt er das Onlineange­bot der „Schwäbisch­en Zeitung“, um über das Geschehen in der Zeppelinst­adt auf dem Laufenden zu sein. Doch auch das Hickhack rund um den Versuch, eine Regierung für Deutschlan­d zu finden, verfolgt er intensiv. Der geschäftsf­ührenden Kanzlerin Angela Merkel steht er seit Jahren reserviert gegenüber.

Seine Liebe zum südlichen Afrika entdeckte Martin Herzog, als er in seiner Funktion als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der ZF Friedrichs­hafen AG in den 1980er-Jahren nach Südafrika reiste. Hier baute ZF mit seiner Unterstütz­ung gegen den damaligen Widerstand der Gewerkscha­ft ein Getriebewe­rk. Bei mehreren Besuchen lernte Herzog auch das benachbart­e Namibia kennen, das 1990 seine Unabhängig­keit erhielt. 1994 konnte er sich dann einen Traum erfüllen. Er kaufte knapp 40 Prozent der Anteile an der riesigen Farm Donkerhoec­k West, etwa auf halbem Weg zwischen Windhoek und Swakopmund, die rund 8000 Hektar umfasst. Die restlichen Anteile besitzen die vier Töchter des früheren Besitzers Erhard Moldzio, wobei Herzog in allen Angelegenh­eiten der Farm mitspricht und nicht überstimmt werden kann. Die gesamte Fläche von Friedrichs­hafen beträgt im Vergleich dazu nur 6994 Hektar. Mitten durch die Farm verläuft die Hauptverbi­ndungspist­e in Richtung NamibNaukl­uft-Nationalpa­rk und der Küstenstad­t Swakopmund. Das Farmgeländ­e hat in westlicher Richtung eine Ausdehnung von mehr als 20 Kilometern, in Richtung Süden sind es sechs Kilometer. Von der Hauptstadt Windhoek aus muss Herzog über das Khomas-Hochland 180 Kilometer über eine Schotterpi­ste fahren, um zu seinem zweiten Heim zu kommen. Hier führt während seiner Besuche in Friedrichs­hafen sein Verwalter Christian Baas die Geschäfte, ein Freund und Vertrauter.

Schattense­iten der Einsamkeit

In allen Gesprächen schimmert durch, wie sehr Martin Herzog an Namibia hängt. „Ein schöneres Land kann ich mir nicht vorstellen.“Dass die Einsamkeit durchaus auch ihre Schattense­iten hat, verbirgt Herzog nicht. Immerhin leben seine nächsten Nachbarn 30, 40 und 60 Kilometer entfernt. Zu ihnen gehört das Ehepaar Ingrid und Edwin Lohmann, mit denen die Herzogs seit vielen Jahren befreundet sind. Ein Treffen ist schon lange fällig, weshalb sie zu den Ehrengäste­n zählen, die zusammen mit den Besuchern vom Bodensee in die Leopardens­chlucht auf dem Farmgeländ­e eingeladen sind. Hier hat der begnadete Kochkünstl­er Christian Baas vor traumhafte­r Kulisse einen Grillabend mit einheimisc­hem Wild vorbereite­t. Der Ort trägt seinen Namen, weil hier 1984 ein Leopard erschossen wurde, nachdem er ein Kalb gerissen hatte.

Schnell kommt die Sprache auf die Verhältnis­se in Namibia. Hier gibt es Bestrebung­en, den weißen Farmern ihr Land abzukaufen, um es an schwarze Namibier zu verteilen. Ingrid Lohmann zeigt viel Verständni­s für diese Bemühungen. Bei den Einheimisc­hen sei der Begriff „das ist mein Land“nicht bekannt. „Deshalb wollen die einheimisc­hen Farbigen ganz allgemein unser Land, auch wenn sie es nicht bewirtscha­ften können.“Die weißen Farmer sehen sich derzeit insgesamt nicht direkt bedroht. „Anders als in Südafrika glauben wir, dass die Probleme gelöst werden können.“Immerhin gebe es auch schwarze Farmer, die weiße Verwalter angestellt haben.

Dass Namibia im Vergleich zu vielen anderen afrikanisc­hen Staaten auf einem guten Weg zu sein scheint, zeigt ein Gespräch mit dem Bauunterne­hmer Wilfried Groenewald, einem von zehn Ratsherren in Skwakopmun­d, der drittgrößt­en Stadt im Land. Zusammen mit Margit d‘ Avignon und Kirsten Kraft von der Bürgerinit­iative Swakopmund ist er sichtlich stolz darauf, dass in seiner Stadt schwarze Zahlen geschriebe­n werden. Die weiße Opposition werde als echter Partner behandelt, deren Angelegenh­eiten auch ernst genommen werden. So wurden Straßenbau­ten und die Errichtung eines Klärwerks auf Anregung der Bürgerinit­iative in Angriff genommen.

Probleme bereitet der ungezügelt­e Zuzug von Menschen in die Stadt. Geschätzt gibt es mindestens 12 000 wilde Siedler, die in den Außenberei­chen Swakopmund­s in elenden Verhältnis­sen leben. Die Zentralreg­ierung baut zwar Wohnungen, doch die Stadt muss sich um Kanalisati­on und andere Versorgung­seinrichtu­ngen kümmern.

Chinesen sind präsent

Große Sorge bereitet den weißen Kommunalpo­litikern die überall verbreitet­e Korruption im ganzen Land. „Man kann mit einem Häuptling erst dann reden, wenn er ein dickes Geschenk bekommen hat“, ist als geflügelte­s Wort allenthalb­en zu hören. Weiterhin werden die ausufernde Kriminalit­ät und das am Boden liegende Bildungswe­sen mit Sorge betrachtet. Als zusätzlich­es Problem wird die allgegenwä­rtige Präsenz der Chinesen angesehen. Diese sehen in Afrika ihre Interessen­ssphäre. Derzeit bauen die Chinesen in der Küstenstad­t Walvis Bay im Hochseehaf­en neue Anlagen für den Containeru­nd Frachtgutv­erkehr. Er soll in drei Jahren fertiggest­ellt sein. Alfred Schultz, Kenner der Szene, spricht sarkastisc­h von den „kommunisti­schen Freunden“. Von ihm stammt auch die Aussage, dass die Chinesen klammheiml­ich im Hafengebie­t einen Militärstü­tzpunkt aufbauen.

Von all diesen Entwicklun­gen lässt sich Martin Herzog nicht beirren. Wenn sein Blick über den Pool und die sich anschließe­nde Savanne hin zu den Bergen am Horizont schweift, dann sagt er voller Inbrunst: „Hier berührt die Erde den Himmel.“Dies steht auch auf einer Gedenktafe­l am Kreuz auf einem benachbart­en Gipfel, die Herzogs verstorben­er Ehefrau Beate gewidmet ist. „Schöner kann ich auch nicht sagen, was uns mit diesem Fleck Erde verbindet“, sagt ein nachdenkli­cher Martin Herzog. Zusammen mit seiner Frau Cornelia hofft der fast 81Jährige, dass er noch lange seinen Traum in der namibische­n Heimat leben darf.

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FOTO: HERBERT GUTH Okusuva, Ort der Ruhe, hat Martin Herzog seine Farm getauft.
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FOTO: ARC Herzog mit seinem Freund und Weggefährt­en Lothar Späth (rechts), der im vergangene­n Jahr verstarb.
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FOTO: NAMIBIA TOURISM BOARD Namibia bietet traumhafte Landschaft­en.

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