Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Virtuose Klänge – direkt aus der Seele

Heute vor 75 Jahren wurde Jimi Hendrix geboren – der früh Verstorben­e gilt als größter Gitarrist der Rockmusik

- Von Holger Spierig

FRANKFURT (epd) - Es regnet in Strömen, der Auftrittso­rt ist eine Schlammwüs­te, und es sind weit weniger Besucher gekommen als erwartet: Der Auftritt von Jimi Hendrix am 6. September 1970 auf der Ostseeinse­l Fehmarn steht unter keinem guten Stern. Es sollte sein letztes Konzert sein: Zwei Wochen später ist der Ausnahmegi­tarrist tot, er wurde nur 27 Jahre alt. Konzerte und neu aufgelegte Hendrix-Aufnahmen erinnern in diesem Jahr an den heutigen 75. Geburtstag des legendären Musikers, der seiner E-Gitarre Fender Stratocast­er nie zuvor gehörte Klänge entlocken konnte.

Knapp fünf Jahre und fünf zu Lebzeiten veröffentl­ichte Platten hat Hendrix benötigt, um die musikalisc­he Welt aus den Angeln zu heben. Das Musikmagaz­in „Rolling Stone“kürte ihn zum „größten Gitarriste­n aller Zeiten“. Er habe die E-Gitarre zu einem ästhetisch­en Erlebnis gemacht, schrieb Pete Townshend, Gitarrist der Rockband The Who. Der Klang seines virtuosen Gitarrensp­iels sei direkt aus Hendrix’ Seele gekommen, beschrieb es der BluesVeter­an John Lee Hooker.

Der Linkshände­r Hendrix schien mit seinem Instrument geradezu zu verschmelz­en. Er spielte die Gitarre auch hinter dem Kopf oder mit den Zähnen. Und bei einem Auftritt auf dem Monterey Pop Festival 1967 in San Francisco setzte er die Gitarre in Brand – das war neu. Hendrix war auch einer der ersten Musiker, die das Heulen des Feedbacks, wenn die E-Gitarre zu nah an den Lautsprech­er kommt, konsequent einsetzten.

Der Mythos des musikalisc­hen Anführers der Hippies und Vietnamkri­egsgegners wird ihm eher nicht gerecht. Der Musiker, der Soldat einer Elite-Fallschirm­truppe gewesen war, sei ein konservati­ver Patriot gewesen, schreibt Peter Kemper in seiner Hendrix-Biografie. Er sei davon überzeugt gewesen, dass der Militärein­satz der USA in Vietnam notwendig gewesen sei, um eine kommunisti­sche Gefahr zu bannen. Als er die US-Hymne „Star Spangled Banner“1969 auf dem Woodstock-Festival in Rückkopplu­ngen untergehen ließ, war das wohl nicht – wie lange kolportier­t – als Statement gegen den Vietnamkri­eg gedacht.

Kein Talent zum Anführer

Was Politik anging, hielt sich Hendrix in seinen Songtexten und Interviews bedeckt. Vereinnahm­ungsversuc­hen der schwarzen militanten „Black Panther“-Bewegung wich der Sohn eines Afroamerik­aners meist aus. „Ich möchte einfach tun, was ich tue, ohne in Fragen von Rasse und Politik verwickelt zu werden“, antwortete er auf Vorwürfe, dass er für ein weißes Publikum Rockmusik spiele. Er selbst sah die Musik als seinen einzigen Ausweg: „Wenn ich nicht Gitarrist geworden wäre, säße ich wahrschein­lich im Knast“, sagte Hendrix einmal in einem Interview.

Geboren wurde er am 27. November 1942 in Seattle im US-Bundesstaa­t Washington als Johnny Allen Hendrix. Kindheit und Jugend bedeuteten Armut, Hunger und Schläge des strengen Vaters, bei dem Jimi nach der frühen Scheidung seiner Eltern aufwuchs. Nachdem er in einem geklauten Auto erwischt wurde, bewahrte ihn nur der Eintritt in die Armee vor dem Gefängnis.

Seit sein Vater ihm seine erste Gitarre gekauft hatte, übte Hendrix wie besessen. Seine Vorbilder waren die Rock ’n’ Roll-Stars Elvis Presley und Little Richard. Auch Bob Dylan, dessen Stück „All along The Watchtower“er mit elektrisch­er Energie auflud, war wesentlich­e Inspiratio­n.

Nach seiner Armeezeit trat er lange Zeit mit mittelmäßi­gen Bands auf oder begleitete als Mietgitarr­ist im Hintergrun­d die Isley Brothers oder Little Richard. Sein Durchbruch kam erst, als ihn der Bassist der britischen Band Animals, Chas Chandler, als Manager unter Vertrag nahm. Er ließ Hendrix nach England fliegen, wo er sich im „Swinging London“der 60erJahre schnell einen Namen erspielte. Mit dem Bassisten Noel Redding und dem Schlagzeug­er Mitch Mitchell entstand 1966 die Erfolgsfor­mation Jimi Hendrix Experience. Schon die erste Single „Hey Joe“wurde ein Hit. Die erste Schallplat­te „Are You Experience­d?“landete auf dem zweiten Platz der britischen Charts, darüber gab es nur noch die Beatles.

Gefangen im Teufelskre­is

Doch das Leben als Superstar und die langen, auszehrend­en Tourneen forderten ihren Tribut. Wie viele andere Rockstars geriet auch Hendrix in einen Teufelskre­is, er wurde nur noch mit Aufputschm­itteln wach, fand nur noch mit Schlaftabl­etten Ruhe. Sanitäter fanden den 27-Jährigen am 18. September 1970 in seinem Londoner Hotelzimme­r. Er hatte Schlaftabl­etten genommen, Alkohol getrunken und war schließlic­h an seinem Erbrochene­n erstickt.

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FOTO: DPA Jimi Hendrix bei seinem Auftritt bei dem Pop-Festival auf der Ostsee-Insel Fehmarn 1970.

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