Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Pfarrer uneins
Der kirchliche Segen für Homosexuelle? Was Pfarrer der Laichinger Alb sagen.
LAICHINGEN - Im Paragraf 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches heißt es seit Oktober: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“Aber wird dieses neue Gesetz auch in Anspruch genommen? Und wie stehen die Kirchen dazu? Erst an diesem Mittwoch wurde bei der Herbsttagung der evangelischen Landessynode beschlossen: Alles so zu lassen, wie es ist. Bedeutet: Gleichgeschlechtliche Paare bekommen weiterhin keinen Segen.
Homosexuelle Trauungen auf der Laichinger Alb? Welcher Pfarrer „traut“sich?
In Merklingen habe es diesbezüglich noch keine Anfragen gegeben, sagt der evangelische Pfarrer Cornelius Küttner. Eine Segnung oder gar Trauung, wie in der Landeskirche Baden möglich, sei aber von der Landeskirche Württemberg auch gar nicht vorgesehen (siehe Kasten). Er ist sich auch nicht sicher, ob er eine Segnung homosexueller Paare vornehmen würde – wenn dies seitens der Landeskirche gestattet wäre: „Das ist ein sehr brisantes Thema, denn es geht um Menschen.“Man müsse auf die einzelnen Menschen eingehen, die eine Anfrage stellen würden. „Ich täte mir schwer, zu sagen: Ich mach’ das nicht.“Zwischen Segnung und Trauung besteht ein Unterschied. Die Segnung gibt Paaren lediglich den Segen für ihre Partnerschaft, macht aber deutlich, dass es sich nicht um eine Trauung handelt.
Und in Laichingen? Der evangelische Pfarrer Karl-Hermann Gruhler sagt: „Bisher ist die Ehe von Mann und Frau die Beziehung, die im Gottesdienst getraut und gesegnet wird.“Die Segnung oder Trauung anderer Beziehungsformen, also auch von homosexuellen Beziehungen, sei in der württembergischen Landeskirche nicht möglich, bekräftigt wurde diese Haltung nun bei der Herbsttagung der Landessynode. Gruhler: „Homosexuell ZEIT FÜR veranlagte FAMILIE
Menschen können als
Einzelne im Gottesdienst und in der
Seelsorge gesegnet werden, da ist jeder und jede eingeladen, unabhängig von Lebensstil und Lebensform.“
Ende Juni hat der Bundestag mit breiter Mehrheit die „Ehe für alle“beschlossen. Lebenspartnerschaften können in eine Ehe umgewandelt werden, das passiert aber nicht automatisch. Kinder können nun auch gleichzeitig und gemeinsam von homosexuellen Ehepaaren adoptiert werden. Die Reaktionen darauf waren unterschiedlich. Die katholische Bischofskonferenz ließ verlauten, sie halte geschlossen an der Ehe als „Lebensund Liebesgemeinschaft für Mann und Frau als prinzipiell lebenslange Verbindung mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben“fest. Offene EKD
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nahm bereits vor der Debatte zur geplanten Öffnung der Ehe Stellung: Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung sei für die EKD in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung. Daher biete die Ehe beste Voraussetzungen. „Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, begrüßt die EKD.“Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau werde dadurch nicht geschmälert, sondern vielmehr unterstrichen, so die Pressestelle der EKD. Laut EKD spreche deshalb nichts dagegen, dass auch gleichgeschlechtliche Paare evangelischkirchlich heiraten.
In der evangelischen
württembergischen Landeskirche
liegen die Dinge aber anders. Dort bleibt homosexuellen Paaren die Segnung verwehrt, so natürlich auch die Trauung. Frithjof Schwesig, Dekan im Kirchenbezirk Blaubeuren, stellt aber klar: Homosexuelle können im Kirchenbezirk Blaubeuren wie in der gesamten Landeskirche durchaus den Segen empfangen – jedoch nur als Einzelpersonen und nicht als Paar. Diese Lage sei für ihn aber nicht zufriedenstellend. „Der seelsorgerische Rahmen ist zwar wichtig, aber es hat einen Geschmack der Geheimniskrämerei. Das ist für alle Beteiligten nicht schön.“Er wünsche sich mehr Offenheit. Denn: „Auch homosexuelle Paare haben ein Recht auf den öffentlichen Segen.“Von Trauung spricht aber auch er nicht. Schärfere Diskussion Aber warum ist das Thema in der württembergischen Landeskirche so heikel? Hier herrscht eine schärfere Diskussion, da der Pietismus in Württemberg immer noch stark vertreten ist. Und: der Konsensdruck ist geringer, weil nur in der württembergischen Landeskirche die Synodalen direkt von den Kirchenmitgliedern gewählt werden. Die Synodalen, also die Vertreter der evangelischen Kirche, versammeln sich in der Landessynode. Das ist das Kirchenparlament und damit oberstes Entscheidungsorgan.
Dort schließen sie sich zu Gesprächskreisen zusammen, die der jeweiligen politischen Orientierung zugeordnet sind. In der württembergischen Landessynode ist der am stärksten vertretene Gesprächskreis die „Lebendige Gemeinde“, ihr folgt die „Offene Kirche“. Wie die „Lebendige Gemeinde“„tickt“, zeigt ein Beitrag in einer Sonderausgabe (vom 27. Oktober) der Zeitschrift „Theologische Orientierung“. „Für eine kirchliche Segenshandlung in einem öffentlichen Gottesdienst braucht es einen besonderen Auftrag. Diesen sehen wir in der Ehe nur für Mann und Frau begründet“, heißt es an einer Stelle.
Noch bis zum Donnerstag, 30. November, findet in Stuttgart die Herbsttagung der württembergischen Landessynode statt. Dort hat der theologisch liberale Gesprächskreis „Offene Kirche“einen Gesetzentwurf zur
kirchlichen Trauung gleichgeschlechtlicher Paare eingebracht. Dieser wurde abgelehnt (Kasten). Die „Offene Kirche“bezog sich mit ihrem Gesetzentwurf auf das Liebesgebot Jesu. Wo die Bibel Homosexualität verurteile, geschehe dies in einem Kontext, in dem „eine Partnerschaft auf Augenhöhe für gleichgeschlechtliche Paare nicht vorstellbar“gewesen sei. In der Herbsttagung der Landessynode, die am Montag im Hospitalhof begonnen hatte, ging es auch um einen Gesetzentwurf des Oberkirchenrats. Dieser suchte nach einem Kompromiss, den alle Gesprächskreise mittragen könnten. Auch dieser Entwurf wurde abgelehnt.
Was sagen die anderen Pastoren der Umgebung zu dem Thema?
Auch in Westerheim gebe es bisher keine Anfragen für eine gleichgeschlechtliche Segnung. „Die Region ist noch sehr vom Pietismus und der Lebendigen Gemeinde geprägt, die in der Synode stark vertreten ist“, sagt Pfarrerin Annedore Hohensteiner. Sie selbst habe nichts dagegen, homosexuelle Paare zu segnen – oder sogar zu trauen. Hohensteiner vermutet, dass es in der Gemeinde keinen Aufschrei geben würde, sollte sich etwas an der aktuellen Regelung ändern. „Man kennt die Menschen hier. Nur weil diese homosexuell sind und gesegnet werden dürfen, ändert sich nichts, das sind ja immer noch die Gleichen.“Sie wünsche sich, dass „wir als Christen den Menschen mehr Offenheit, Freiheit und Liebe entgegenbringen – und nicht alles in Richtig und Falsch aufteilen wollen.“
Auch in der katholischen Seelsorgeeinheit Laichinger Alb habe es bisher noch keine Anfragen von Homosexuellen gegeben, die sich kirchlich trauen lassen wollten, sagt Pfarrer Karl Enderle. „Gleichgeschlechtliche Paare zu trauen, ist bisher im Eheprotokoll noch nicht vorgesehen und auch in der Dekanatskonferenz noch kein Thema.“Für ihn als Pfarrer sei es nicht angemessen, seine persönliche Meinung zur Segnung/Trauung homosexueller Paare kundzutun, die Frage möchte er dem „Reifungsprozess
der Kirche“überlassen. Es stehe aber jedem katholischen Christen frei, den Gottesdienst zu besuchen, an dessen Ende jedes Mal ein Segen gesprochen wird.
Und die Situation bei den Standesämtern auf der Laichinger Alb seit Einführung der „Ehe für Alle“? Weder in Laichingen, noch in Merklingen, Westerheim oder Heroldstatt gab es bisher standesamtliche Trauungen homosexueller Paare. Auch eingetragene Lebenspartnerschaften wurden noch nicht in Eheeintragungen umgewandelt.
Pfarrerin Susanne Englert, die momentan die Pfarrstelle in Suppingen
und Machtolsheim vertritt, meint, dass eine gleichgeschlechtliche Segnung bisher kein Thema war. Aber: „Die Kirche sollte niemandem den Segen verweigern, der darum bittet, sofern die Partnerschaft moralisch in Ordnung ist.“Ihrer Meinung nach sollte die Segnung als öffentlicher Akt vollzogen werden, und auch eine Trauung homosexueller Paare würde
sie befürworten. Aber auch sie lag mit ihrer Befürchtung richtig, dass eine Gleichstellung in der Herbsttagung nicht erreicht wird: „Die konservativen Kirchengruppierungen wie die Lebendige Gemeinde können besser mobilisieren. Deshalb sind sie bereits seit Jahrzehnten an der Spitze der Landessynode.“In den Gemeinden seien die Ansichten aber differenzierter.
„Thema wird heiß diskutiert“
Und auch in Feldstetten gab es noch keine Anfragen, wie der evangelische Pfarrer Philipp Geißler verlauten lässt. Aus Rücksicht wollte Geißler den zum Zeitpunkt der Anfrage laufenden Gesprächen und dem Entscheidungsprozess der Landessynode durch „übereilte einzelne Äußerungen“nicht vorgreifen.
Und wie ist die Lage in der evangelisch-methodistischen Kirche?
Auch hier gab es noch keine Anfragen. Pfarrer Philipp Züfle (Laichingen) meint: „Das Thema wird heiß
diskutiert auf weltweiter Ebene. Es ist so relevant, dass es zur weltweiten Spaltung führen könnte.“Aber die aktuelle Lage sei ähnlich der in der Landeskirche Württemberg. Eine Öffnung hin zum Segen wäre für Züfle persönlich wichtig. Er findet, dass die Diskussion dem Thema häufig nicht gerecht wird und sehe diese häufig auch als Stellvertreterdiskussion zur Frage, ob die Kirche heutzutage alles mit sich machen lasse und zu liberal werde. „Sollte es zu einer Öffnung kommen, gibt es vielleicht einzelne Gemeindemitglieder, die sich daran stoßen würden. Der Großteil hätte wohl aber nichts dagegen.“
Aufgrund der aktuellen Zustände in der Landeskirche zum Thema homosexuelle Segnung hat sich das „Bündnis Kirche und Homosexualität“gegründet. Daraus entstand die „Initiative Regenbogen“, ein Zusammenschluss verschiedener Kirchengemeinden. Diese wollen homosexuelle Mitglieder willkommen heißen, sie sind offen für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und möchten es homosexuellen Pfarrern und Pfarrerinnen ermöglichen, mit ihrem Partner im Pfarrhaus zu leben.
Wie sind die Reaktionen auf diese Initiative? Pfarrer Karl-Hermann Gruhler: „In einer großen Kirche wie unserer Landeskirche gibt es unterschiedliche Auffassungen zu vielen Fragen. Im Umgang miteinander sind wir in der Kirche darauf angewiesen, dass die beschlossenen Regelungen eingehalten werden.“Es sei schwierig für den Zusammenhalt der Kirche, wenn Gemeinden oder Einzelpersonen sagen würden, dass sie zur Homosexualität eine andere Meinung haben und deshalb jetzt einfach tun, was sie selbst für richtig halten.“Gruhler: „Dies gefährdet den Zusammenhalt unserer Kirche.“
Pfarrerin Hohensteiner hingegen meint: „Ich unterstütze die Forderungen der Initiative.“Sie kenne eine lesbische Pfarrerin, die die Landeskirche wechselte, da es ihr verwehrt war, mit ihrer Partnerin im Pfarrhaus zu leben. „Es ist schade, wenn dieses Thema in anderen Landeskirchen kein Problem darstellt und man aufgrund dieser Tatsache gute Kolleginnen verliert.“