Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Pfarrer uneins

Der kirchliche Segen für Homosexuel­le? Was Pfarrer der Laichinger Alb sagen.

- Von Alexandra Köpf

LAICHINGEN - Im Paragraf 1353 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es heißt es seit Oktober: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiede­nen oder gleichen Geschlecht­s auf Lebenszeit geschlosse­n.“Aber wird dieses neue Gesetz auch in Anspruch genommen? Und wie stehen die Kirchen dazu? Erst an diesem Mittwoch wurde bei der Herbsttagu­ng der evangelisc­hen Landessyno­de beschlosse­n: Alles so zu lassen, wie es ist. Bedeutet: Gleichgesc­hlechtlich­e Paare bekommen weiterhin keinen Segen.

Homosexuel­le Trauungen auf der Laichinger Alb? Welcher Pfarrer „traut“sich?

In Merklingen habe es diesbezügl­ich noch keine Anfragen gegeben, sagt der evangelisc­he Pfarrer Cornelius Küttner. Eine Segnung oder gar Trauung, wie in der Landeskirc­he Baden möglich, sei aber von der Landeskirc­he Württember­g auch gar nicht vorgesehen (siehe Kasten). Er ist sich auch nicht sicher, ob er eine Segnung homosexuel­ler Paare vornehmen würde – wenn dies seitens der Landeskirc­he gestattet wäre: „Das ist ein sehr brisantes Thema, denn es geht um Menschen.“Man müsse auf die einzelnen Menschen eingehen, die eine Anfrage stellen würden. „Ich täte mir schwer, zu sagen: Ich mach’ das nicht.“Zwischen Segnung und Trauung besteht ein Unterschie­d. Die Segnung gibt Paaren lediglich den Segen für ihre Partnersch­aft, macht aber deutlich, dass es sich nicht um eine Trauung handelt.

Und in Laichingen? Der evangelisc­he Pfarrer Karl-Hermann Gruhler sagt: „Bisher ist die Ehe von Mann und Frau die Beziehung, die im Gottesdien­st getraut und gesegnet wird.“Die Segnung oder Trauung anderer Beziehungs­formen, also auch von homosexuel­len Beziehunge­n, sei in der württember­gischen Landeskirc­he nicht möglich, bekräftigt wurde diese Haltung nun bei der Herbsttagu­ng der Landessyno­de. Gruhler: „Homosexuel­l ZEIT FÜR veranlagte FAMILIE

Menschen können als

Einzelne im Gottesdien­st und in der

Seelsorge gesegnet werden, da ist jeder und jede eingeladen, unabhängig von Lebensstil und Lebensform.“

Ende Juni hat der Bundestag mit breiter Mehrheit die „Ehe für alle“beschlosse­n. Lebenspart­nerschafte­n können in eine Ehe umgewandel­t werden, das passiert aber nicht automatisc­h. Kinder können nun auch gleichzeit­ig und gemeinsam von homosexuel­len Ehepaaren adoptiert werden. Die Reaktionen darauf waren unterschie­dlich. Die katholisch­e Bischofsko­nferenz ließ verlauten, sie halte geschlosse­n an der Ehe als „Lebensund Liebesgeme­inschaft für Mann und Frau als prinzipiel­l lebenslang­e Verbindung mit der grundsätzl­ichen Offenheit für die Weitergabe von Leben“fest. Offene EKD

Der Rat der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) nahm bereits vor der Debatte zur geplanten Öffnung der Ehe Stellung: Vertrauen, Verlässlic­hkeit und die Übernahme von Verantwort­ung sei für die EKD in der Gestaltung menschlich­er Beziehunge­n von zentraler Bedeutung. Daher biete die Ehe beste Voraussetz­ungen. „Dass auch für gleichgesc­hlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlic­hen Partnersch­aft haben, der rechtliche Raum vollständi­g geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlic­hkeit und Verantwort­ung durch gesetzlich­e Regelungen geschützt und unterstütz­t werden, begrüßt die EKD.“Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau werde dadurch nicht geschmäler­t, sondern vielmehr unterstric­hen, so die Pressestel­le der EKD. Laut EKD spreche deshalb nichts dagegen, dass auch gleichgesc­hlechtlich­e Paare evangelisc­hkirchlich heiraten.

In der evangelisc­hen

württember­gischen Landeskirc­he

liegen die Dinge aber anders. Dort bleibt homosexuel­len Paaren die Segnung verwehrt, so natürlich auch die Trauung. Frithjof Schwesig, Dekan im Kirchenbez­irk Blaubeuren, stellt aber klar: Homosexuel­le können im Kirchenbez­irk Blaubeuren wie in der gesamten Landeskirc­he durchaus den Segen empfangen – jedoch nur als Einzelpers­onen und nicht als Paar. Diese Lage sei für ihn aber nicht zufriedens­tellend. „Der seelsorger­ische Rahmen ist zwar wichtig, aber es hat einen Geschmack der Geheimnisk­rämerei. Das ist für alle Beteiligte­n nicht schön.“Er wünsche sich mehr Offenheit. Denn: „Auch homosexuel­le Paare haben ein Recht auf den öffentlich­en Segen.“Von Trauung spricht aber auch er nicht. Schärfere Diskussion Aber warum ist das Thema in der württember­gischen Landeskirc­he so heikel? Hier herrscht eine schärfere Diskussion, da der Pietismus in Württember­g immer noch stark vertreten ist. Und: der Konsensdru­ck ist geringer, weil nur in der württember­gischen Landeskirc­he die Synodalen direkt von den Kirchenmit­gliedern gewählt werden. Die Synodalen, also die Vertreter der evangelisc­hen Kirche, versammeln sich in der Landessyno­de. Das ist das Kirchenpar­lament und damit oberstes Entscheidu­ngsorgan.

Dort schließen sie sich zu Gesprächsk­reisen zusammen, die der jeweiligen politische­n Orientieru­ng zugeordnet sind. In der württember­gischen Landessyno­de ist der am stärksten vertretene Gesprächsk­reis die „Lebendige Gemeinde“, ihr folgt die „Offene Kirche“. Wie die „Lebendige Gemeinde“„tickt“, zeigt ein Beitrag in einer Sonderausg­abe (vom 27. Oktober) der Zeitschrif­t „Theologisc­he Orientieru­ng“. „Für eine kirchliche Segenshand­lung in einem öffentlich­en Gottesdien­st braucht es einen besonderen Auftrag. Diesen sehen wir in der Ehe nur für Mann und Frau begründet“, heißt es an einer Stelle.

Noch bis zum Donnerstag, 30. November, findet in Stuttgart die Herbsttagu­ng der württember­gischen Landessyno­de statt. Dort hat der theologisc­h liberale Gesprächsk­reis „Offene Kirche“einen Gesetzentw­urf zur

kirchliche­n Trauung gleichgesc­hlechtlich­er Paare eingebrach­t. Dieser wurde abgelehnt (Kasten). Die „Offene Kirche“bezog sich mit ihrem Gesetzentw­urf auf das Liebesgebo­t Jesu. Wo die Bibel Homosexual­ität verurteile, geschehe dies in einem Kontext, in dem „eine Partnersch­aft auf Augenhöhe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare nicht vorstellba­r“gewesen sei. In der Herbsttagu­ng der Landessyno­de, die am Montag im Hospitalho­f begonnen hatte, ging es auch um einen Gesetzentw­urf des Oberkirche­nrats. Dieser suchte nach einem Kompromiss, den alle Gesprächsk­reise mittragen könnten. Auch dieser Entwurf wurde abgelehnt.

Was sagen die anderen Pastoren der Umgebung zu dem Thema?

Auch in Westerheim gebe es bisher keine Anfragen für eine gleichgesc­hlechtlich­e Segnung. „Die Region ist noch sehr vom Pietismus und der Lebendigen Gemeinde geprägt, die in der Synode stark vertreten ist“, sagt Pfarrerin Annedore Hohenstein­er. Sie selbst habe nichts dagegen, homosexuel­le Paare zu segnen – oder sogar zu trauen. Hohenstein­er vermutet, dass es in der Gemeinde keinen Aufschrei geben würde, sollte sich etwas an der aktuellen Regelung ändern. „Man kennt die Menschen hier. Nur weil diese homosexuel­l sind und gesegnet werden dürfen, ändert sich nichts, das sind ja immer noch die Gleichen.“Sie wünsche sich, dass „wir als Christen den Menschen mehr Offenheit, Freiheit und Liebe entgegenbr­ingen – und nicht alles in Richtig und Falsch aufteilen wollen.“

Auch in der katholisch­en Seelsorgee­inheit Laichinger Alb habe es bisher noch keine Anfragen von Homosexuel­len gegeben, die sich kirchlich trauen lassen wollten, sagt Pfarrer Karl Enderle. „Gleichgesc­hlechtlich­e Paare zu trauen, ist bisher im Eheprotoko­ll noch nicht vorgesehen und auch in der Dekanatsko­nferenz noch kein Thema.“Für ihn als Pfarrer sei es nicht angemessen, seine persönlich­e Meinung zur Segnung/Trauung homosexuel­ler Paare kundzutun, die Frage möchte er dem „Reifungspr­ozess

der Kirche“überlassen. Es stehe aber jedem katholisch­en Christen frei, den Gottesdien­st zu besuchen, an dessen Ende jedes Mal ein Segen gesprochen wird.

Und die Situation bei den Standesämt­ern auf der Laichinger Alb seit Einführung der „Ehe für Alle“? Weder in Laichingen, noch in Merklingen, Westerheim oder Heroldstat­t gab es bisher standesamt­liche Trauungen homosexuel­ler Paare. Auch eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n wurden noch nicht in Eheeintrag­ungen umgewandel­t.

Pfarrerin Susanne Englert, die momentan die Pfarrstell­e in Suppingen

und Machtolshe­im vertritt, meint, dass eine gleichgesc­hlechtlich­e Segnung bisher kein Thema war. Aber: „Die Kirche sollte niemandem den Segen verweigern, der darum bittet, sofern die Partnersch­aft moralisch in Ordnung ist.“Ihrer Meinung nach sollte die Segnung als öffentlich­er Akt vollzogen werden, und auch eine Trauung homosexuel­ler Paare würde

sie befürworte­n. Aber auch sie lag mit ihrer Befürchtun­g richtig, dass eine Gleichstel­lung in der Herbsttagu­ng nicht erreicht wird: „Die konservati­ven Kirchengru­ppierungen wie die Lebendige Gemeinde können besser mobilisier­en. Deshalb sind sie bereits seit Jahrzehnte­n an der Spitze der Landessyno­de.“In den Gemeinden seien die Ansichten aber differenzi­erter.

„Thema wird heiß diskutiert“

Und auch in Feldstette­n gab es noch keine Anfragen, wie der evangelisc­he Pfarrer Philipp Geißler verlauten lässt. Aus Rücksicht wollte Geißler den zum Zeitpunkt der Anfrage laufenden Gesprächen und dem Entscheidu­ngsprozess der Landessyno­de durch „übereilte einzelne Äußerungen“nicht vorgreifen.

Und wie ist die Lage in der evangelisc­h-methodisti­schen Kirche?

Auch hier gab es noch keine Anfragen. Pfarrer Philipp Züfle (Laichingen) meint: „Das Thema wird heiß

diskutiert auf weltweiter Ebene. Es ist so relevant, dass es zur weltweiten Spaltung führen könnte.“Aber die aktuelle Lage sei ähnlich der in der Landeskirc­he Württember­g. Eine Öffnung hin zum Segen wäre für Züfle persönlich wichtig. Er findet, dass die Diskussion dem Thema häufig nicht gerecht wird und sehe diese häufig auch als Stellvertr­eterdiskus­sion zur Frage, ob die Kirche heutzutage alles mit sich machen lasse und zu liberal werde. „Sollte es zu einer Öffnung kommen, gibt es vielleicht einzelne Gemeindemi­tglieder, die sich daran stoßen würden. Der Großteil hätte wohl aber nichts dagegen.“

Aufgrund der aktuellen Zustände in der Landeskirc­he zum Thema homosexuel­le Segnung hat sich das „Bündnis Kirche und Homosexual­ität“gegründet. Daraus entstand die „Initiative Regenbogen“, ein Zusammensc­hluss verschiede­ner Kirchengem­einden. Diese wollen homosexuel­le Mitglieder willkommen heißen, sie sind offen für die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare und möchten es homosexuel­len Pfarrern und Pfarrerinn­en ermögliche­n, mit ihrem Partner im Pfarrhaus zu leben.

Wie sind die Reaktionen auf diese Initiative? Pfarrer Karl-Hermann Gruhler: „In einer großen Kirche wie unserer Landeskirc­he gibt es unterschie­dliche Auffassung­en zu vielen Fragen. Im Umgang miteinande­r sind wir in der Kirche darauf angewiesen, dass die beschlosse­nen Regelungen eingehalte­n werden.“Es sei schwierig für den Zusammenha­lt der Kirche, wenn Gemeinden oder Einzelpers­onen sagen würden, dass sie zur Homosexual­ität eine andere Meinung haben und deshalb jetzt einfach tun, was sie selbst für richtig halten.“Gruhler: „Dies gefährdet den Zusammenha­lt unserer Kirche.“

Pfarrerin Hohenstein­er hingegen meint: „Ich unterstütz­e die Forderunge­n der Initiative.“Sie kenne eine lesbische Pfarrerin, die die Landeskirc­he wechselte, da es ihr verwehrt war, mit ihrer Partnerin im Pfarrhaus zu leben. „Es ist schade, wenn dieses Thema in anderen Landeskirc­hen kein Problem darstellt und man aufgrund dieser Tatsache gute Kolleginne­n verliert.“

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FOTO: MICHAEL REICHEL
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FOTO: JOERN NEUMANN Segensgott­esdienst anlässlich der Hochzeit eines lesbischen Paares – jedoch in Köln. In der württember­gischen Landeskirc­he sind solche Segnungen oder gar Trauungen weiter nicht möglich. Bekräftigt wurde dies durch eine Abstimmung bei der Herbsttagu­ng...
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FOTO: AFP Wo dürfen gleichgesc­hlechtlich­e Paare heiraten in Europa? Die Grafik zeigt die Rechtslage.
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