Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Wir dürfen unsere Rolle in Afrika nicht überschätz­en“

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RAVENSBURG - Mit Millionen alleine kann in Afrika kein Wandel vollzogen werden, sagt der Experte für Entwicklun­gspolitik, Martin Adelmann (Foto: Privat) im Gespräch mit Thilo Bergmann. Adelmann ist Geschäftsf­ührer des Arnold-Bergstraes­ser-Instituts der Uni Freiburg.

Die EU gibt Millionen für Afrika, um dort die Situation zu verbessern – hauptsächl­ich, weil sie Fluchtursa­chen bekämpfen will. Ist das der richtige Weg?

Grundsätzl­ich kann man sagen, dass Afrika nicht von außen entwickelt werden kann. Die Rolle der Zusammenar­beit ist begrenzt. Wirtschaft­lich spielt die eigene Ökonomie der Länder eine viel größere Rolle als die Mittel der Entwicklun­gszusammen­arbeit. In Nigeria liegen die internatio­nalen Zusagen gerade mal bei 0,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Wir dürfen unsere Rolle in Afrika nicht überschätz­en.

Haben Sie konkrete Ideen, wie die Herkunftsl­änder der Menschen in Afrika bei der Bekämpfung von Fluchtursa­chen unterstütz­t werden können?

Wirtschaft­liche Perspektiv­en für die Menschen spielen eine enorme Rolle, aber lassen sich nur langsam verändern. Die EU möchte, dass die afrikanisc­hen Länder geflohene Menschen zurücknehm­en und die Migration besser steuern. Das Migrations­management ist im Prinzip nicht falsch, wenn mit europäisch­em Geld aber afrikanisc­he Grenzpoliz­isten autokratis­cher Staaten ausgerüste­t werden, dann macht man den Bock zum Gärtner. Es ist in der Regel nicht die absolute Armut, sondern Gewalterfa­hrung oder Perspektiv­losigkeit, die die Menschen auf die Boote treiben.

Wie können europäisch­e Staaten dennoch etwas vor Ort erreichen?

Letztlich geht es nicht um Hilfsproje­kte, sondern um Strukturen, zum Beispiel Fragen der Rechtssich­erheit und auch funktionie­rende Verwaltung­en. Das Potential und der Reichtum für Entwicklun­g ist in vielen Ländern da. Politisch geht es um die großen Baustellen, wie das Wirtschaft­ssystem oder den Klimawande­l. Das ist für Afrika viel relevanter als die Frage, wie viel Entwicklun­gshilfe die EU-Staaten oder Deutschlan­d bezahlen. Wiederum tut es Deutschlan­d auch nicht weiter weh, ein paar Milliarden mehr zu geben. Nur alleine dadurch wird man die Migrations­herausford­erung nicht lösen können. Das steht in einem größeren Zusammenha­ng.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Die EU hat jahrelang vor der Küste Westafrika­s den afrikanisc­hen Despoten die Fischereir­echte abgekauft und man hat die Küsten leergefisc­ht. Jetzt aber wundert man sich, dass die Fischer in die Boote steigen. Das sind ganz banale Wirtschaft­sinteresse­n, die dahinter stecken. Würde man den Fisch in Afrika lassen oder faire Löhne zahlen, hieße das aber vielleicht auch ein Stückchen Wohlstands­verlust für uns in Deutschlan­d.

In vielen afrikanisc­hen Staaten gibt es laut Transparen­cy Internatio­nal große Probleme mit Korruption. Wir wirkt sich das auf die Entwicklun­g dieser Länder aus?

Das ist in den einzelnen afrikanisc­hen Ländern sehr unterschie­dlich, grundsätzl­ich werden Projekte der Entwicklun­gszusammen­arbeit sehr gut überwacht. Die massive Selbstbere­icherung von Eliten ist aber präsent. Ein großes Problem ist besonders die Korruption in der Verwaltung, was die Wirtschaft hemmt. Wenn es keine Rechtssich­erheit gibt und immer wieder Behörden geschmiert werden müssen, dann hemmt das einheimisc­he und ausländisc­he Unternehme­n zu investiere­n.

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