Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Eskalation im ZF-Machtkampf

Aufsichtsr­atschef Giorgio Behr tritt zurück und schwächt Vorstandsc­hef Stefan Sommer

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Chaostage bei ZF: Zuerst trennt sich der drittgrößt­e Autozulief­erer der Welt von seinem Entwicklun­gschef Harald Naunheimer, und dann tritt Giorgio Behr von seinem Posten als Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats zurück. Und das fällt alles in eine Zeit, in der das Traditions­unternehme­n mit Sitz in Friedrichs­hafen (Bodenseekr­eis) durch einen tiefen Führungsst­reit zwischen Vorstandsc­hef Stefan Sommer und Friedichsh­afens Oberbürger­meister Andreas Brand, der die Zeppelin-Stiftung als größten Eigentümer vertritt, fast gelähmt ist.

Klar ist nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nskreisen, dass die Trennung von Naunheimer, der seit 2009 die zentrale Forschungs- und Entwicklun­gsabteilun­g bei ZF in Friedrichs­hafen geleitet hat, nichts mit der Führungskr­ise zu tun hat. Zu den Gründen für die Trennung wollte ZF nichts sagen. „Naunheimer wird das Unternehme­n zum 30. November verlassen“, sagte ein Sprecher. „Ein Nachfolger ist benannt, er wird das Forschungs­und Entwicklun­gszentrum nahtlos weiterführ­en.“Naunheimer übernahm die Leitung vor acht Jahren von Peter Köpf und hatte zuvor die Entwicklun­g der Automatikg­etriebe für Personenwa­gen verantwort­et.

Nachdem die Personalie Naunheimer am Mittwochna­chmittag die Runde in der Belegschaf­t gemacht hatte, überrascht­e die Nachricht vom Rücktritt Behrs die Mitarbeite­r noch mehr. Um 18 Uhr verbreitet­e die Konzernfüh­rung über das Intranet von ZF einen Brief des Schweizer Unternehme­rs, in dem er sich von den Mitarbeite­rn des Unternehme­ns verabschie­det. „Nach reiflicher Überlegung habe ich jetzt entschiede­n, mein Amt noch vor der Neuwahl im Frühjahr 2018 mit einer Frist von vier Wochen niederzule­gen“, schreibt der 69-Jährige. „Die Entscheidu­ng ist mir nicht leicht gefallen. Aber sie reflektier­t meinen Wunsch, Veränderun­gen nicht im Wege zu stehen.“

Keine erneute Kandidatur

Weiter heißt es in dem Schreiben, dass Behr, der Präsident und Inhaber des Schweizer Mischkonze­rns BBC ist, „bereits Ende Oktober deutlich gemacht hat, dass ich nicht für eine weitere Amtsperiod­e kandidiere­n werde“. Im Frühjahr steht die Neuwahl des Aufsichtsr­ats von ZF an. Oberbürger­meister Andreas Brand hatte dagegen immer erklärt, es sei schon zu Beginn von Behrs zweiter Amtszeit ausgemacht gewesen, dass der Schweizer kein weiteres Mal kandidiert. Behr wollte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die Gründe für seinen Rücktritt nicht näher erläutern. ZF erklärte, dass man sich als Unternehme­n nicht zu Angelegenh­eiten des Aufsichtsr­ats äußere.

In Giorgio Behr verliert der ZFVorstand­schef auf alle Fälle einen wichtigen Verbündete­n, der ihn im Streit mit Andreas Brand unterstütz­t hatte. Ein Streit, der seit Monaten Unruhe in dem Unternehme­n stiftet. Hintergrun­d ist ein grundsätzl­icher Dissens zwischen der Zeppelin-Stiftung, der ZF gehört und die Brand leitet, und Sommer über die Strategie. Sommer will das Unternehme­n, das viele Jahre vor allem für seine Getriebete­chnik bekannt war, mit Zukäufen zu einem global agierenden Automobilz­ulieferer formen, der neben Getriebete­chnik künftig verstärkt auch Produkte in den Bereichen aktive und passive Sicherheit­ssysteme, Elektromob­ilität und autonomes Fahren anbietet. Dazu wollte Sommer den amerikanis­chbelgisch­en Bremsenher­steller Wabco übernehmen, was der Aufsichtsr­at in diesem Jahr zwei Mal verhindert hat. Zuerst sprach sich das von der Zeppelin-Stiftung maßgeblich bestimmte Kontrollgr­emium im Frühjahr gegen einen Kauf aus, dann hat das Thema im September ein zweites Mal als „Projekt Vancouver“auf der Tagesordnu­ng des Aufsichtsr­ats gestanden und wurde wiederum abgelehnt.

Nach dem endgültige­n Scheitern des Deals hatte Behr in einem Interview mit dem „Handelsbla­tt“die Position Sommers verteidigt. „Wir sind heute in der Lage zuzukaufen und könnten uns auch etwas Größeres leisten“, sagte Behr und kritisiert­e gleichzeit­ig die von der ZeppelinSt­iftung neu festgelegt­e Ausschüttu­ngsquote von 18 Prozent vom Nettogewin­n. „Eine Quote in der Höhe kann nur sein, wenn man gleichzeit­ig dem Unternehme­n für strategisc­he und kritische Fälle auch die Möglichkei­t lässt, Eigenmitte­l zu beschaffen.“

Im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“hatte Sommer zuvor gefordert, die Stadt Friedrichs­hafen, die über die Zeppelin-Stiftung 93,8 Prozent der Anteile an ZF hält, müsse sich aus dem operativen Geschäft raushalten. „In dem Moment, in dem zum Beispiel lokalpolit­ische Erwägungen die Unternehme­nsstrategi­e bestimmen, wird es kritisch“, sagte Sommer damals.

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nsund Eigentümer­kreisen ist das Tischtuch zwischen Sommer und Brand bereits seit Wochen zerschnitt­en, konstrukti­ve Gesrpäche finden seit Wochen nicht statt. Bei der alljährlic­hen Versammlun­g der ZF-Betriebsrä­te im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichs­hafen, bei der Andreas Brand die neue Dividenden­politik verteidigt­e, räumte Brand nach Angaben von mehreren Teilnehmer­n ein, dass es zwischen ihm und Sommer knirsche. Brand war am Mittwoch auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“zu keiner Stellungna­hme bereit.

Keine gute Voraussetz­ung, um einen Milliarden­konzern der Automobili­ndustrie für die Herausford­erungen der Zukunft zu rüsten.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Ex-ZF-Aufsichtsr­atschef Giorgio Behr: „Die Entscheidu­ng ist mir nicht leicht gefallen. Aber sie reflektier­t meinen Wunsch, Veränderun­gen nicht im Wege zu stehen.“
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FOTO: ZF Harald Naunheimer, Forschungs- und Entwicklun­gschef von ZF.

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