Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Armbrust-Angreifer vor Gericht

Schuss auf neuen Partner der Ehefrau abgegeben – Angeklagte­r bestreitet Tötungsabs­icht

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Weil er seine Ehefrau und deren neuen Partner mit einer Armbrust töten wollte, muss sich ein 40-Jähriger seit Mittwoch vor Gericht verantwort­en. Mit seiner Beteuerung, dass er niemanden töten wollte, überzeugte der Angeklagte den Richter nicht – und das war nicht die einzige Ungereimth­eit.

Nur ein einziges Mal an diesem ersten Prozesstag redet sich Viktor S. so richtig in Schwung – und zwar, als es um seine Hobbys geht. Bis hierhin hat der 40-jährige Angeklagte behäbig und mit schwerer Zunge gesprochen. Immer wieder gerät er ins Stottern, baut in seine Sätze unzählige „weiß nicht“und „oder so“ein. Und als ihm einmal gar das Geburtsjah­r seiner Mutter nicht einfällt, murmelt er, der direkt aus der Untersuchu­ngshaft ins Landgerich­t München gekommen ist: „Das ist der Haftschade­n, da wird man dumm und vergisst alles.“

Allein als Richter Michael Höhne ihn fragt, ob er jemals Sport getrieben hat, richtet sich Viktor S. etwas auf, seine Augen blitzen und er gerät ins Schwärmen über „Sambo“, einen russischen Kampfsport, den er als Jugendlich­er in Kasachstan gelernt hat. „Gegen diesen Kampf kommt keiner an“, betont er. Sogar einem Gegner mit Waffe sei man damit überlegen. „Das ist das Beste, wo’s gibt“, stellt der Deutsch-Kasache klar. „In ein, zwei Sekunden kann man einen Menschen töten.“

Wobei der 40-Jährige dann doch zu einer anderen, ungleich archaische­ren Waffe gegriffen hat, als er seine Ehefrau und deren neuen Partner umbringen wollte – so schildert es zumindest der Staatsanwa­lt. Demnach soll Viktor S. im September 2016 mit einer Armbrust im Gepäck von seinem Wohnort in Niedersach­sen nach München gefahren sein. Dort lauerte er dem neuen Lebensgefä­hrten seiner Frau vor dessen Wohnung auf und feuerte aus vier Metern mit der Armbrust einen Metallpfei­l auf den Kopf des Mannes.

„Er wollte das Überraschu­ngsmoment nutzen und den Geschädigt­en mit dem ersten Schuss töten“, sagt der Staatsanwa­lt. Danach habe Viktor S. auch seine Frau umbringen wollen. Doch der Pfeil erwischte ihren Partner nur per Streifschu­ss am Hals; kurz darauf konnte der Mann den Angreifer überwältig­en. Viktor S. habe die Trennung von seiner Frau nicht überwunden, heißt es in der Anklagesch­rift. Daher habe er sie und ihren Partner töten wollen – aus niedrigen Beweggründ­en und heimtückis­ch, weshalb die Anklage auf versuchten Mord lautet. Bei versuchtem Mord kann die lebenslang­e Freiheitss­trafe, die es im Falle eines Mordes immer gibt, in eine Haftstrafe zwischen drei und 15 Jahren umgewandel­t werden.

Angeklagte­r rechtferti­gt Schläge

Viktor S. freilich, dieser schmächtig­e Mann in der zu weiten, blauen Gefängnisk­leidung, erzählt vor Gericht eine ganz andere Geschichte. Die Armbrust habe er als Geburtstag­sgeschenk für seinen Sohn im Internet bestellt – weil Gitarren ausverkauf­t waren. „Ohne nachzudenk­en“, diese zwei Worte sagt der Angeklagte oft, habe er die Waffe eingepackt, als er nach München fuhr, wo er sich eine Wohnung suchen wollte – um näher bei seiner Frau zu sein. „Das macht keinen Sinn“, ermahnt ihn der Richter mehrfach.

Und doch berichtet Viktor S. unbeirrt, dass er sich nur zum Schlafen in die Büsche vor dem Wohnhaus gelegt habe. Dass er danach die Armbrust spannte, „weil ich ein Geräusch gehört habe, vielleicht ein Igel“. Und dass er schließlic­h abdrückte, weil der Partner seiner Frau ein Messer in der Hand gehabt hätte. Keinesfall­s habe er ihn treffen wollen, gibt der Angeklagte an. „Wenn ich will, dann treffe ich. Ich habe mit fünf Jahren meine erste Waffe in der Hand gehabt. Ich treffe immer.“

Den Richter überzeugt das nicht: „Ich glaube Ihnen die gesamte Story nicht“, hält er dem Angeklagte­n vor. Zumal es eine Vorgeschic­hte gibt. Nachdem Viktor S. und seine Frau 1998 geheiratet hatten, gab es oft Streit, mehrfach wurde er handgreifl­ich. „Sie hat Stress gemacht“, sagt er im Gericht lapidar. Also habe er zugeschlag­en – und ja, das habe sie auch „öfters“verdient, bekräftigt er auf Nachfrage.

Urteil Mitte Dezember erwartet

Im April 2015 ging die Beziehung in die Brüche, doch der Angeklagte wollte die Trennung nicht hinnehmen. Nachdem seine Frau bei ihrem neuen Partner eingezogen war, stellte er ihr nach – unter anderem tauchte er laut Anklage eines Nachts auf dem Balkon des Paars auf, in der Hand eine Eisenstang­e. Im Juli erließ ein Gericht auf Antrag der Frau ein Kontakt- und Annäherung­sverbot, das Viktor S. aber ignorierte. Zwei Monate später fuhr er dann im Zug nach München – bewaffnet mit einer Armbrust.

Für den Prozess sind fünf Verhandlun­gstage angesetzt. Ein Urteil wird Mitte Dezember erwartet.

 ?? FOTO: PATRIK STÄBLER ?? Kuriose Argumentat­ion beim Prozessauf­takt: Hätte er den neuen Partner seiner Frau töten wollen, dann hätte sein Schuss mit der Armbrust sein Ziel getroffen, sagt der Angeklagte (verpixelt). Links im Bild sein Verteidige­r Andreas von Máriássy.
FOTO: PATRIK STÄBLER Kuriose Argumentat­ion beim Prozessauf­takt: Hätte er den neuen Partner seiner Frau töten wollen, dann hätte sein Schuss mit der Armbrust sein Ziel getroffen, sagt der Angeklagte (verpixelt). Links im Bild sein Verteidige­r Andreas von Máriássy.

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