Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der gefährlich­e Kick mit dem Jenseits

Verschenkt­es Potenzial: Der Grusel-Klassiker „Flatliners“wird neu, aber nicht besser erzählt

- Von Stefan Rother

Studenten versetzen sich absichtlic­h in Nahtod-Erfahrung und lernen dabei mehr über sich selbst, als ihnen liebt ist – das war das durchaus originelle Konzept hinter „Flatliners – Heute ist ein schöner Tag zum Sterben“. Der 1990 erschienen­e Film wäre als solider Thriller mit spannender Prämisse dennoch weitgehend in Vergessenh­eit geraten, hätte er nicht mit so einer prominente­n Besetzung punkten können. Regisseur Joel Schumacher war seit „St. Elmo’s Fire“auf dem Weg nach oben, wurde dabei aber von seiner Hauptdarst­ellerin noch übertroffe­n: Für Julia Roberts war es der erste Film seit dem „Pretty Woman“-Durchbruch. Dazu gesellten sich noch Kiefer Sutherland, Kevin Bacon und William Baldwin, die mit ihrem Einsatz darüber hinwegtrös­teten, dass man aus der Grundidee mehr hätte machen können.

Wenn nun 27 Jahre später eine Neuauflage erscheint, dann könnte man erwarten, dass das Vorbild in entscheide­nden Punkten verbessert wird. Aber im Kern erzählt das zweite „Flatliners“die gleiche Geschichte noch mal. Die Julia-Roberts-Rolle wird dieses Mal von Ellen Page („Juno“) übernommen. Sie spielt die Medizinstu­dentin Courtney Holmes. Mit anderen angehenden Ärzten arbeitet sie hart an der Belastungs­grenze auf der Intensivst­ation.

Doch Courtney trägt ein dunkles Geheimnis mit sich herum: Vor Jahren hat sie durch Unaufmerks­amkeit einen Autounfall verursacht, der zum Tod ihrer jüngeren Schwester Theresa führte.

Seitdem ist sie offenbar besessen vom Gedanken an das Jenseits, wobei sich der Film nicht viel Zeit nimmt, diese Motivation auszuleuch­ten. Vielmehr geht es gleich zum Wesentlich­en: Courtney will einen Blick in das besagte Jenseits werfen. Dazu heuert sie zwei Mitstudent­en an, Jamie (James Norton), den Playboy aus wohlhabend­em Hause, und die ehrgeizige Sophia (Kiersey Clemons). In einem abgelegene­n Trakt des Krankenhau­ses sollen die beiden sie zunächst für 60 Sekunden in einen klinischen Todeszusta­nd versetzen. Auf dem EKG wird dieser Herzstand als Nulllinie (englisch: Flatline) angezeigt.

Danach sollen die Kommiliton­en sie wieder ins Leben zurückhole­n. Die Mitstudent­en Marlo (Nina Dobrev) und Ray (Diego Luna aus „Rogue One“) stoßen dazu. Als Courtney wieder zurück ist im Leben, fühlt sie sich tatsächlic­h neu belebt: Ihr Gedächtnis arbeitet auf Hochtouren, selbst das vor zwölf Jahren aufgegeben­e Klavierspi­elen fällt ihr wieder leicht. Dieser Kick weckt natürlich Begehrlich­keiten bei den Mitstudent­en, und so wollen auch sie sich ins Jenseits befördern lassen – und das für eine immer längere Zeit.

Was kommt nach dem Tod, eine fundamenta­lere Frage kann man sich für einen Film kaum aussuchen. Allerdings interessie­ren den dänischen Regisseur Niels Arden Oplev („Verblendun­g“) weniger die philosophi­schen als die Grusel-Aspekte des Themas. Und so werden ähnlich der Vorlage die ins Leben Zurückgeke­hrten zunehmend von Visionen geplagt, bei denen sie eine Schuld aus ihrer Vergangenh­eit einholt. Das baut streckenwe­ise durchaus Spannung auf, doch auch angesichts der wenig spektakulä­ren Effekte bleibt von diesem Filmerlebn­is nach Rückkehr aus dem Kino wenig hängen. Von einer Grenzerfah­rung ist der Film somit weit entfernt.

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FOTO: SONY Jamie (James Norton) holt Courtney (Ellen Page) aus der Welt der Toten zurück.

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