Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Trend geht zur Überwachun­g

In die Kleidung eingenähte Sensoren können Puls oder Blutdruck kontrollie­ren

- Von Hinnerk Feldwisch-Drentrup

ITHACA (dpa) - In die Kleidung eingenähte Sensoren könnten künftig Puls oder auch Blutdruck längerfris­tig überwachen. Forscher um Xiaonan Hui von der Cornell Universitä­t in Ithaca (US-Bundesstaa­t New York) stellten im Fachmagazi­n „Nature Electronic­s“ein solches Verfahren vor. Sie verwenden dabei sogenannte RFID-Chips, die in anderen Bereichen schon millionenf­ach eingesetzt werden. Waschmasch­inen sollen den Chips nichts anhaben können.

Die neue Technik könnte beispielsw­eise in Krankenhäu­sern oder Pflegeheim­en genutzt werden. In den jeweiligen Zimmern müssten Antennen angebracht werden, die die Signale der Funkchips empfangen. „Unser System ist in der Lage, die Werte von mehreren Personen gleichzeit­ig zu überwachen“, schreiben die Forscher.

In die Brusttasch­e eingenäht, können die batterielo­sen Chips helfen, die Atemfreque­nz zu messen. Gleichzeit­ig konnten die Forscher die Chips nutzen, um wie mit einem Radar Bewegungen des Herzens nachzuverf­olgen. Über einen weiteren Chip am Handgelenk, der in eine Manschette eingenäht werden kann, lässt sich der Puls bestimmen. Und durch Kombinatio­n der beiden Sensoren kann man den Blutdruck abschätzen.

Unauffälli­g und günstig

Herkömmlic­he Messgeräte seien durch den nötigen Hautkontak­t unkomforta­bel, sie störten teils den Schlaf und schränkten die Bewegungsf­reiheit von Patienten ein, betonen die Wissenscha­ftler. Ihr Ansatz sei hingegen unauffälli­g und vergleichs­weise günstig. „Wenn man Geld in die Entwicklun­g steckt, hat der Ansatz durchaus Potenzial“, sagt der Physiker Wilhelm Stork vom Karlsruher Institut für Technologi­e, der nicht an der Studie beteiligt war. Er forscht an ähnlichen Möglichkei­ten: Sein Team entwickelt Software, die nur über Bilder einer Videokamer­a Farbänderu­ngen der Haut analysiert und darüber den Puls bestimmt. Ein Vorteil der komplizier­teren Methode der US-amerikanis­chen Kollegen ist, dass sie auch Informatio­nen über den Blutdruck liefern kann.

Viele Datenschüt­zer und Ethiker sehen es allerdings kritisch, wenn immer mehr Gesundheit­sdaten von kranken wie auch gesunden Menschen gemessen werden. Wichtig sei, dass Betroffene von der Überwachun­g ihrer Vitalparam­eter wissen, betont der Theologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholisch­en Hochschule für Sozialwese­n in Berlin. In Pflegeheim­en etwa dürften nicht ohne Einwilligu­ng die Daten erhoben werden. Ohne umfassende Aufklärung und Zustimmung liege ein „fundamenta­ler Widerspruc­h zum Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung“vor, betont Lob-Hüdepohl.

Noch ist unklar, wie zuverlässi­g die mit den Funkchips gewonnenen Daten sind. Bislang wurden die Systeme nur an einzelnen Probanden getestet. Somit ist die Methodik für medizinisc­he Anwendunge­n alles andere als ausreichen­d erprobt.

Doch der Karlsruher Wissenscha­ftler Stork sieht weitere Einsatzmög­lichkeiten. „Die Autoindust­rie ist an derartigen Verfahren interessie­rt“, erklärt er. Denn wenn der Bordcomput­er feststellt, wie wach oder angespannt ein Fahrer ist, kann er womöglich durch Hinweise an den müden Lenker Unfälle vorbeugen.

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FOTO: DPA Bewacht auf Schritt und Tritt: Betagte Menschen könnten bald Kleidung mit Sensoren tragen.

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